Medienschau

"Die Berlinale als Ort des Dialogs? Wohl eher nicht"

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Kritik an Berlinale-Gala, "Barbie"-Star America Ferrera spielt Ana Mendieta in Biopic und Geschoss aus Waffe von Lennon-Attentäter wird versteigert: Das ist unsere Presseschau am Montag

Debatte

Nach den Äußerungen mehrerer Filmschaffender zum Nahost-Krieg auf der Berlinale-Gala, sind die Zeitungen an diesem Montag voll von Reaktionen. Während der Preisverleihung am Samstagabend hatten mehrere Preisträger sich in einer Weise zum Gaza-Krieg geäußert, die bei Politikern für Kritik sorgte. Auffällig war nach Ansicht von Kritikern vor allem, dass die Beteiligten auf der Bühne einseitig Vorwürfe gegen Israel äußerten, ohne den Terrorangriff der islamistischen Hamas vom 7. Oktober 2023 zu erwähnen. "Die Abschluss-Gala hat einmal mehr verdeutlicht, dass der Kulturbetrieb nicht in der Lage ist, auch die Sichtweise Israels einzunehmen und vielleicht sogar etwas Empathie für das Leid der Israelis aufzubringen", kommentiert Christian Tretbar im "Tagesspiegel". "Im Gegenteil, nach der völlig vermurksten Documenta und der ausgebliebenen Solidarität mit Israel aus dem Kulturbetrieb kurz nach dem brutalen Überfall der Hamas zeigt nun auch die einseitige Berlinale, dass die Kultur ein massives Israel-Problem hat. Sie ist unfähig, zu differenzieren." Susan Vahabzadeh kritisiert in der "SZ" auch die Gewinnerin des Goldenen Bären: "Wünschenswert wäre es gewesen, wäre Mati Diop bei ihrem Thema geblieben und hätte nicht, als Abschluss des Abends, auch noch ein mit ihrer Dankesrede in keinerlei Zusammenhang stehendes 'I stand with Palestine!' in den Saal gebrüllt. Der einzige Kontext, in dem das stand, war das wirklich erschreckend undifferenzierte Israel-Bashing, das sich durch die Abschlussveranstaltung zog. Nur die Berlinale-Leiterin Mariette Rissenbeek hat am Anfang Empathie ausgedrückt mit den Menschen in Israel. Von da an gab es in den Reden nur noch das Leid in Gaza und Kritik an Israel, als habe es einen 7. Oktober nie gegeben. Die Berlinale als Ort des Dialogs? Wohl eher nicht."

Claudius Seidl bilanziert in der "FAZ", welchen geringen Einfluss die Boykottbewegung "Strike Germany" auf die Berlinale hatte: "Es waren nur drei Filmemacher, die abgesagt haben, alle drei waren eingeladen von der Nebenreihe 'Forum expanded', und die Gründe für die Absage hat besonders deutlich Ayo Tsalithaba formuliert, die Künstlerin mit Wurzeln in Ghana und Lesotho und Wohnsitz in Kanada, der irgendwer erzählt haben muss, dass in Deutschland eine rassistische und faschistische Zensur herrsche, was sie dann genau so bei Instagram gepostet hat."

Hanns-Georg Rodek berichtet in der "Welt" von einer Berlinale-Diskussionsveranstaltung in der Akademie der Künste, die durch Protest gestört wurde: "Zunächst kam der Regisseur Travis Wilkerson auf die Bühne, dann erteilte er einer Frau das Wort, die erklärte, aus Gaza zu stammen, und die Opfer im Gazastreifen beklagte. Vom Auslöser des Militäreinsatzes war – wie üblich in Reden palästinensischer Aktivisten – nicht die Rede, wohl aber von einem 'israelischen Völkermord'; der berüchtigte Satz, man müsse Palästina 'from the river to the sea' befreien, fiel nicht. Ein Zuschauer, der per Saalmikrofon auf den Hamas-Überfall hinwies, wurde von einem Dutzend Aktivisten niedergeschrien; einer von ihnen setzte sich währenddessen ostentativ auf den leeren Sessel direkt neben diesen Besucher. Die Moderatorin des Festivals griff nicht ein."

Sonja Zekri besucht für die "SZ" den Herausgeber des Blogs "Ruhrbarone": "ein furchteinflößendes Organ, das Künstlerinnen canceln und Karrieren beenden kann. Vielleicht das mächtigste Blog der Republik." 

Den Schweizer Bestseller-Autor Martin Suter beunruhigt das immer schwieriger werdende Verhältnis zwischen Wahrheit und Fiktion in der Politik. "Die Möglichkeiten, Unwahrheiten zu verbreiten, sind ins Unermessliche gewachsen", sagte Suter in einem Interview mit der "Stuttgarter Zeitung". "Was die Populisten – und Prediger sind das auch – von Romanautoren unterscheidet, ist, dass beim Roman jeder weiß, dass er erfunden ist. Die Populisten verkaufen ihre Lügen als Wahrheit. Und das ist das Gefährliche", sagte er weiter. "Die Literatur hat nur eine Macht über den Geist, die Vorstellungskraft. Fake News reißen sich die Macht über die Wirklichkeit unter den Nagel." Dass man mit dem Schreiben in diesen Zeiten die Wirklichkeit verändern könnte, glaube er nicht. Aber: "Die Macht der Fiktion gewährt uns die Möglichkeit, aus der Realität auszubrechen und für eine Weile kein tauglicher Bürger sein zu müssen." 

