Martin Neuhof porträtiert Aktivisten

Im täglichen Kampf gegen Rechts

Mit seinem "Herzkampf"-Projekt verknüpft der Leipziger NoLegida-Mitbegründer Martin Neuhof sein politisches Interesse mit der Leidenschaft zur Fotografie: Er porträtiert Menschen, die sich gegen den Rechtsruck einsetzen

Herr Neuhof, was ist die Idee hinter dem Projekt?
Ich möchte aktive Menschen, die sich für eine demokratiefördernde, offene Gesellschaft einzusetzen, fotografieren und interviewen, um ihnen bei mir auf der Website eine Plattform zu geben; Leuten, die sich tagtäglich stark engagieren, ohne dabei im Mittelpunkt zu stehen – aber für unsere Gesellschaft der Klebstoff sind.

Wann und warum haben Sie mit "Herzkampf" begonnen?
Die Idee hat sich über einen langen Zeitraum angebahnt. 2014 gründete ich mit zwei weiteren Personen die Leipziger Initiative No-Legida; eine Seite, die über Legida informierte und den Protest gegen Legida über zwei Jahre begleitete. Dabei trat ich erstmals politisch in Erscheinung. Doch mir fehlte die Verbindung zur Fotografie. Mein politisches Interesse mit der Fotografie zu verknüpfen war und ist mir enorm wichtig. Durch "Herzkampf", das im Juli 2018 so richtig begann, sehe ich mich als Mensch komplett abgebildet.

Inwieweit spielen die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen eine Rolle für das Projekt?
Das ist sehr wichtig. Gerade in Sachsen gibt und gab es schon immer ein Problem mit der rechtsradikalen Szene. Hier in der ländlichen Umgebung die Menschen zu zeigen, die sich aktiv gegen Rassismus und für eine weltoffene Gesellschaft einsetzen, empfinde ich als sehr wichtig. Es gibt in jedem Dorf ein paar Leute, die sich engagieren, und diese Personen zu präsentieren, ist meine Aufgabe. Gerade vor der Landtagswahl.

Was hat es mit dem Namen "Herzkampf" auf sich?
Es gibt so viele Menschen, die mit Leib und Seele aktiv sind, dabei über Jahre hinweg die eigenen Grenzen überschreiten. Es ist ein täglicher Kampf, sich für eine offene Gesellschaft einzusetzen.

Wo haben Sie die Protagonisten bislang gefunden und wonach wählen Sie die Menschen aus?
Entweder machen mich Bekannte aus meinem eigenen Umfeld auf die Personen aufmerksam, die Leute schreiben mich selbst an oder Personen, die ich bereits fotografiert habe, geben mir einen Tipp. So entsteht ein stetig wachsendes Netzwerk. Ob es nun die aktuelle Bewegung "Fridays for Future" ist, die gerade für Aufsehen sorgt, oder jemand, der schon in den 1990er Jahren gegen Nazis auf die Straße ging und es noch immer tut. Ich finde die Aktivisten gleichermaßen interessant. Aktivismus ist vielschichtig und gerade deswegen für mich und meine Kamera sehr spannend.

Können sich auch Leute, die gern porträtiert werden möchten, bei Ihnen melden?
Ja, auf der Website www.herzkampf.de gibt es dafür Kontaktformular. Ich schaue mir natürlich alle Einsendungen an und schreibe zurück, wenn es passt.

Was ist Ihnen bei den Fotos wichtig?
Gerade wenn ich in den ländlichen Raum fahre, gehe ich gerne mit den Protagonisten durch das Dorf und lasse mir das "Herz der Stadt" erklären: Wie ticken die Bewohner? Welche Plätze sind wichtig oder wo gab es schon Konflikte? Der Ort, an dem die Porträts entstehen, hat meistens eine besondere Bedeutung für die Menschen.

Warum entstehen immer zwei Porträts von jedem Protagonisten – eine Nah- und eine Ganzkörperaufnahme?
Die Nahaufnahme zeigt für mich den Menschen, den Kopf, die Gedanken dahinter und das Umfeld. Das Ganzkörperfoto stellt die gesamte Person dar. Von Kopf bis Fuß, wer bekennt da Farbe? Gerade mit dem dazugehörigen Interview ergibt sich eine Symbiose, um einen Eindruck von der jeweiligen Person zu bekommen.

Welche Begegnungen sind Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Es ist schwer, einen Menschen hervorzuheben. Jede Person, die vorgestellt wird, ist wichtig. Dennoch gibt es zwei Leute, die mich sehr zum Nachdenken gebracht haben: Willie aus dem Leipziger Stadtteil Connewitz, der schon seit Jahrzehnten aktiv ist und den ich wirklich auf jeder Demonstration gesehen habe. Dann gibt es noch Tobias, der sich in Grimma als Jugendarbeiter verdient gemacht hat und mitten auf dem Dorf in Sachsen einen Begegnungsraum geschaffen hat, wo Jugendliche, Festivals organisieren oder eine Fahrradwerkstatt betreiben. Grandios!

Bilder sind das wichtigste Medium der momentanen Ära. Sollten sich Fotografen stärker für soziale und gesellschaftliche Belange engagieren?
Ehrlich gesagt, bin ich erschrocken, wie wenige Fotografen politisch sind und wie wenige sich aktiv gegen rechte Denke engagieren. Gerade wir als Fotografen haben die Möglichkeit, den Betrachter vor unbequeme Fragen zu stellen. Aber oft schwingt die Angst mit, Aufträge zu verlieren: Wer aneckt, ist unbequem und wird vielleicht weniger gebucht. Ich selbst weiß genau, welche Aufträge ich annehmen möchte und wo ich passe. Für die AfD, CDU (gerade die in Sachsen) und CSU zu arbeiten, käme für mich nicht infrage.

Wie lange möchten Sie "Herzkampf" fortsetzen?
Ich möchte noch sehr lange weitermachen und plane gerade eine Wanderausstellung, die noch vor der Landtagswahl durch die sächsische Provinz führen soll. Dafür müssen aber viele Faktoren stimmen, die ich zu dem jetzigen Zeitpunkt noch nicht ganz absehen kann. Ein Bildband nach der Beendigung des Projektes könnte ich mir sehr gut vorstellen, aber auch das steht in den Sternen.

Was hoffen Sie, mit "Herzkampf" erreichen zu können?
Aktivismus zu zeigen und Leute anzustacheln auch aktiv zu werden. Es gibt überall Initiativen, Vereine und Bündnisse, die man sich anschauen kann um sich zu engagieren. Diese Leute möchte ich nach vorne holen, denn sie haben eine starke Vorbildfunktion und verdienen mehr Aufmerksamkeit, auch medial.