Medienschau

Mary Boone, Mary Boone

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Vampire Weekend besingt Galeristin Mary Boone, Albrecht Dürers Haarpracht (dank Stärkemittel und Ei) und Maler Gottfried Helnwein wittert "Cancel Culture": Das ist unsere Presseschau am Ostermontag

Debatte

Obwohl Gottfried Helnwein in diesem Jahr gleich in mehreren Städten seines Heimatlands Österreich mit Bannern im öffentlichen Raum präsent war, beschwert er sich jetzt über "Cancel Culture". Der Grund: Das Wiener Domkapitel hat entschieden, im Stephansdom nach dem vom Künstler gestalteten Fastentuch nicht – wie ursprünglich geplant – auch ein "Ostertuch" und ein "Pfingsttuch" von Helnwein zu zeigen. Wie die Nachrichtenagentur APA berichtet, hatte das Domkapitel von St. Stephan bekanntgegeben, dass das erst am Tag zuvor erstmals vorgelegte "Ostertuch" eines Kindes mit den Wundmalen Christi zwar ein "beeindruckendes und ernstzunehmendes Kunstwerk" sei, "im Blick auf Ostern und die Art der Darstellung könnte es aber 'Menschen verstören' und polarisieren, weswegen die geplante Fortsetzung des Helnwein-Zyklus nicht stattfinde." Helnwein nennt in der Ö1-Sendung "Im Fokus" den Abbruch des Zyklus eine "Zensurorgie". Warum der mutmaßliche Scientolgy-Anhänger so scharf darauf ist, in einer katholischen Kirche auszustellen, ist rätselhaft. Weil die Selbstinszenierung als Opfer von angeblicher "Cancel Culture" chic ist?

Der erfolgreiche Kinofilmregisseur Bora Dagtekin hat Verständnis für die Kritik seines Kollegen Ilker Çatak, es gebe in Deutschland Ignoranz und Ausgrenzung, etwa wenn sein Name kaum erwähnt oder falsch geschrieben werde. "Ich finde es gut, dass İlker Çatak das gesagt hat. Was er damit meint, und worum es ihm am Ende vielleicht auch geht, ist, dass vielleicht mehr Menschen mit auf den ersten Blick nicht so ganz deutsch klingenden Namen, die aber trotzdem deutsch sind, andere Menschen inspirieren können", sagte Dagtekin der "Bild". Der für den Film "Das Lehrerzimmer" für einen Oscar nominierte Regisseur Çatak hatte vor ein paar Wochen eine Debatte darüber angestoßen, wie Medien mit ihm umgegangen seien und dies auf seinen türkischen Namen zurückgeführt. "Wenn İlker in jedem Bericht über die Oscars genannt worden wäre, hätten noch viel mehr Menschen, die ähnliche Namen haben, zu dem Schluss kommen können: 'Hey, ich könnte das auch schaffen ...'", sagte Dagtekin. "Und wer stärker wahrgenommen wird, kann die Welt auch stärker verändern. Die Botschaft ist: Es ist möglich, als Migrantenkind etwas zu erreichen." Das sei das Gefühl, um das es gehe, betonte Dagtekin (andere Schreibvariante: Dağtekin). Der 45-Jährige brachte unter anderem die erfolgreichen "Fack ju Göhte"-Filme ins Kino und legte soeben den bislang erfolgreichsten Kinostart des Jahres in Deutschland hin mit der Komödie "Chantal im Märchenland" mit Jella Haase in der Hauptrolle.

Kunstmarkt

Die New Yorker Band Vampire Weekend hat einen neuen Song über die in Ungnade gefallene Galerist Mary Boone veröffentlicht. Ostern 2019 wurden ihre beiden New Yorker Galerienstandorte vorerst schlossen, Mary Boone musste wegen Steuerbetrugs in Millionenhöhe 30 Monate ins Gefängnis. "Die am Donnerstag veröffentlichte Single bezieht sich nur abstrakt auf Boones Geschäft und den anschließenden Skandal um ihre persönlichen Finanzen und verwendet ihren Namen hauptsächlich als Teil eines Reimschemas", stellt "ArtNews" enttäuscht fest. "'Mary Boone, Mary Boone', gurrt Vampire Weekend-Frontmann Ezra Koenig an verschiedenen Stellen. 'I'm on the dark side of your moon. Mary Boone, Mary Boone, well, I hope you feel like loving someone soon.'" Mary Boone wurde in den 1980er-Jahren eine der mächtigsten Galerien des heraufdämmernden Kunstmarktbooms. Keine andere Galeristin stand in diesem Maße für diese Mischung aus Geschäftsinteressen und Ellbogenmentalität wie Mary Boone – gepaart mit einem Gespür für Trends. "Einschüchternd, kalt und befremdlich ist er, dieser neue Typus der Galerie, der seitdem überall auf der Welt zur Norm wurde", schrieb der Kritiker Matthew Collings 2008 in Monopol. "Schon im Eingangsbereich fühlt man sich mehr wie in einer Firmenlobby als in Kunsträumen. Dabei ging es gar nicht so sehr darum, abschreckend zu wirken, sondern den Reichen zu signalisieren, dass ihre Wertmaßstäbe hier akzeptiert seien."

