Medienschau

"Merkt ihr eigentlich nicht, dass es gegen euch geht?"

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Meron Mendel und Igor Levit über Antisemitismus, Neo Rauch und Rosa Loy im Porträt und Ausstellungen zum Verhältnis von Natur und Kunst: Das ist unsere Presseschau am Mittwoch

Debatte

Wie geht es weiter mit der Weltkunstschau nach erneuten Antisemitismus-Vorwürfen und dem Rücktritt zweier Mitglieder der Findungskommission? Das wollen Swantje Karich und Boris Pofalla in der "Welt" von Documenta-Geschäftsführer Andreas Hoffmann wissen, der allerdings kaum etwas anderes sagt als in seinen Stellungnahmen der vergangenen Tage. "Wir müssen jetzt entscheiden, was die Ereignisse für den Zeitplan und das Prozedere bedeuten: Brauchen wir einen Break für den Besetzungsprozess der Künstlerischen Leitung der kommenden Documenta? Viele Akteure sind eingebunden, sind in intensiver Diskussion miteinander, um die drängenden Fragen zu klären."

In Sachen Documenta wird Meron Mendel deutlicher. Im Gespräch mit der "Frankfurter Rundschau" fragt sich der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main, warum die Verantwortlichen der Documenta nicht einmal zu einfachen Google-Recherchen fähig sind. Die Versäumnisse in Bezug auf die Findungskommission komme ihm "wie in einem schlechten Film vor. Es zeigt, dass immer noch die Sensibilität fehlt. Wohlwollend betrachtend würde ich sagen: Die neuen Strukturen sind noch nicht umgesetzt, die Documenta fährt noch mit den alten Strukturen. Zum Glück sind es noch vier Jahre bis zur nächsten Ausstellung." In dem Gespräch spricht Mendel über moralische Abgründe der Kulturszene und eine mangelnde Empathie für Israelis. "Wenn zum Beispiel Mitglieder von Ruangrupa, der künstlerischen Leitung der documenta fifteen, nach allem, was 2022 passiert ist, nach den ganzen Gesprächen und Konferenzen, kurz nach dem 7. Oktober einen Hamas-Post liken, habe ich keine Lust mehr, mit denen noch einmal an einem Tisch zu sitzen."

Der Pianist Igor Levit (36) fühlt sich angesichts antisemitischer Vorfälle in Deutschland sehr allein. "So allein wie noch nie", sagte er der "Zeit". "Die jetzt fehlende Empathie hat bei mir dazu geführt, dass ich mein Grundvertrauen in das, was Gesellschaft in Deutschland ist, verloren habe", sagte er. "Das ist der eigentliche Bruch, den ich empfinde." Er habe mit dem Gedanken gespielt, Deutschland zu verlassen, sei aber noch nicht so weit. Der Hass auf Juden sei nicht nur eine Bedrohung für ihn selbst, sondern für die "Existenzgrundlage dieser Bundesrepublik", sagte er. "Ich würde am liebsten alle anschreien: Merkt ihr eigentlich nicht, dass es gegen euch geht? 'Tod den Juden!' heißt 'Tod der Demokratie!'. Wenn ihr an Demokratie glaubt, und euer Land ist an einem Punkt, wo jemand wie ich rennen muss: Dann müsst auch ihr rennen", betonte Levit. "Dass sich diese Dringlichkeit nicht auf die Straße übersetzt, finde ich erschütternd." Levit kritisierte den Kulturbetrieb: "Mit einigen habe ich im Hintergrund gesprochen und gefragt: Wo seid ihr? Ihr wart doch bei allen diesen anderen Themen da, beim Ausbruch des Ukraine-Krieges zum Beispiel! Und da bekam ich nur die Antwort: Israel ist halt kompliziert. Ich bin aber nicht Israel!" Auf die Frage, was das mit ihm gemacht habe, sagte er: "Kein Ereignis hat mich so sehr zum Juden gemacht wie dieses." Zu den Aussagen der Klimaaktivistin Greta Thunberg über den Nahostkonflikt sagte Levit: "Ich war fassungslos. Ich war auch ob der Dummheit fassungslos - wie hohl, wie bescheuert." Er hob aber die Klarheit hervor, mit der sich die deutsche Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer von jeder Form des Antisemitismus distanziert habe.

Malerei

Wo seiner Ausstellung bei der Galerie David Zwirner in Hongkong hat Aaina Bhargava für die asiatishe Ausgabe des "Tatler" das Atelier von Neo Rauch in Leipzig besucht. Am Ende ist daraus ein rührendes Doppelportät des Malers und seiner Frau geworden, der Malerin Rosa Loy. Das Paar lernte sich vor 40 Jahren auf einer Faschingsparty im Haus eines gemeinsamen Freundes kennen. "Rauch sagt, dass sich seine Art, Frauen darzustellen, im Laufe der Zeit verändert hat, beeinflusst durch die Arbeit seiner Frau. 'Sie zeichnet nur Frauen, und das tut sie mit viel Liebe', sagt er. 'Und das hilft mir, mehr Liebe in die Darstellung von Frauen in meinen Gemälden zu stecken. Die Leute haben bemerkt, dass die Frauen immer schöner aussehen, verglichen mit denen in meinen frühen Arbeiten.'"

Ausstellungen

Fotografische Sichtweisen auf die Natur und ihre Gefährdung – das ist ein neuer Schwerpunkt in der Arbeit des Fotografiezentrums C/O Berlin. Den Auftakt bildet die Gruppenausstellung "Image Ecology", die die materiellen Bedingungen der Fotografie und damit ihre Verstrickungen in die ökologische Krise in den Blick  nimmt. Ein derart expliziter theoretischer Überbau laufe Gefahr, den gezeigten Arbeiten die Luft zu nehmen, schreibt Petra Ahne in ihrer Besprechung der Schau in der "FAZ". "Sie halten ihm jedoch stand, ebenso wie die zwölf ganz unterschiedlichen Positionen einander."

Um das Zusammenspiel von Natur und Kunst dreht sich auch die Ausstellung mit dem etwas komplizierten Titel "Bending the Curve – Wissen, Handeln, [Für]Sorge für Biodiversität" im Frankfurter Kunstverein, an deren Ogranisation der Frakfurter Zoo ebenso beteiligt war wie das Frankfurter Senckenberg Naturmuseum. Die ungewöhnliche Zusammenarbeit, so Tilman Baumgärtel in der "taz", zeige aber keine – oft effekthascherische – "Bio Art", sondern "bedacht ausgewählte Exponate aus Naturwissenschaft und bildender Kunst unter einer prägnanten These: Um Klimawandel, Verlust von Biodiversität und Umweltverschmutzung zu stoppen und so die Ökosysteme zu schützen, bedürfe es 'positiver Erzählungen'. Die Schau funktioniere aber auch dann wunderbar, wenn man der These nicht zustimme, „weil man die meisten Exponate auch ohne Überbau und Ökobezug einfach als Kunst betrachten kann."