Peter Roehr und Paul Maenz

Marx und Coca-Cola

Das System unterwandern und ein bisschen Spaß haben: Paul Maenz und Peter Roehr eröffneten 1968 in Frankfurt den Headshop "Pudding Explosion". Mit Pop, Kunst, Marx und Mao passte das genau in die damalige Umbruchsstimmung

Herr Maenz, zusammen mit dem Künstler Peter Roehr eröffneten Sie 1968 in Frankfurt am Main den Laden „Pudding Explosion“. Was gehörte zu Ihrem Sortiment?
Poster von Che Guevara bis Albert Einstein, Buttons, Prismenbrillen für den LSD-Trip, sogenannte Alternativpresse, stapelweise "Mao-Bibeln", direkt aus Peking; in der Ecke ein großer Cola-Automat, dazu nonstop die jeweils aktuellste Popmusik. Die Künstlerin Charlotte Posenenske hatte Möbelelemente aus Wellpappe für uns entworfen, einen Skulpturenhimmel an der Decke, Kartonwürfel am Boden. Der Geruch von Räucherstäbchen lag in der Luft, 48 Glühbirnen gingen im Takt an und aus. Den besten Umsatz machten wir übrigens, wenn die GIs vom US-Stützpunkt Frankfurt ihren Payday hatten. Bei uns fanden sie die "politisch unkorrekten" Sachen, die sie offiziell nicht haben durften, darunter so harmlose Dinge wie die regierungskritische New Yorker Zeitung "Village Voice" – es war die Zeit des Vietnamkriegs – und ein paar andere Dinge, zum Beispiel Haschischpfeifen. Wir hatten zwar nie Drogen, aber das Zubehör. Durch den Zulauf der GIs standen wir denn auch schnell unter Beobachtung der amerikanischen Militärpolizei. Und unser "Anti-Nazi-Spray" rief den deutschen Verfassungsschutz auf den Plan. 


Wollten Sie denn das System unterwandern oder bloß ein bisschen Spaß haben?
Wir sahen uns in einer gesellschaftlichen Umbruchsituation, die uns beflügelte und zugleich aufbrachte. Da waren einerseits die Hippies in Kalifornien, Woodstock und die Idee einer befreiten Sexualität, gleichzeitig Londons Carnaby Street mit Twiggy und den Stones und hier das Gefühl, dass der Entwurf einer veränderten Welt im Gange war. Gleichzeitig waren da der Vietnamkrieg, die Springer-Presse, Studentenproteste, der erschossene Benno Ohnesorg. Dabei war uns jede ideologische Verbissenheit eher fremd. Es ging uns um Offenheit, das vor allem. 


Ein Headshop schien Ihnen dafür geeigneter als die Kunst?
Peter Roehr und Charlotte Posenenske, eine aktive Sympathisantin unseres Ladens, hatten wie andere Künstler das Gefühl, mit ihrer Kunst gesellschaftspolitisch nichts bewirken zu können. Stichwort: "Kunst als Ringelschwanz am Hintern des Kapitalismus". Charlotte entschied sich, mit der Kunst aufzuhören und Soziologie zu studieren. Peter Roehr wurde die Zukunftsplanung quasi abgenommen, indem er Ende 1966 die Diagnose bekam, er habe nur noch zwei Jahre zu leben. Ich selbst hatte bisher für eine amerikanische Werbeagentur auf New Yorks Madison Avenue gearbeitet, aber auch mir war klar: Wenn ein Benno Ohnesorg erschossen wird, wenn in Vietnam Napalmbomben abgeworfen werden – dann kann man nicht einfach weiter für Remington und Marlboro Werbung machen und gesellschaftliche Glücksversprechen abgeben. Der Drang zur Veränderung nahm viele Formen an: Manche haben Häuser besetzt oder gingen in die Politik, andere sind in die Drogenszene abgerutscht, wir machten eben diesen Laden auf, direkt hinter der Zeil, Frankfurts Konsummeile. Charlotte und ich haben die Fassade bemalt mit einem stilisierten Karl-Marx-Porträt, durch das eine Coca-Cola-Flasche schoss. Das war der Mix, optisch wie inhaltlich.


Waren Sie denn erfolgreich?
Ja, kaum zu glauben. Wir hatten nach einer Woche verkauft, was für einen Monat hätte reichen sollen. Die Leute strömten in den Laden, der "Spiegel" brachte einen Artikel über "Peter und Pauls Headshop" – es hätte nicht besser kommen können. Nachdem Peter im August 1968, keine 24 Jahre alt, seinem Krebsleiden erlegen war, führte ich den Laden noch ein gutes Jahr weiter. Aber als immer mehr von dem, was vor Kurzem noch subversiv war, Teil einer neuen Popkultur wurde und in der Drogerie um die Ecke die ersten psychedelischen Poster auftauchten, war "Pudding Explosion" gelaufen – der Laden hatte seine Schuldigkeit getan.