Galeristin Francesca Pia

"Ich hänge an der Idee, dass Kunst experimentell sein sollte"

Francesca Pia ist eine Instanz der Schweizer Kulturszene und feiert nun den 33. Geburtstag ihrer Galerie. Hier spricht sie über den Reiz von Zürich, das Recht der Kunst, Fehler zu machen und die Überpräsenz figurativer Malerei

 

Francesca Pia, mögen Sie Geburtstage?

Geburtstage waren mir nie besonders wichtig. Wir haben den runden 30. Geburtstag der Galerie nicht gefeiert – 33 ist auch eine schöne Zahl.

Können Sie sich an die erste Vernissage – damals noch in Bern – erinnern? Was ist Ihnen da besonders in Erinnerung geblieben?

Die große Resonanz bei der Eröffnung hat mich sehr überrascht. Offenbar bestand in der vergleichsweise kleinen Stadt Bern ein erhebliches Interesse. Trotz der damals einflussreichen Geschichte der Kunsthalle Bern gab es noch nicht viele Galerien.

Wie hat sich das Profil Ihrer Galerie über die Jahre geändert?

Das Profil hat sich meiner Ansicht nach nicht grundlegend verändert. Natürlich war meine Galerie anfangs kleiner, sie ist dann im Laufe der Jahre zusammen mit den Künstlerinnen und Künstlern sowohl räumlich als auch in ihrem Programm gewachsen. Es erfreut mich, dass einige, die von Anfang an dabei waren, immer noch in der Galerie ausstellen oder dass wir befreundet geblieben sind.

Kunst ist seit der Kindheit in Ihrem Leben. Als Welterfahrungsmöglichkeit? Oder was hat Sie als Kind fasziniert?

Ich erinnere mich daran, dass ich immer sehr gerne Bilder angeschaut habe – vor allem, wenn man etwas rumstudieren konnte. In meinem Kinderzimmer hing eine Reproduktion von Brueghels Schlaraffenland. Später kam dann Harald Szeemann an die Kunsthalle in Bern. Während der Schulzeit besuchte ich seine Ausstellung "When Attitudes Become Form", in die ich mehrmals ging, im Wissen, dass sich etwas abspielte, das sich mir vielleicht noch nicht ganz erschloss, aber dennoch für mich interessant war. Das hatte einen großen Einfluss auf mein Leben. In dieser Zeit gab es noch die berühmten, von Künstlern gestalteten Schaufenster des Warenhauses Loeb, in denen beispielsweise Tinguely eine seiner Maschinen ausstellte, die Teller kaputtschlug.

Sie verbrachten damals manchmal Zeit mit Meret Oppenheim. Wie war das so?

Meret Oppenheim war eine geistreiche, humorvolle Frau. Sie war sehr aktiv in der Kunstszene. Durch meine Eltern habe ich sie persönlich kennengelernt und war mehrmals mit einer Gruppe in den Winterferien mit ihr in Zermatt oder auch in ihrem Haus in Carona. Daran habe ich sehr lebhafte Erinnerungen.

Sie haben während Ihrer ersten Galerie-Erfahrungen mit den ganz großen Namen gearbeitet, Niki de Saint Phalle, René Magritte, Yves Klein. Ist es ein Unterschied, ob man mit bekannten oder noch nicht bekannten Künstlern arbeitet?

Ja, in meiner ersten Stelle in der Galerie Gimpel & Hanover in Zürich haben wir neben sehr berühmten Positionen auch mit weniger bekannten Positionen gearbeitet. Die Anforderungen an die Galerie unterscheiden sich stark, je nachdem, ob ein Künstler bereits eine Karriere hat oder ganz am Anfang steht. Interessanterweise bleiben die Fragen der Künstler aber oft ganz ähnlich: Wie kommt meine neue Arbeit an? Wann erhalte ich die nächste Ausstellung? Diese Fragen bleiben bestehen. 

Es heißt, sie können Künstlerinnen aufbauen, was ist der Initialmoment dafür?

Ein Interesse an der Arbeit. Und ein Gefühl, dass eventuell eine interessante Zukunft vor ihnen liegt.

Was möchten Sie im nächsten Jahr mehr sehen?

Ich wünsche mir ein vielseitiges Kunstfeld und die Möglichkeiten einer vertieften Auseinandersetzung. Und ich hänge an der Idee, dass Kunst experimentell sein sollte – nur wenn sie experimentell ist, kann sie eigene Antworten und Impulse auf unsere Gegenwart geben.

Was weniger?

Eine bestimmte Form figurativer Malerei ist sehr dominant geworden und nimmt viel Raum ein. Das interessiert mich oft wenig.

Welche Kraft hat Kunst heute?

Kunst verfügt über keine magischen Kräfte – das wären meiner Meinung nach falsche Ansprüche an die Kunst.

Muss Kunst überhaupt Kraft haben?

Gute Kunst kann auch schwach sein und sollte die Freiheit haben, Fehler zu machen zu können.

Es heißt, Sie würden gerne mit Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten, können Sie dieses arbeiten mal näher beschreiben? Was reizt Sie besonders daran?

Die Zusammenarbeit kann sehr anregend sein, ist aber meist auch sehr intensiv. Es entstehen persönliche Beziehungen, die im besten Fall über viele Jahre halten. Es gibt immer eine eigene Dynamik mit jedem Künstler. Das Wichtigste ist das Engagement für die Künstlerinnen und Künstler sowie die Rolle als Vermittlerin. Es gibt Galeristen, die aus Prestigegründen eine Galerie eröffnen. Bei mir war es das Gegenteil. Es gibt so ein Klischee, dem ich nicht entsprechen wollte.

Warum sollte man unbedingt nach Zürich kommen, um Kunst zu schauen oder zu kaufen?

Zürich ist eine Kunststadt. Gerade die Galerienszene ist besonders hochkarätig, vor allem im Verhältnis zur Größe der Stadt. Ich denke, das ist einmalig. Auch die intensiven und vielseitigen Verbindungen zur amerikanischen Kunstszene haben in der Kunstgeschichte der Stadt deutliche Spuren hinterlassen.

Was ist ihr liebstes Gericht in der Kronenhalle?

Dass alle Zürcher Galeristinnen immer in der Kronenhalle sitzen, ist ein beliebtes Klischee. Trotzdem: Saibling auf Sauerkraut ist dort eines meiner Lieblingsgerichte.

Wie oft hängen Sie die Bilder in Ihrem Zuhause um?

Das mache ich leider zu selten, da mir die Zeit fehlt. Es geschieht daher eher in meinem Kopf.

Darf man eigentlich die Kleider behalten, wenn man für Balenciaga modelt?

Man bekommt ein Geschenk.