Medienschau

"Die können das Scheißteil gerne raustragen"

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Nan Goldin boykottiert die "New York Times", Bund soll 2,5 Millionen Euro beim Einheitsdenkmal nachschießen und die "FAZ" kritisiert die Alte Nationalgalerie: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Nahostkonflikt

Nele Pollatschek hat sich für die "SZ" mal die Namen der Findungskommission der Documenta 16 genauer angeschaut und ist auf eine Petition des "Indian Cultural Forums" mit dem Betreff "BDS India"gestoßen, die der Autor Ranjit Hoskoté im Jahr 2019 unterschrieben hat. Sie rufe nicht nur zum Israel-Boykott auf, sondern enthalte auch eine indiskutable Aussage, in der Zionismus als "rassistische Ideologie" bezeichnet wird. "Nun darf man gespannt sein, wie die Documenta-Findungskommission, zu deren sechs Köpfen eben auch mindestens ein Kopf gehört, der es für eine gute Idee hielt, diese Petition zu unterschreiben, die antisemitischen Verfehlungen der Vergangenheit aufarbeiten wird. Und wie überzeugend man diesmal eine antisemitismusfreie Documenta garantiert." BDS steht für "Boycott, Divestment and Sanctions" (deutsch etwa "Boykott, Kapitalabzug und Sanktionen"). Die Bewegung fordert einen Total-Boykott gegenüber Israel und auf jeglicher Ebene ein Ende der Zusammenarbeit, etwa auch mit israelischen Wissenschaftlern. Inzwischen hat die Documenta zu dem "SZ"-Artikel Stellung genommen.

Nan Goldin hat ein Projekt für das Magazin der "New York Times" (NYT) abgesagt, weil sie der Zeitung eine israelfreundliche Berichterstattung über Gaza vorwirft. Es habe sich um ein geplantes Cover-Shooting eines Musikers gehandelt, schrieb die Fotografin gestern auf Instagram. Sie finde problematisch, "was sie berichten und nicht berichten, und wie sie den Wahrheitsgehalt von allem, was Palästinenser sagen, in Frage stellen." Und weiter: "Ich respektiere die Journalisten der NYT, die vor Ort sind und über die Realität berichten. Ich trauere um die Dutzenden von palästinensischen Journalisten, die in den letzten Wochen angegriffen und getötet wurden. Solange die Menschen in Gaza schreien, müssen wir noch lauter schreien, damit sie uns hören können, egal wer versucht, uns zum Schweigen zu bringen."

US-Underground-Star Mykki Blanco hat am vergangenen Wochenende das Publikum im Berliner Silent Green Kulturquartier indirekt zum Israel-Hass aufgefordert, schreibt Stephanie Grimm in der "Taz": "Nach dem ersten Song folgt die Tirade: 'Ich will so vieles sagen. Aber ich kann nicht, schließlich trete ich in Deutschland auf. Das Gesetz hier verbietet mir, zu sagen, was ich sagen will.' Pathetisch legt sie eine Schippe drauf. Sie wolle keineswegs in einer deutschen Gefängniszelle schmoren, schließlich studiere sie jetzt. 'Aber, ihr Deutschen müsst bitte endlich aussprechen, was ich nicht sagen darf.' Vermutlich, dass Israel von der Landkarte verschwinden muss."

Kunstmarkt

Barbara Kutscher zieht im "Handelsblatt" eine erste Bilanz der Herbstauktionen in New York. Die Versteigerung des Nachlasses der Sammlerin Emily Fisher Landau bei Sotheby's habe die hohen Erwartungen bestätigt, Christie's hingegen habe bislang enttäuscht. 

Raubkunst

Max Slevogts "Bildnis Bruno Cassirer" aus der Sammlung der Alten Nationalgalerie "muss höchstwahrscheinlich als Raubgut, als NS-verfolgungsbedingter Vermögensentzug, klassifiziert werden. Doch das Museum hat diese Problematik bisher verschwiegen", schreibt Hubertus Butin in der "FAZ". Das Gemälde war gerade noch in dem Berliner Museum in der Ausstellung "Secessionen. Klimt, Stuck, Liebermann" zu sehen, doch im Katalog wurde nicht auf die Herkunft des Ölbildes hingewiesen. "Selbst auf der Homepage des Museums findet sich unter den Provenienzangaben bei dem Werk nicht die kleinste Andeutung zur Raubkunstproblematik."

Gedenkkultur

Die Fertigstellung des Freiheits- und Einheitsdenkmals in Berlin ist aus Sicht des Generalunternehmers ohne zusätzliche Bundesmittel gefährdet. Das Stuttgarter Büro von Milla & Partner hat laut einem "Spiegel-Bericht um eine Anschlussfinanzierung in Höhe von 2,5 Millionen Euro gebeten, das bestätigten am Freitag auch die für Bundesbauten zuständige Bundesanstalt für Bauwesen und Raumordnung sowie das Haus von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Ohne die Mittel, deren Notwendigkeit auch mit "massiver Baukostensteigerung plus Inflation" begründet wird, sei der Bau "grundsätzlich gefährdet". Das seit Jahren umstrittene Denkmal entsteht in unmittelbarer Nachbarschaft von Humboldt Forum und ehemaligem DDR-Staatsratsgebäude auf dem Sockel am Standort des früheren Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm in Berlins Mitte. Das Konzept der 50 mal 18 Meter großen Konstruktion sieht eine riesige begehbare Schale vor. Bewegen sich ausreichend viele Menschen zu einer Seite, neigt sich die Waage entsprechend. Der Bundestag hatte das Denkmal 2007 erstmals beschlossen. Der Bau verzögerte sich durch Wettbewerbe, Meinungsverschiedenheiten im Siegerteam und Bedenken von Denkmal- und Tierschützern. Ursprünglich sollte das Denkmal zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im November 2019 eingeweiht werden. Der Termin scheiterte an Finanzierungsfragen. 2018 genehmigte der Haushaltsausschuss des Bundestages die zunächst notwendigen 17 Millionen Euro für das begehbare Werk, von Kritikern auch als "Einheitswippe" bezeichnet. Wie der "Spiegel" berichtet, gibt es jetzt auch gewisse Spannungen zwischen dem Stahlbau Rohlfing Künstler, zu dessen Kunden auch Ólafur Elíasson und die Hamburger Deichtorhallen zählen, und Milla & Partner: "Die wollen einen anderen Stahlbauer nehmen", sagt Chef Richard Rohlfing. "Gut, habe ich denen geschrieben. Die können das Scheißteil gerne raustragen. Aber nur händisch. Ein Autokran kommt mir nicht aufs Gelände."