Medienschau

"Ich hätte nie anfangen dürfen, hinter Bilder zu schauen"

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Das Künstlerpaar, das die Poster von den Hamas-Geiseln entwarf, Kritik an Auswahl für den polnischen Pavillon und der Prado zeigt Bilder von hinten: Das ist unsere Presseschau am Donnerstag

Debatte

Drei Mitglieder des Auswahlkomitees für den polnischen Vertreter auf der Venedig-Biennale 2024 haben die Entscheidung der anderen Jurymitglieder für den Künstler Ignacy Czwartos kritisiert, berichtet "ArtReview". "In einem offenen Brief erklären die Kuratorinnen Jagna Domżalska, Joanna Warsza und Karolina Ziębińska-Lewandowska, dass die von Czwartos vorgeschlagene Ausstellung Polen darstelle als 'homogenes, unoffenes Land, das nur auf sich selbst konzentriert ist und aus der Position des Opfers spricht', und dass sie 'in keiner Weise die zeitgenössische Kunstszene Polens widerspiegelt'."

Nahostkonflikt

In der "SZ" porträtiert Christian Zaschke das israelische Künstlerpaar Nitzan Mintz und Dede Bandaid, das die jetzt auf der ganzen Welt plakatierten (und oft leider wieder abgerissenen) Poster mit den Gesichtern der Hamas-Geiseln entworfen hat. "'Ich habe keine Ahnung, wie wir weiterleben können, wenn sie nicht nach Hause kommen', sagt Mintz. Dadurch, dass sie mittlerweile die Geschichten von so vielen dieser Menschen kennen, dass sie durch ihr Projekt mit mehr als 200 Familien in Kontakt stehen, haben Mintz und Bandaid eine tiefe Verbundenheit aufgebaut. 'Ich weiß nicht, was mein Leben anderes sein sollte als sinnlos, wenn die Geiseln nicht zurückkommen', sagt Mintz."

Museen

Das Museum Langmatt in der Schweiz will Cézannes aus seiner Sammlung verkaufen, um einer Insolvenz zu entgehen. Catherine Hickley hat für die "New York Times" Stimmen gesammelt. Tobia Bezzola, der Präsident des Schweizer Zweigs des Internationalen Museumsrats (ICOM), nennt etwa den möglichen Verkauf "empörend", "kurzsichtig" und einen Verstoß gegen die Richtlinien seiner Organisation zur Aussaonderung von Museumsobjekten. Eines der Stillleben soll heute bei einer Christie's-Auktion in New York für schätzungsweise 35 bis 55 Millionen Dollar versteigert werden.

Kunstmarkt

Woher nehmen eigentlich Kunstsammler das Geld, um ständig neue Werke zu kaufen? Die neue "Art Basel and UBS Survey of Global Collecting", eine Umfrage, die die Kunstmesse gemeinsam mit der Schweizer Bank erhebt und auswertet, gibt jetzt eine Antwort: Immerhin 43 Prozent gab an, dafür Kredite aufzunehmen – signifikant mehr als im vergangenen Jahr. Kunstmarkt-Expertin Clare McAndrew hat für den Report über 2800 internationale Sammlerinnen und Sammler befragt. Und obwohl zuletzt von vielen Seiten von einer gedämpfteren Nachfrage die Rede war, zeigt die Umfrage optimistische Ergebnisse. Die Sammlerinnen und Sammler schätzten, dass sie 2023 mehr Geld für Kunst ausgeben würden als 2022, und 77 Prozent sahen die mittelfristige Entwicklung des Kunstmarktes positiv.

