Künstler Ming Wong über Politik als Performance

"Ich nenne das Ping-Pong-Pianismus"

Welchen Einfluss ein Tischtennisspiel auf die Weltgeschichte haben kann, zeigt der Künstler Ming Wong in einer Piano-Performance in Berlin. Hier spricht er über Ping-Pong-Diplomatie, historische Lektionen und Kunst als Brücke


Ming Wong, wie kamen Sie auf die Idee für die Performance "Rhapsody in Yellow"?

Das vergangene Jahr markiert das 50-jährige Jubiläum der historischen Begegnung zwischen dem US-Präsidenten Richard Nixon und dem chinesischen Staatspräsidenten Mao. Im Grunde begannen Amerika und China vor 50 Jahren, eine Freundschaft und erste diplomatische Beziehungen. Viele der Spannungen, denen wir heute gegenüberstehen, lassen sich tatsächlich auf diesen Moment zurückführen. Die Konflikte zwischen den beiden aufsteigenden Supermächten, zwischen denen immer mehr von uns irgendwie stecken. Auch ich, weil ich gebürtig aus Singapur komme. Ich bin ethnisch chinesisch, meine Großeltern sind aus China migriert.

Inwiefern hatte das einen Einfluss auf Ihre Performance?

Als Künstler arbeite ich zwischen verschiedenen Systemen und verschiedenen Welten. Ich bin eine Brücke. Und wenn ich darüber nachdenke, denke ich auch an frühere Forschungen, die ich im Bereich der klassischen Musik durchgeführt habe. Ich hatte diese Idee, zwei klassische Musikstücke aus China und Amerika zusammenzubringen. Das US-amerikanische Stück ist "Rhapsody in Blue" von George Gershwin, 1924. Es ist ein Symbol für Manhattan und den Aufstieg der USA während der Boom-Dekade. Und ähnlich verwenden wir das "Yellow River Concert", eine der bekanntesten chinesischen Klavierkompositionen. Ich habe angefangen zu experimentieren und sie digital zusammenzubringen. Ich dachte, ich würde nur Chaos produzieren, aber es gab viele Augenblicke von überraschender Schönheit. Dann kam der Einfall, das Ganze live zu zeigen und der Gedanke ließ mich nicht mehr los. Ich hatte diese Ideen schon seit Jahren, aber erst, als ich meinen jetzigen Projekt-Partner Henry Cheng traf, ein US-Amerikaner mit taiwanesischen Wurzeln, fand ich die Möglichkeit, es zu realisieren.

Was meinen Sie mit "Ping-Pong-Diplomatie"?

Jeder kennt Tischtennis. Aber nicht viele Leute wissen, dass dieser Sport ein wichtiger Teil unserer Geschichte ist und das Werkzeug, das die Beziehungen zwischen den USA und China aufgewärmt hat. Ein Jahr bevor Nixon nach Peking kam, lud China US-amerikanische Tischtennisspieler nach China ein, um mit chinesischen Staatsbürgern zu spielen. Die aufkeimende Freundschaft zwischen den beiden Teams fand internationalen Anklang. Ein Jahr nach Nixons Besuch flog das chinesische Nationalteam in die USA, um dort zu spielen. Uns muss heute bewusst sein, dass Menschen aus den USA davor nicht nach China gingen, sie kannten es überhaupt nicht, andersherum genauso. Es herrschte eine Feindseligkeit zwischen den beiden Ländern. Dass sich so etwas durch ein einfaches Tischtennismatch ändern kann, finde ich faszinierend. Dadurch entstand der Begriff "Ping-Pong-Diplomatie". Ich habe versucht, diese Entwicklung in der Performance widerzuspiegeln, die Idee des Austauschs von Ideen zwischen zwei Pianos. Es wird den Zuschauern nicht immer klar sein, ob die Pianisten grade das "Yellow River Concert" oder "Rhapsody in Blue" spielen, da die beiden Stücke miteinander verschmelzen. Ich nenne das "Ping-Pong-Pianismus".

Gab es irgendwelche Vorfälle, als sich die USA und China angenähert haben?

