Medienschau

"Ich bin kein Gesinnungsprüfer"

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Unsere Presseschau am Donnerstag: Wolfgang Thierse hat kein Problem mit rechten Spendern beim Stadtschloss, Maxim Biller regt sich über Kritiker Jason Farago auf und die britische "Vogue" besucht das Zuhause der Malerin Sophie von Hellermann

Debatte

In der "Zeit" geht es mittlerweile zu wie einst bei der seligen Rap.de-Postille: Hier können Männer vor einer großen Öffentlichkeit in roher, unredigierter Aggressivität andere Männer dissen. Nachdem in der vergangenen Woche Til Schweiger Jan Böhmermann eine "Schelle" angedroht hat, knöpft sich der Berliner Schriftsteller Maxim Biller in der aktuellen Print-Ausgabe den Kunstkritiker Jason Farago vor, der für die "New York Times" über die aktuellen Konflikte im deutschen Kulturbetrieb berichtete (siehe Medienschau vom 8. April) und dafür auch Biller getroffen hat. Der sieht sich jetzt  missverstanden und versprüht in seiner "Zeit"-Kolumne 100 Zeilen Hass (von dem nebenbei auch Künstlerin Candice Breitz und andere etwas abbekommen). Farago zeichne ein "rät­sel­haft fal­sches Bild" von Deutsch­land, "das ei­ner phi­lo­se­mi­ti­schen Halb­dik­ta­tur, in der al­lein das Flüs­tern des Wor­tes 'BDS' zur völ­li­gen Ent­rech­tung und bald auch De­por­ta­ti­on führ­te, wo an­geb­lich die ehe­ma­li­ge Öko­ti­vis­tin Gre­ta gecan­celt war, was im­mer das hieß. The fai­ling New York Times? Viel­leicht. Na­zi­por­no? Be­stimmt." Das Bild, dass Biller von Farago zeihnet, ist allerdings auch rätselhaft verzerrt: Er porträtiert den New Yorker Journalisten mit seinen verzückten "klei­nen Kunst­kri­ti­ker-Münd­chen" als jemanden, der Cas­par Da­vid Fried­rich liebt, weil dessen Malerei "an Le­ni Rie­fen­stahls mus­ku­lö­se Na­zi-Sport­ler, an das 'Ramm­stein'-Ge­grö­le, an die Hit­ler­grü­ße von Jo­na­than Mee­se und An­selm Kie­fer" erinnere. "Na­zi­por­no, dach­te ich noch, klar, das lie­ben pseu­do­lin­ke Ivy-Le­ague-In­tel­lek­tu­el­le wie er." Dabei ist Farago doch mit seinen Kritiken zumindest nie als Linker aufgefallen, wie auch sein jüngster Verriss der Venedig-Biennale zeigt.

Im "Zeit"-Gespräch mit Paul Middelhoff und Tobias Timm streiten Wolfgang Thierse und Philipp Oswalt über die Frage, ob man auf das Berliner Stadtschloss stolz sein kann, auch wenn rechte Spender zur Rekonstruktion der Fassade beigetragen haben. "Ich bin kein Gesinnungsprüfer", sagt der ehemalige Bundestagspräsdident. "Der beauftragte Rechtsanwalt Professor Raue hat uns mitgeteilt, dass es keinen Grund für Bedenken gibt. Wenn ich mich recht erinnere, überprüft der Staat bei seinen Steuereinnahmen auch nicht die Gesinnung der Steuerzahler. Und diese Steuerzahler haben ebenso wenig Einfluss auf die Verwendung ihrer Steuern, wie die Spender Einfluss auf die innere Gestaltung und das Programm des Humboldt Forums haben." Architekturprofessor Philipp Oswalt sieht das anders: "Zu Recht hat die Politik bei der Documenta aufgeschrien, weil dort unter 1.000 Kunstwerken zwei, drei antisemitische Bilder zu sehen waren. Wenn jetzt bei einem Preußenschloss antisemitische Spender auftauchen, dann sagen Sie, die Menschen sind schon tot?"

Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte, verteidigt in einem Gastbeitrag für den "Spiegel" die geplante Modernisierung der Erinnerungskultur durch Claudia Roth: "Aus Sicht der Kolonialgeschichte ist der Aufschlag aus dem Haus der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sehr deutlich zu begrüßen. Denn Claudia Roth modernisiert mit ihrer Initiative die deutsche Erinnerungskultur und schafft den längst überfälligen Raum für öffentliche Erinnerung an die deutsche Kolonial- und Migrationsgeschichte. Sie will die im derzeit gültigen Gedenkstättenkonzept von 2008 erwähnten zwei Pfeiler, nationalsozialistische Verbrechen und DDR-Diktatur, um diese sowie um die Erinnerung an die deutsche Demokratiegeschichte erweitern. Es ist ein großer Wurf."

