Willem Dafoe als Kunstdieb im Kino

Gekommen, um zu bleiben

Im Film "Inside" spielt Willem Dafoe einen Kunstdieb, der im hochgesicherten Penthouse eines Sammlers festsitzt. Eine darstellerische Meisterleistung, die aber nicht über Drehbuchschwächen und Kunst-Platitüden hinwegtäuschen kann

Das Penthouse stellt sich als eine ausbruchs-, aber nicht einbruchssichere Festung heraus. Der verzweifelte Versuch des Kunstdiebs, hier wieder herauszukommen, nachdem er drei Gemälde von Egon Schiele eingepackt hat, entwickelt sich zu der wohl großartigsten Performance, die der Sammler und Besitzer der Schätze je in seinen Räumen erwarten durfte. Schade nur, dass er sie nicht erlebt. Er ist in Kasachstan unterwegs.

Aber er kann sich ja den Film anschauen: "Inside" von Vasilis Katsoupis. Der griechische Regisseur überzeugte für sein Spielfilmdebüt keinen Geringeren als Schauspieler Willem Dafoe, sich in die Rolle des Kunstdiebs Nemo zu stürzen. Seine zunehmend desperaten – von Kamera und Schnitt bestens unterstützten – Versuche, aus dem Luxusbunker auszubrechen, nachdem das Sicherheitssystem außer Kontrolle geraten und die Anlage hermetisch von der Außenwelt abgeriegelt ist,  faszinieren. Und trotzdem nagt nach seinem knapp zweistündigen Solo der unstatthafte Wunsch in einem, unbedingt das Drehbuch umschreiben zu wollen.

Das Bedürfnis setzt gleich nach dem eindrucksvollen "Establishing Shot" ein, einem Panoramablick knapp über den Indoor-Pool hinweg durch die riesigen, und wie sich später zeigt: schusssicheren, Fenster auf die Skyline von Manhattan. Der  Hubschrauber dröhnt, Nemo wird abgesetzt und gelangt durch ein Fenster in die Wohnung, wo sich das Sicherheitssystem für sieben Minuten ruhig stellen lässt. Er sammelt die Schieles ein – das begehrte Selbstporträt findet sich leider nicht in diesem Zeitfenster für den Einbruch – und erinnert sich dabei per Voiceover an einen Lehrer seiner Kindheit. Der wollte von seinen Schülern wissen, welche drei Dinge sie aus einem brennenden Haus retten würden. Bei Nemo war es sein Kater Groucho, seine AC/DC-Platte und sein Skizzenbuch. Weil der Kater dann aber starb und die Platte verliehen und nie zurückgegeben wurde, war’s eigentlich nur das Skizzenbuch wert, denn "Kunst bleibt für immer".

Überleben mit Überraschungen

So wenig diese piefige Paraphrase von vita brevis, ars longa überzeugt, so wenig tut das auch die Verlegung der Robinsonade à la "Cast Away" von der einsamen Pazifikinsel in das verschlossene New Yorker Penthouse. Es liegt schließlich nur am High-End-Sicherheitssystem, dass die Wohnung zur Falle wird, dass Wasser- und Stromversorgung ausfallen und die Klimaanlage durchdreht, erst bis ultimo aufheizt, dann tiefkühlt und wieder aufheizt. Wie glaubhaft ist es, dass der Komplettausfall eines Systems, das nicht einfach nur eine Luxuswohnung, sondern eine beachtliche Kunstsammlung schützen soll, über Monate hinweg unbemerkt bleibt?

Immerhin, das Überleben in dem fremden Domizil hat ein paar ganz eigene Überraschungen parat: wie einen Kühlschrank, der ziemlich leer ist, der aber, kaum steht die Tür etwas länger offen, den elenden Sommerhit "Macarena" in den Raum posaunt. Der Fernseher hat zwar keinen Empfang, überträgt dafür aber sadistischerweise die Aufzeichnungen der hauseigenen Überwachungskameras. Diese zeigt hin und wieder Mitbewohner, die ihre Hunde ausführen, oder den Pförtner und eine Putzfrau, die Nemo zunehmend fasziniert.

Und natürlich eröffnet das weitläufige, zweigeschossige Architekten-Domizil – was die Pritzker-Preismedaille verrät, die Nemo findet – jede Menge Gelegenheiten für anarchisch-lustvollen Vandalismus. Leider (die Binsenweisheit von der kreativen Zerstörung darf nicht fehlen) nur im Dienste der Neukonstruktion des Turms, der Nemo ans verschraubte Oberlicht und womöglich in die Freiheit bringt.

Kunst ist vor allem luxuriöse Deko

Mit Hilfe des Skizzenbuchs plant Nemo, wie er Bücherregale, Bettgestelle und anderes Mobiliar am besten mit den Gurten von Sesseln und Betten verbindet, damit die Architektur stabil ist. Zwischendurch isst er die Fische aus dem Aquarium und trinkt das Wasser der Sprinkleranlage in der kleinen Grünanlage in der Wohnhalle. Die Kunst an den Wänden interessiert ihn merkwürdigerweise kaum. Sie ist luxuriöse Deko. Das mag als impliziter Kommentar gemeint sein, schlägt aber als dramaturgische Schwäche durch.

Nur Albrecht Fuchs’ Fotografie vom Sammler mit seiner kleinen Tochter und dem Schäferhund betrachtet er genauer. Den weiblichen Akt eines kleinen Aquarells von Francesco Clemente zeichnet er in seinem Skizzenbuch nach, dessen Bilder er schließlich auf die freie Apartmentwand überträgt. Mühselig gelingt es ihm über lange Wochen hinweg eine Schraube des Oberlichts nach der anderen zu lösen.

Den Sammler, der vor den Überresten seiner ruinierten Wohnung steht, darunter seine im Turm verbauten edlen Jean-Prouvé-Möbel, muss es trösten, dass das Konstrukt selbst wie ein Kunstwerk von Florian Slotawa wirkt, "Besitzarbeit"“ genannt.