 

Kunstgeschichte

Der berühmte Nürnberger Meister Albrecht Dürer (1471-1528) ist stets mit auffälliger Lockenpracht dargestellt - was vermutlich Ausdruck eines großen Modebewusstseins war. "Ich denke mal, seine Frau hat mehr Zeit auf seine Frisur verwendet als auf ihre eigene. Sie haben mit Stärkemitteln und Eiern gearbeitet, damit das Haar glänzend wurde. Kosmetik war damals sehr wichtig - auch unter Männern", sagte die Historikerin Ulinka Rublack den "Nürnberger Nachrichten". Die Wissenschaftlerin, die Europäische Geschichte in Cambridge lehrt, betonte zugleich, die Brüche im Leben und Schaffen Dürers sollten stärker in den Blickpunkt rücken. Man müsse Dürer viel mehr als bisher über diese Brüche wahrnehmen. "Er hat mit vielem in seinem Leben einfach aufgehört. Mit dem Goldschmieden zum Beispiel. Oder mit Altarbildern. Die hat er ab 1511 nicht mehr produziert", erläuterte sie. "Das war eine richtig große Entscheidung für ihn - etwa so, wie wenn ein Autor großer Romane auf einmal nur noch starke Kurzgeschichten schreibt." Von Rublack erschien kürzlich das Buch "Dürer im Zeitalter der Wunder". 

Ausstellung

Gleich drei große Museen zeigen in diesem Jahr Käthe Kollwitz: das Frankfurter Stadel, das New Yorker Museum of Modern Art und das Statens Museum for Kunst Kopenhagen. Woher kommt die Begeisterung für die Künstlerin? Silke Hohmann in Detektor FM mit einem Erklärungsversuch:
 


Kulturberichterstattung

Nach monatelanger heftiger Diskussion um sein Kulturangebot startet der Bayerische Rundfunk (BR) am Dienstag sein reformiertes Radioprogramm Bayern 2. Der öffentlich-rechtliche Sender will Kultur zu prominenteren Sendezeiten und auch auf digitalen Wegen präsentieren. Kritiker der Reform unter anderem aus der Kulturbranche werfen der viertgrößten ARD-Anstalt dagegen vor, traditionsreiche Sendungen etwa zur Literatur ("Diwan", "radiotexte") aufzugeben. Auf Podien, in einer Petition und bei Protesten vor dem BR-Hochhaus in München hatten sie ihrem Unmut Luft gemacht. Die Reformgegner sprechen von weniger Stunden für Kultur. Statt in speziellen Sendungen stattzufinden, werde Kultur zudem in Einzelbeiträge aufgelöst. BR-Intendantin Katja Wildermuth verteidigte die Pläne immer wieder in Diskussionen und im Rundfunkrat, dem Aufsichtsgremium des Senders. "Selbstverständlich und völlig unstrittig ist Kultur für uns ein ganz, ganz wichtiger Auftrag", hatte sie betont. "Es wird kein einziger Cent aus der Kulturberichterstattung genommen." Der Rundfunkrat will die Umsetzung der Reform kontinuierlich überprüfen. Aber eigens genehmigen muss das Gremium solche Veränderungen im Programm nicht. Bayern 2 bietet traditionell ein Radio-Vollprogramm mit viel Information, Kultur und Musik. Allerdings erlitt das Programm unter den BR-Hörfunkwellen nach jüngsten Branchenzahlen vergleichsweise deutliche Einbußen beim Publikum. "Mit dem neuen Schema stärken wir Bayern 2 als die Kulturwelle", betonte Björn Wilhelm, Programmdirektor Kultur des BR. Konkret soll es auf Bayern 2 nun in der wichtigen Sendezeit am frühen Morgen jede halbe Stunde Kultur geben. Damit habe sie in der Primetime-Show "Welt am Morgen" künftig viel Platz, sagte Wilhelm. Für den Nachmittag ist werktags eine zweistündige Sendung "Kulturleben" geplant. Wilhelm versprach: "An der Qualität von Bayern 2 wird nicht gerüttelt. Es ist ein klares Bekenntnis zu Tiefe und Ausführlichkeit." Ein Beispiel für neue digitale Formate: Zur Leipziger Buchmesse startete gerade "BR Literally" - das nach BR-Angaben erste solche ARD-Bücherangebot auf der Social-Media-Plattform Tiktok. 

Film

Die geplante dritte Staffel der Netflix-Produktion "Heartstopper" muss ohne Oscar-Preisträgerin Olivia Colman auskommen. Sie fühle sich schlecht deswegen, aber sie könne den Dreh in ihrem Terminkalender einfach nicht unterbringen, sagte der britische Star laut der US-Zeitschrift "Forbes". Colman schwärmte zugleich von ihren bisherigen Erfahrungen mit der queeren Serie. Sie sei Teil von "einer der schönsten Sachen" gewesen, führte die Schauspielerin aus. In den ersten beiden Staffeln der Netflix-Serie, in deren Mittelpunkt zwei ineinander verliebte Jungen stehen, spielte Colman die Mutter des bisexuellen Teenagers Nick Nelson (Kit Connor), der sich in seinen Mitschüler Charlie Spring (Joe Locke) verliebt. Die warmherzige britische Coming-of-Age-Serie um eine queere Teenager-Clique und deren Gefühle und Probleme lief im April 2022 an. Der Streaming-Dienst kündigte kürzlich die Premiere der dritten Staffel für diesen Oktober an. "Heartstopper" basiert auf den gleichnamigen Graphic Novels der 29 Jahre alten Autorin und Illustratorin Alice Oseman. Sie äußerte ihr Bedauern über den Verlust der "wunderbaren Olivia Colman". Sie hätten alles versucht, sie erneut vor die Kamera zu holen, schrieb die Autorin auf Instagram. Statt die Rolle der verständnisvollen Mutter neu zu besetzen, würden sie nun andere Charaktere schaffen, bei denen Teenager Nick Unterstützung findet.