Galerie trennt sich von Künstler

Kein Recht auf Vermittlung

Wegen seiner Äußerungen zur Flüchtlingspolitik trennt sich die Leipziger Galerie Kleindienst von ihrem Künstler Axel Krause. In einem Kunstmarkt, in dem Galeristen allzu oft ethische Ansprüche ausblenden, ist so ein Schritt ein Lichtblick. Ein Kommentar

Jetzt hat also auch die Kunstwelt ihren Uwe-Tellkamp-Fall: So wie der Suhrkamp-Verlag sich im Frühjahr von seinem Autor distanzierte, nachdem der mit Äußerungen zu Flüchtlingen auffiel, geht die Leipziger Galerie Kleindienst auf Abstand zu ihrem Künstler Axel Krause wegen dessen politischer Überzeugungen. Während Suhrkamp jedoch Uwe Tellkamp weiter verlegen wird, hat Kleindienst die Zusammenarbeit mit dem 59-jährigen Leipziger ganz aufgekündigt.

Die Galerie wolle Krauses politische Ansichten weder teilen noch mittragen, und "das macht man im Prinzip, wenn man ihm eine Präsentierfläche gibt", sagte Galerist Christian Seyde dem MDR. Auch nach Selbstauskunft des Künstlers auf Facebook haben politische Gründe zur Trennung geführt:"Ich halte die illegale Masseneinwanderung für einen großen Fehler und die AfD für ein zu begrüßendes Korrektiv im maroden Politikbetrieb. Das scheint ausreichend für ein Ende nach 14 Jahren Miteinander."

Ist das ausreichend? Das Problem beginnt mit den Behauptungen, von denen auf Krauses Facebook-Seite einige stehen: Ist der Politikbetrieb "marode", gibt es eine "illegale Masseneinwanderung", ein Begriff, über den seit der von Tellkamp mitunterzeichneten "Gemeinsamen Erklärung" gestritten wird? Rechte definieren "die eigene Position als Repräsentation von Natur und Realität. Und deren Anerkennung setzen sie als Normalität", heißt es in dem letztes Jahr erschienenen Buch "Mit Rechten reden". Dessen Autoren sehen in diesem Schema das ganze rhetorische Dilemma für Nicht-Rechte: "Entweder machen wir sie platt, dann inszenieren sie sich als Opfer unserer Aggression. Oder wir machen sie nicht platt, dann deuten sie es als ihre Stärke, der Tatsache, dass sie Recht haben."

Für Krause ist sein Rauswurf ein Beleg dafür, dass die "DDR blüht". Der Künstler nutzt die Gelegenheit, sich den Nimbus des Unangepassten zu geben, der in langen Schachtelsätzen totgeschwiegene Wahrheiten ausspricht: "Die Selbstzensur, wie wir sie in der DDR gelernt haben, um stromlinienförmig zum Karriere-Ziel zu gelangen, ist wieder eine nützliche Eigenschaft, die zu erlernen jeder nötig hat, der kritisch-unangepasst und gleichzeitig erfolgreich sein will. Ich will das nicht mehr!" Mittlerweile fordert Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, "SOLIDARITÄT MIT AXEL KRAUSE!" in Großbuchstaben und sieht in der "hypermoralistisch erkrankten Kunstszene" "Gesinnungstäter" am Werk – obwohl er doch selbst die Kunstszene "entsiffen" will und nach der Förderwürdigkeit von vermeintlich linken Projekten – also nach der Gesinnung von Künstlern – fragt. Auch Grundgesetz-Fan Erika Steinbach hat sich bereits zu Wort gemeldet und findet den Vorgang "grundgesetzwidrig".

Es ist schon lustig, wie hier der Kunstbetrieb als monolithischer Block dargestellt wird. Natürlich ist die Kunstszene nicht rechts. Aber eben auch nicht einfach links und schon gar nicht mit einer beherrschenden Ethik ausgestattet. Gerade in den letzten Monaten konnte man gut beobachten, in welcher Konkurrenz Minderheiten und emanzipatorische Bewegungen zueinanderstehen, etwa wenn einem israelischen Künstler, der in New Yorks Chinatown Gentrifizierung thematisiert, kulturelle Aneignung und Rassismus vorgeworfen wird.

