Monopol-Podcast

Zwischen Inspiration und kultureller Aneignung

Die Debatte um koloniale Bezüge in Sammlungsbeständen vieler Museen wirft auch auf Arbeiten beliebter Expressionisten ein neues Licht. In der aktuellen Folge unseres Podcasts diskutieren wir, wie die Rezeption sich verändert

Mitten im wilhelminischen Kaiserreich gründet sich 1905 die Künstlergruppe Brücke. Zu ihr gehörten die expressionistischen Maler Emil Nolde, Max Pechstein, Ludwig Kirchner, Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff. Inspiration für ihre Werke finden die Brücke-Künstler in den Kunstwerken außereuropäischer Kulturen, etwa in den Ländern Afrikas, Indien oder in der Südsee. Um sich einen Eindruck zu verschaffen und an Entwürfen zu arbeiten, besuchten sie die Völkerkundemuseen in Dresden und Berlin oder die damals beliebten "Völkerschauen". Was ihre Bilder nicht zeigen, ist die brutale koloniale Realität, in der sie entstehen.

Das Berliner Brücke-Museum kümmert sich auch um rund 100 Objekte der Sammlung von Karl Schmidt-Rottluff (1884-1976) aus allen Weltregionen mit unklaren Erwerbungsumständen. Anlass für Museumsdirektorin Lisa Marei Schmidt, mit der Ausstellung "Whose Expression? Die Künstler der Brücke im kolonialen Kontext" (18.12.-20.3.) die Zusammenhänge zu thematisieren.

Die Ausstellung zeigt vor dem historischen Hintergrund des deutschen Kolonialreichs der Kaiserzeit rund 80 Arbeiten Schmidt-Rottluffs und seiner berühmten Brücke-Kollegen. Die Gemälde, Skulpturen, Papierarbeiten und Textilien veranschaulichen in sechs Kapiteln, wie die Brücke-Künstler sich mit Menschen und Werken aus kolonialen Kontexten auseinandergesetzt haben. Zur Zeit ihrer Entstehung war das Kaiserreich eine der größten Kolonialmächte Europas.

Romantisierte Realität

Für die Künstler gab es völlig unterschiedliche Ausgangspunkte. Nur Nolde und Pechstein reisten tatsächlich in die deutschen Kolonialgebiete Papua-Neuguinea und Palau. Allerdings romantisieren ihre Arbeiten meist die Realitäten, die Härte kolonialer Wirklichkeit wird in der Kunst völlig ausgeblendet. Schmidt-Rottluff, Heckel und Kirchner orientierten sich vor allem an Beständen in Museen und teils ausufernden Sammlungen der Künstler selbst. So zeigt die Ausstellung mehrere Skulpturen, die sich in Arbeiten wiederfinden, wie etwa einen von einer Leoparden-Figur getragenen Hocker aus Kirchners Atelier. 

Museumschefin Schmidt hat einige Titel der Arbeiten neu fassen lassen. "Das N-Wort können wir als Institution heute nicht mehr schreiben", begründet sie den Schritt. In Wandtexten werden andere schwierige Begriffe wie "Völkerkunde" oder "Entartete Kunst" auf den Kopf gestellt, was Verständnis sichert, aber zum Nachdenken anregt. 

Der heutige Blick auf die kolonialen Kontexte muss aus Schmidts Sicht nicht die Wertschätzung für die Arbeiten selbst minimieren. "Das sind wunderbare Werke", sagt sie. Es gehe nicht darum, die Brücke-Künstler schuldig zu machen, sondern heute Verantwortung zu übernehmen. 

Im benachbarten Kunsthaus Dahlem wird die Sammlung von Schmidt-Rottluff in anderem kritischen Kontext präsentiert. Die Objekte von meist heute unbekannten Künstlerinnen und Künstler werden mit zeitgenössischen Arbeiten in Bezug gesetzt.

Wo steht Deutschland also aktuell in Sachen Aufarbeitung? Das fragen wir uns in einer neuen Folge des Monopol-Podcasts "Kunst und Leben", den wir gemeinsam mit Detektor FM produzieren. Lisa Marei Schmidt erklärt uns darin ihren Ansatz. Hier können Sie die Podcastfolge hören: