Medienschau

"Es ist tragisch, was im Kulturbetrieb gerade passiert"

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Kritiker Wolfgang Ullrich über die Polarisierung im Kulturbetrieb, Galeristin Gisela Capitain führt durch Köln und die Renovierung des Met Museums: Das ist unsere Presseschau am Freitag

Nahostkonflikt

"Es ist tragisch, was im Kulturbetrieb gerade passiert – und es dürfte noch schlimmer werden", schreibt Kunsttheoretiker Wolfgang Ullrich im "Tagesspiegel" über die Polarisierung im Nahostkonflikt. Die Diskussion um Documenta 15 habe darauf im vergangenen Jahr schon einen Vorgeschmack gegeben: "Zeigte sich da bereits ein durchaus aggressiver Wille zur Verdrängung, so droht nun ein revanchistisches Agitieren gegen das Programm vieler Kulturinstitutionen wie auch gegen Menschen, die als zu fremd und zu anders empfunden werden, um unbehelligt hier leben zu dürfen. Dass nun gerade der Kampf gegen Antisemitismus zu einer rassistischen und minderheitenfeindlichen Agenda genutzt wird, mit der statt des Schutzes der Schwachen das Recht des Stärkeren durchgesetzt werden soll, macht fassungslos. Denn zu diesem Kampf gibt es keine Alternative, zu den humanitären Anliegen, wie sie die Kulturinstitutionen vertreten, aber auch nicht."

Erst vor wenigen Tagen wurde Mohamed Almusibli zum neuen Leiter der Basler Kunsthalle ernannt, da gibt es bereits Kritik an der Personalie. "Almusibli hatte im Internet zwei offene Briefe unterzeichnet, die klar gegen Israel gerichtet waren", schreibt die "Basler Zeitung". "In einem dieser Briefe wird Israel mehrfach Völkermord vorgeworfen, im anderen fehlt jeglicher Hinweis darauf, dass die Hamas auf bestialische Weise Israelis umgebracht hat und damit am Anfang dieser Eskalation stand. Dafür enthält dieser zweite Brief die vage Andeutung, die westlichen Länder würden für die Unterstützung Israels bezahlen müssen. Man kann das durchaus als versteckte Drohung lesen." Jetzt hat sich auch der Basler Regierungspräsident Beat Jans (SP) geäußert: "Es ist ein Fehler gewesen, dass der Kulturverein Basel bei der Ankündigung der Berufung von Mohamed Almusibli nicht geprüft hat, ob und wie er sich politisch geäussert hat." 

Museen

Nach fünf Jahren ist die 150 Millionen Dollar teure Renovierung der 45 Kunstsäle für europäische Kunst im New Yorker Metropolitan Museum of Art abgeschlossen. James Barron kann in der "New York Times" den gewaltigen Aufwand kaum fassen: "Das bedeutete, dass 679 unbezahlbare Gemälde und 112 andere Kunstwerke - Skulpturen, Möbel, Musikinstrumente und sogar ein Schwert - umziehen mussten. Dann wurde ein Flickenteppich aus Abdeckplanen heruntergelassen, und ein Wald von Gerüsten wurde aufgebaut. Die Türen wurden ein paar Meter nach links oder rechts verschoben, um die Sicht auf einige der Galerien zu verbessern. Etwa 1.400 Oberlichter an der Decke wurden ausgetauscht, viele zum ersten Mal seit 84 Jahren. Mehr als 7.000 Glasscheiben in den Decken der 45 Säle wurden ebenfalls ersetzt. Bauunternehmer führten Reparaturen am Mauerwerk und Neuverfugungen an Innen- und Außenwänden durch. Ein neues Heizungs- und Klimatisierungssystem wurde installiert, mit mehr als 5.000 laufenden Metern an Rohrleitungen."

Eike Schmidt erhält die italienische Staatsbürgerschaft. "Ich fühle mich sehr italienisch. Und am 28. November werde ich auch offiziell Italiener sein", sagte der deutsche Direktor der berühmten Uffizien in Florenz der Zeitung "Corriere della Sera". Mehr dazu hier.

Stadtleben

Die Kölner Galeristin Gisela Capitain gibt in "Cultured Magazine" anlässlich der aktuellen Ausgabe der Kunstmesse Art Cologne Tipps, wo man in ihrer Stadt einkaufen, trinken, essen und übernachten kann. Was sie am liebsten an Köln mag? "Wir sind in der Mitte Europas! Zwei Stunden nach Brüssel, dreieinhalb Stunden nach Paris, vier Stunden nach Basel, alles mit dem Zug. Köln ist ein freundlicher, entspannter und lockerer Ort. Künstler lieben die Stadt."

Künstler lieben nicht nur Köln, sondern auch Neukölln. Das Stadtmagazin "Time Out" hat den Berliner Bezirk als eins der weltweit coolsten Viertel gekürt. "Einst ein kleines Dorf am Rande Berlins, ist Neukölln heute der mit Abstand aufregendste Bezirk der Stadt", schrieben die Autoren des in London herausgegebenen Online-Magazins am Freitag. Von Restaurants bis Clubs, Ausstellungen und Spaziermöglichkeiten biete Neukölln alles, hieß es weiter. Zwischen familiengeführten Lebensmittelläden und guten Cafés zeige Neukölln das "Multikulti-Gefühl", das für das Viertel prägend sei. "Neukölln zelebriert diese Unterschiede und kämpft auch für sie: Vor dem Rathaus Neukölln oder auf dem Hermannplatz finden oft Proteste und Demonstrationen statt." Die Liste des Magazins umfasst insgesamt 40 Viertel in verschiedenen Ländern der Welt. Mit dabei sind Viertel in den USA, dem Vereinigten Königreich, Japan, Ghana und vielen mehr. Neukölln ist das einzige erwähnte deutsche Viertel. 

Architektur

Sorge um schiefen Garisenda-Turm in Bologna: Experten sind wegen neuer Risse im Mauerwerk und jüngst festgestellter Schwankungen alarmiert und appellieren in einem wissenschaftlichen Bericht an den Bürgermeister der Stadt, so schnell wie möglich Maßnahmen zur Sicherung zu ergreifen, wie "La Repubblica" und "Corriere della Sera" berichten. Die beiden schiefen Türme Garisenda und Asinelli gehören zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Bologna. Die Geschlechtertürme stehen auf der zentralen Piazza di Porta Ravegnana und bereiten den Behörden bereits seit geraumer Zeit Sorgen. Vor allem der kleinere Garisenda-Turm ist auffällig schief: Er hat eine Höhe von 48 Metern und eine Neigung von 3,20 Metern. Die Experten des eigens für den Garisenda-Turm einberufenen Ausschusses schlagen nun Alarm, in ihrem Bericht schreiben sie von der "höchsten Alarmstufe". Die Gefahrensituation sei stark, aber auch unvorhersehbar, sagte der Architekt Amedeo Bellini. "Wir können nicht sagen, ob dem Turm nichts passieren wird oder ob es einen teilweisen oder plötzlichen Einsturz geben wird." Die Stadt solle so schnell wie möglich Maßnahmen zur Sicherung ergreifen. Wegen der Risse und ungewöhnlicher Schwankungen des Turms hat die Stadtverwaltung den Platz rund um die beiden Türme bereits im Oktober für Besucher gesperrt. Der Platz soll nach Angaben der Stadt einige Jahre gesperrt bleiben.

Künstlerausgabe

Ai Weiwei hat eine Sonderausgabe des Magazins der "Süddeutschen Zeitung" ("Edition 46") gestaltet. Das "SZ"-Magazin führte auch ein Interview mit dem Chinesen unter anderem zu seiner eigenen Verfolgungsgeschichte. Das Gespräch fand zwar schon im August statt, doch bei der Präsentation des Heftes im Münchner Lenbachhaus am Donnerstagabend hat Ai auch über seinem umstrittenen Social-Media-Post zum Gaza-Krieg gesprochen und die seiner Ansicht nach uneingeschränkte Redefreiheit für Künstler verteidigt. "Ich ziehe keine Grenze. Ich will kritisiert werden." Mehr dazu hier.