Venedig-Biennale

Der Papst war am Wochenende auf der Venedig-Biennale, um den Vatikan-Pavillon einzuweihen. In der Deutschlandfunk-Sendung "Fazit" berichtet Elke Buhr von der Ausstellung des Heiligen Stuhls in einem aktiven Frauengefängnis. Auch auf Detektor FM erzählt die Monopol-Chefredakteurin von ihren Eindrücken:


Für die Biennale-Besucher, die auf der Suche nach einem "Wow-Effekt" sind und keine Angst vor langen Schlangen haben, empfiehlt die finnische Zeitung "Helsingin Sanomat" in diesem Jahr den deutschen Pavillon. Redakteurin Aino Frilander ist der Meinung, dass der Beitrag von Ersan Mondtag die Ausstellung auch allein getragen hätte. "Diese Darstellung der jüngeren Geschichte von Mondtag ist eine emotionale Erfahrung und wäre gut genug, um in einem Pavillon zu genügen. Aber es ist die Zukunft, die in Form von Bartanas Kabbala-Weltraumabenteuer daher kommt, mit der diese Momentaufnahme verbunden werden soll."

Malerei

Jermaine Gallacher preist in der "British Vogue" Wandmalerei als Teil der Inneneinrichtung am Beispiel des Hauses der deutschen Künstlerin Sophie von Hellermann in Margate, das sie gemeinsam mit ihrem Partner Jonathan Viner und ihren beiden Kindern bewohnt. "Beim Betreten des ehemaligen Genesungsheims aus dem frühen 19. Jahrhundert wird man von einer von Hellermanns unverwechselbaren Märchenszenen begrüßt: Zwei tanzende Figuren steigen Hand in Hand die Treppe hinauf. 'Ich mag es, wenn die Architektur des Raumes die Arbeit mitbestimmt', erklärt von Hellermann. Andernorts schweben Engel um Buntglasfenster, sitzen Zauberer mit breitkrempigen Hüten über Türen, schwimmen in Badezimmertüren Meerjungfrauen und sind die Kacheln der Küchenspüle mit weißen Klippenszenen von Möwen und einer Familie bemalt, die dem Meer entgegengeht." Die Bilder auf der Website geben einen guten Eindruck davon.

Mag die Kunstwelt doch ihren Kanon diversifizieren wie sie will, Florian Illies und Giovanni di Lorenzo lassen sich in ihrem "Zeit"-Podcast "Augen zu" nicht durcheinanderbringen vom Zeitgeist und sprechen in der neuen Ausgabe über Wassili Kandinsky als siebtem männlichen Künstler in Folge. Augen zu und durch!

Film

Die Waffengewalt in den USA bereitet Hollywoodstar Kirsten Dunst große Sorgen - vor allem mit Blick auf die Sicherheit ihrer eigenen Kinder. "Ich kann mit meinen Kindern nicht mehr unbefangen in den Park gehen, denn ich muss Angst haben, sie werden erschossen. Mit diesen Befürchtungen lebst du als Mutter oder Vater in Amerika", sagte die 42-jährige Schauspielerin der "Bunten". Dunst hat die Hauptrolle in dem am 18. April im Kino angelaufenen dystopischen Actionthriller "Civil War" über eine gespaltene Nation der Zukunft. Angesprochen auf mögliche Parallelen zur Realität sagte Dunst: "Ich bin schon sehr besorgt. In letzter Zeit sind die Frauenrechte in den Staaten wieder ins Hintertreffen geraten. Und auch die Bedrohung durch Feuerwaffen wird immer schlimmer." Sie sehe wenig Anzeichen, dass die Situation besser werden könnte. "Ich erinnere mich an den Amoklauf an der Grundschule von Sandy Hook im Jahr 2012. Seither hat sich nichts in puncto Waffengesetzgebung geändert. Wenn der Tod von 20 Kindern nichts bewirkt, ist es wirklich hoffnungslos." Ein 20-Jähriger hatte im Dezember 2012 in Newtown im Bundesstaat Connecticut 20 Schulkinder und sechs Lehrer erschossen. In den USA gehören diese Bluttaten auf traurige Weise zum Alltag. Schusswaffen sind dort leicht erhältlich und massenhaft im Umlauf. Das führt immer wieder zu Diskussionen über eine Verschärfung des Waffenrechts, bislang jedoch ohne wirkliches Ergebnis. In der Regel scheitern Vorstöße für strengere Waffengesetze an den Republikanern und der mächtigen Waffenlobby. Auch Präsident Biden fordert immer wieder strengere Regelungen.