Kunstgeschichte

Eine Kunstbewegung, die tatsächlich schon wieder historisch ist: Orit Gat blickt in der "Frieze" auf Post-Internet Art zurück. "Das Erkennen der Seltsamkeiten, der hochspezifischen Ästhetik und der Art und Weise, wie sich soziale Szenen um digitale Plattformen versammeln, ist Teil der Geschichtsschreibung der digitalen Kultur. Das ist der Platz, den die Post-Internet Art in der Geschichte der Kunst einnimmt. Sie ist schlüpfrig und sehr spezifisch und war sehr sozial. Es war ein Online-Moment, und die Künstler schufen Werke (und Memes und Witze), die diesen Moment widerspiegelten. Sie schrieben Geschichte."

Ausstellung

Der "Guardian" spricht mit dem Prado-Direktor Miguel Falomir, dessen Museum gerade die Ausstellung "Reversos" zeigt, in der die Rückseite vieler Gemälde zu sehen sind. "Kunstwerke sind dreidimensional. Wenn wir uns nur auf das Bild konzentrieren, das eine Reproduktion eines bestimmten, in der Zeit eingefrorenen Moments ist, erhalten wir einige Informationen, aber wir verpassen viel, wenn es um all das geht, was das Werk als Objekt bedeutet. Ich sage gerne, wenn man ein Werk mit seiner Rückseite und seinem Rahmen sieht, ist es, als stünde man vor einem archäologischen Fund, bei dem jede Schicht ihre eigene Geschichte zu erzählen hat." Spektakulärstes Bild der Schau ist wohl Martin van Meytens' "Kniende Nonne", ein Gemälde, dessen Rückseite die Schwester mit entblößtem Hintern zeigt ("Bild" ist begeistert). Der Kurator der Ausstellung, Miguel Ángel Blanco, gestand dem "Guardian": "Ich hätte nie anfangen dürfen, hinter Bilder zu schauen. Jetzt schleiche ich, wann immer ich in einem Museum oder in einer Ausstellung bin, an den Wänden entlang  an den Wänden entlang und schaue auf die Rahmen und in all die dunklen, schattigen und geheimen Orte."

Listicle

Kirk Douglas als Vincent van Gogh, Anthony Hopkins als Picasso und Ed Harri als Pollock: 22 der besten Filme über Künstler listet Kritiker Howard Halle auf ArtNews auf. 

Das besondere Kunstwerk

Erinnert sich noch jemand an Michael Sailstorfers Arbeit "Pulheim gräbt" (2009/10)? Der Künstler vergrub Goldbarren und ließ Leute danach suchen. Etwas Ähnliches haben jetzt die Entertainer Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf gemacht: Sie haben irgendwo in Deutschland einen Koffer mit einer Million Euro versteckt. Bei ihrer neuen Aktion "Joko & Klaas Live: Die Schatzsuche" verstreuen die beiden Publikumslieblinge erstmals die hart erkämpfte Sendezeit auf mehrere Abende. "Wir werden heute eine Aktion starten, mit der sich ein Leben in Deutschland für immer verändern wird", versprach Klaas am Mittwochabend auf ProSieben. Joko ergänzte: "Wir werden einen Schatz verstecken und jeder von Ihnen hat die Möglichkeit, ihn zu finden." Sie "kuratieren ein Glückversprechen", könnte man mit Chris Dercon sagen, der so in Monopol einmal "Pulheim gräbt"umschrieb. Der Kurator hielt Sailstorfers Gold-Aktion für "eine der treffendsten Aktionen der vergangenen Jahre": "Die Grabenden sind Künstler in spe mit geringer Aussicht auf Erfolg. Ein großer Unterschied zu den Happenings etwa eines Allan Kaprow. Da gibt es noch die Idee es Homo ludens: Wir machen alle etwas zusammen; Partizipation als Selbstermächtigung, Emanzipation. Bei Sailstorfer gibt es nur ein Versprechen, es geht nicht um Emanzipation, sondern um die Frage, wo ist das Ding, das 1000 Euro wert ist. Und was kann man mit 1000 Euro machen? Das ist noch nicht einmal ein BMW-Reifen." Mit einer Million Euro ließe sich allerdings schon einiges mehr anstellen ...