Auktionsmarkt

Ein makabres Souvenir soll in der kommenden Woche im Norden Englands versteigert werden. Wie die BBC berichtet, kommt bei einer Auktion am Donnerstag bei Anderson and Garland in Newcastle upon Tyne ein Geschoss unter den Hammer, das mit der Tatwaffe des Mordes des Ex-Beatle John Lennon abgefeuert wurde. Geschätzt wird, dass das Sammlerobjekt 1500 bis 2000 Pfund (ungefähr 1750 bis 2300 Euro) einbringen wird. Das samt Patronenhülse und Erinnerungsfoto gerahmte und auf 1984 datierte Stück gehörte einem britischen Polizisten. Der hatte den Angaben zufolge bei einem dienstlichen Besuch in New York die Erlaubnis erhalten, die Waffe abzufeuern. Das soll eine Art Wiedergutmachung gewesen sein, weil er während des Besuchs mit Kollegen vom NYPD (New York Police Department) unter Beschuss geraten sein soll. "Als Entschuldigung und weil man wusste, dass er Brite und Beatles-Fan war, wurde er in ein kleines Museum der forensischen Abteilung mitgenommen (...)", heißt es auf der Website des Auktionshauses. Dort sei ihm erlaubt worden, die Waffe abzufeuern. Geschoss und Hülse seien eingesammelt und ihm als Geschenk mitgegeben worden. Er habe sie eingerahmt und an die Wand seines Büros gehängt, wo sie bis zum Ende seiner Karriere geblieben seien. "Seine Familie hat nun entschieden, dass es Zeit ist für einen weiteren echten Fan John Lennons, diesen historischen Gegenstand zu besitzen", heißt es auf der Website weiter. John Lennon war im Dezember 1980 vor einem Apartmenthaus am New Yorker Central Park von Mark David Chapman erschossen worden. Der inzwischen 68 Jahre alte Attentäter verbüßt eine lebenslange Haftstrafe.

Ein Exemplar einer Erstausgabe des Fantasyromans "Harry Potter und der Stein der Weisen" ist in England für Tausende Pfund versteigert worden. Der Hammer fiel am Montag nach wenigen Minuten bei einer Summe von 7500 Pfund (8770 Euro), wie die Zeitung "Isle of Wight County Press" berichtete. Inklusive Gebühren beträgt der Preis 9840 Pfund, wie das Auktionshaus Hansons Auctioneers auf Anfrage mitteilte. Weil es sich beim Anbieter um eine Wohltätigkeitsorganisation handelt, habe das Unternehmen aber auf seinen Anteil verzichtet. Das gut erhaltene Buch von 1997 war anonym einer Tierschutzorganisation auf der südenglischen Insel Isle of Wight gespendet worden. Erstausgaben von Potter-Büchern hatten bereits früher bei Versteigerungen hohe Summen eingebracht. Das Geld soll auch einem Namensvetter des Zauberers zugutekommen: Hund Harry ist eines von vielen Tieren, die die Stiftung betreut. "Dieses Buch stellt den Beginn des Harry-Potter-Phänomens dar", sagte Hansons-Experte Jim Spencer einer Mitteilung des Auktionshauses zufolge. "Niemand hatte die große Popularität von Harry Potter vorhergesehen, daher wurden diese Bücher auf billigem Papier gedruckt." Da es sich zudem um ein Kinderbuch handelt, seien viele Exemplare oft gelesen, bemalt und in volle Schultaschen gestopft worden. Es sei daher äußerst selten, eine solch gut erhaltene Ausgabe zu finden, sagte Spencer.

Film

Das Leben der verstorbenen kubanisch-US-amerikanischen Künstlerin Ana Mendieta wird verfilmt. Wie "Deadline" berichtet, soll Mendieta von dem Oscar-nominierten "Barbie"-Star America Ferrera in einer neuen Fernsehserie namens "Naked by the Window" gespielt werden, einer Adaption des gleichnamigen Buches von Robert Katz aus dem Jahr 1990. Die Künstlerin, 1948 auf Kuba geboren und 1985 unter ungeklärten Umständen in New York umgekommen, zeichnete, fotografierte, schuf Skulpturen und Installationen. Vor allem aber fusionierte sie Land-Art und Performance. Ihr Fall wirkte wie ein Katalysator, der die Konfliktlinien deutlich machte, die erst in der Kunstwelt der 90er-Jahre offen ausbrechen würden: Feministinnen gegen das Männerkartell, Weiße gegen Immigranten. Zum ersten Mal ging es um race, class, gender, verhandelt anhand des vergossenen Bluts einer Künstlerin, die den Kreislauf von Leben und Sterben zu einem zentralen Thema ihrer Arbeit gemacht hatte. Mit ihrem Tod polarisierte sie genauso wie vorher mit ihren Werken.