Performer Leigh Bowery

Auftritt ohne Ende

  Leigh Bowery 1988 bei einer Performance in der Antony D'Offay Gallery in London
Foto: Actionpress

Leigh Bowery 1988 bei einer Performance in der Antony D'Offay Gallery in London

Er war Performer, Schauspieler, Showman, Muse  ein Gesamtkunstwerk! Leigh Bowery trieb die Idee, er selbst zu sein, über die Grenzen sozialer Akzeptanz hinaus. An Silvester vor 25 Jahren ist der Künstler gestorben – aber sein Echo hallt weiter durch die Gegenwart

"Nur er selbst zu sein, war für Leigh Bowery auch eine Art von Performance", schrieb der britische Kunstkritiker Adrian Searle einmal in Monopol. "Aber Bowery war sich dessen bewusst und trieb sein Leigh-Bowery-Sein auf die Spitze. Sein Auftritt fand nie ein Ende."

Als der Performer Silvester 1994 an den Folgen von AIDS starb, verging damit sein künstlerisches Material: sein Körper. Doch Searle hat insofern Recht, denn Leigh Bowery hat nachfolgende Generationen geprägt und sein Auftritt ging so in gewisser Weise weiter: Echos seines Wirken lassen sich etwa bei Künstlerinnen wie Kris Lemsalu, Alexandra Bircken und Mariechen Danz erkennen, bei Musikerinnen wie Lady Gaga oder Björk und in Entwürfen von Vivienne Westwood, Viktor & Rolf, Rei Kawakubo und Alexander McQueen. 

Leigh Bowery verbrachte viel Zeit damit, sich grotesk herzurichten: Er steckte sich selbst in Kostüme, die an allen möglichen Stellen ausgebeult waren, trug Prothesen, Tutu, bizarre Hüte, Fetischkram aus Latex, gefährlich hohe Plateauschuhe oder Klumpfüße, übergroße Babykleidung, absurdes Clown-Make-up und Kunstpelz. "Bowerys Kleidung spielte mit ihren Masken und prothetischen Erweiterungen nicht nur auf geschlechtliche Aspekte an, sondern auf die Form des Körpers insgesamt. Er trug seine Sachen nicht, er bewohnte sie", so Searle.

Ein Australier in London

Geboren wurde Leigh Bowery 1961 in Melbourne. Nach dem Modedesign-Studium ging er 1980 nach London. "Von Australien aus hatte er beobachtet, was wir in London so trieben", erzählte der Sänger Boy George vor einigen Jahren im Monopol-Interview. "Als er kam, wusste er: Wenn er sich einen Namen machen wollte, müsste er alles übertreffen, was bislang in Sachen Stil gelaufen war. Er suchte sich einen Haufen Kids, die er einkleidete. Schnell bemerkte er aber, dass sie alle Aufmerksamkeit abbekamen – also machte er sich selbst zum Kunstwerk. Vorher hatten wir immer versucht, möglichst perfekt auszusehen. Leigh Bowery warf dieses Drehbuch um, er betonte Bauch und Brüste, er benutzte seinen Körper als Skulptur."

Der Australier wurde schnell ein Zentrum der queeren Szene und veranstaltete im Maximus-Club am Leicester Square Mitte der 80er-Jahre die "Taboo"-Nächte, bei denen Gäste wie etwa Boy George oder John Galliano in schillernden Kostümen erschienen. 1988 stellte er sich in der Galerie Anthony d’Offay einige Tage vor einem Spiegel als Tableau vivant zur Schau. Berühmt sind Lucian Freuds Porträts des nackten Bowery, der sich als Modell für den großen Maler sogar die Piercings entfernte. Freud malte diesen voluminösen Körper in seiner ganzen Präsenz im Raum.

In der Thatcher-Ära, in dem die Gesellschaft von Staats wegen negiert wurde, provozierte Leigh Bowerys Zuspitzung auf das Individuum: Hier trieb jemand die Idee, er selbst zu sein, über die Grenzen sozialer Akzeptanz hinaus. "Am Ende, als er wusste, dass er sterben würde, machte er Bilder, die atemberaubend schön sind", erinnert sich Boy George. Selbst den Tod machte Leigh Bowery zum Künstler am eigenen Körper.