Doch zurück zu Krauses Frage, ob rechte Rhetorik für einen Rausschmiss ausreicht. Dass Galerien als private Unternehmen sich von Künstlern trennen und Künstlern als Selbstständige von ihren Galerien, kommt vor, auch wegen geringfügiger Gründe. Verträge über die Bedingungen der Vertretung sind unüblich, eine Praxis, die man durchaus bedauern kann. Doch die Zusammenarbeit braucht ein Fundament von Vertrauen und Verständnis füreinander. Man verbringt Zeit miteinander, geht auf Reisen, veranstaltet Galeriedinner und -feste, bei denen es auch atmosphärisch stimmen muss und die Gäste nicht das Gefühl haben wollen, dass sie hier lediglich einer gelungenen Geschäftsbeziehung beiwohnen (laut "ArtFacts" ist Krauses Karriere allerdings schon länger im Straucheln).

Im Kunstmarkt verraten Galeristen allzu oft ihre Überzeugungen, wenn sie wieder einmal nicht so genau wissen wollen, ob sie mit dem Verkauf eines progressiven Kunstwerks Spekulation, Steuervermeidung oder gar Geldwäsche unterstützen und woher das Geld überhaupt stammt. Kunstmessen seien Orte, wo man Waffenhändler kennenlernen könne, hat der Künstler Jeremy Deller einmal zugespitzt gesagt. Der Kunstmarkt ist voller moralischer Widersprüche, jede Positionierung von Galerien und Künstlern hilft, sich mit diesen Ambiguitäten zurechtzufinden.

Aber müssten die Kleindienst-Galeristen nicht – wie Krause fordert – zwischen dem Werk und der politischen Einstellung des Künstlers unterscheiden? Auch der Kunstkritiker Hanno Rauterberg, der vom MDR zu dem Fall befragt wurde und gerade ein Buch mit dem Titel "Wie frei ist die Kunst?" veröffentlicht hat (ausgerechnet in dem für seinen Umgang mit Tellkamp gescholtenen Suhrkamp-Verlag), empfiehlt den Galeristen die Trennung von ästhetischen und moralischen Urteilen.

Aber leicht gesagt: Die Frage, ob ästhetische Kriterien bereits im Werk angelegt sind oder erst in dessen Erschließung durch den Betrachter eingebracht werden, ist ein zentrales Problem der modernen Kunstwissenschaft. Für rezeptionsästhetische Ansätze ist es selbstverständlich, dass der Betrachter einen eigenen Horizont und werkexterne Informationen mitbringt. Selbst profane Dokumente wie Facebook-Posts können dann in die Wahrnehmung von Malerei einfließen. Auf diese Erkenntnis reagiert ein Großteil der Gegenwartskünstler, indem sie in ihrem Werk den Kontext seiner Entstehung mitdenken.

Für die Kleindienst-Galeristen stellten sich diese Fragen auf solchen theoretischen Ebene wahrscheinlich gar nicht, die Trennung hatte auch einen ganz handfesten Grund: Die beiden Leipziger hatten nach eigener Auskunft genug davon, immer wieder Fragen nach den politischen Überzeugung ihres Künstlers beantworten mussten. Das kann man gut verstehen. Axel Krause ist kein gefeuerter Angestellter, kein austauschbarer Produzent einer Ware, die Verkäufer ins Regal stellen, sondern seine Bilder sind Ausdruck eines gelebten, empfundenen, gedachten Lebens in einem konkreten Land zu einer konkreten Zeit. Die Kunst in ein Verhältnis zu setzen, ist Aufgabe von Kuratoren, Wissenschaftlern, Kritiker und eben Galeristen. Aber ein Recht darauf hat ein Künstler nicht.