Eine Menge! Wenn man zurückblickt, kann man darüber lachen. Es gibt Aufnahmen von US-Amerikanern, die Nachrichten auf Chinesisch schreiben, um chinesische Tischtennisspieler willkommen zu heißen und Schilder in chinesischer Schrift hochhalten. Das ist etwas, das man heute nicht mehr so oft sieht. Oder die chinesische Militärkapelle, die typische US-Musik wie "Oh! Susanna" oder "Home on the Range" spielt, um die US-Tischtennisspieler willkommen zu heißen. Es wurden auch offizielle Anleitungen veröffentlicht, die chinesischen Zuschauern erklärten, wie man sich bei westlichen klassischen Musik-Konzerten verhalten soll. Irgendwie süß.

Wie ist Ihre Performance aufgebaut?

Es gibt eine Bühnenkulisse und zwei sehr talentierte Pianisten. Während der Performance können sich die Gäste auf einer Leinwand viele der filmischen Materialien ansehen, die ich über die Jahre gesammelt habe. Die Film-Schnipsel beziehen sich sowohl auf die Geschichte der beiden Musikstücke als auch auf Filmmaterial der Nixon-Mao-Begegnung und der Ping-Pong-Diplomatie. Wenn man 50 Jahre später zurückblickt, merkt man, dass wir sehr, sehr weit von diesem Moment entfernt sind. Die Länder liegen wieder weiter auseinander, haben sich entkoppelt. Damals gab es den Wunsch und den Optimismus, sich zusammen zu engagieren, doch das scheint jetzt gänzlich verschwunden zu sein.

Ist das der Grund weshalb Sie sich jetzt dazu entschieden haben, auf dieses Thema aufmerksam zu machen?

Mich als Künstler treibt die menschliche Erfahrung um, es ist eine Art emotionales, persönliches Engagement. Ich habe so viel Diskriminierung in der Welt beobachtet, die immer ernster wird. Ein Teil meiner Verantwortung besteht darin, Bewusstsein dafür zu schaffen und dafür einzustehen. Ich bin auch der Meinung, dass wir vieles in der Geschichte finden, das uns Hinweise auf die heutige Situation gibt. Grade sind wir an einem kritischen Punkt. Deshalb denke ich auch, dass es einen ernsthaften Bezugspunkt für das Projekt braucht. Ich sage nicht, dass es eine Botschaft gibt, sondern dass es einen Impuls gibt, der sehr klar mit der Weltlage verbunden ist.

Aber gleichzeitig wird die Performance als humorvoll beschrieben. Halten Sie es für wichtig, Humor einzubauen?

Natürlich, Humor hat für mich viele Seiten. Bei der Recherche zu diesem Projekt durchlief ich eine ganze Reihe von Emotionen. Es gibt viele tragische Geschichten, die an beide Musikstücke gebunden sind. Ich schweife jetzt ein bisschen ab, aber beim Zusammenfügen dieser beiden Stücke und ihrer Geschichten gab es viele Parallelen, unheimliche Ähnlichkeiten in der Wirkung, die sie auf die Menschen hatten, die an der Komposition, der Förderung oder der Aufführung beteiligt waren. Wenn Sie sich die Musik selbst anhören: Es gibt Momente, in denen Sie laut lachen werden, aber es gibt auch Momente, die herzzerreißend sind. Andere Teile sind einfach unbeschreiblich schön und unerwartet. Wir haben an der Komposition sehr wenig geändert. Die Musikstücke sind einzeln schon sehr emotional, und zusammengelegt verdoppelt sich die Emotionalität. Es ist doppelt lustig, doppelt traurig, doppelt bewegend. Es ist doppelt unvergesslich.

Gibt es etwas, auf das das Publikum achten sollte?

Die Performance beginnt vor der eigentlichen Aufführung. Im Foyer gibt es eine Ausstellung der gesammelten Recherchematerialien. Einige davon sind humorvoll und andere sehr überraschend. Es hilft, den Kontext eines Stücks zu erklären. Aufführungen wie diese sind soziale Ereignisse, und die Zeit davor und danach sind wichtig, um die Performance ganzheitlich zu verstehen. Ich fand es interessant, eine Welt für das Publikum zu schaffen, bevor es das Theater überhaupt betritt.