Medienschau

"Im Hier und Jetzt mit den Flügeln schlagen"

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Deutschlands schlechte Katastrophenvorsorge in Sachen Kulturgut, weiter Diskussion um die Inschrift in der Humboldt-Forum-Kuppel und der Papst auf der Venedig-Biennale: Dies ist unsere Presseschau am Montag

Debatte

Nikolaus Bernau setzt sich im "Tagesspiegel" mit "FAZ"-Leserbriefschreiber auseinander, die die Inschrift rund um die nachgebaute Kuppel des Humboldt Forums verteidigen. Zur Erinnerung: Es steht dort unter anderem, "dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind." Dieser Spruch war auch um 1850 schon ein "reaktionäres religions- und gesellschaftspolitisches Statement", findet Bernau. "Wenn es den Krieg überlebt hätte, hätten wir damit leben müssen. Doch es war zerstört und wurde nun im Staatsauftrag wieder geschaffen. Damit ergibt sich eine neue Lesung."

Venedig-Biennale

Auf der Insel La Certosa präsentieren vier Klangkünstler als Teil des deutschen Pavillons der Venedig-Biennale ihre Arbeit. Der Musiker Jan St. Werner hat ein Lautsprecherinstrument für die Klosterruine auf der Insel entwickelt, das in den Dialog mit einem weiteren Lautsprecher tritt. Im Deutschlandfunk Kultur erklärt er seine Arbeit.

Der Papst hat gestern die Biennale besucht. Associated Press hat Franziskus im Vatikan-Pavillon im Frauengefängnis auf der venezianischen Insel Giudecca und bei der Messe auf dem Markusplatz mit einem Livestream begleitet:


Kulturerbe

Deutschland ist im Vergleich zu anderen Ländern schlecht vorbereitet, wenn es um den Schutz von Kulturgut im Katastrophenfall geht. Das meinen zumindest ein Truppen- und zwei Reserveoffiziere der Bundeswehr und haben einen Vorschlag für militärischen Kunstschutz erarbeitet und eingereicht, den Rolf Brockschmidt im "Tagesspiegel" vorstellt. "Es gebe 'keine ausreichenden Strukturen in der Armee, die tatsächlich den Umgang mit Kulturgut beherrschen und ihre unterschiedlichen konservatorischen Anforderungen einzuschätzen vermögen', schreiben die Offiziere in ihrem Papier. Sie fordern eine Integration des Themas in die Aus- und Weiterbildung, die Aufnahme von zivilem Fachpersonal in die Armee und die Schaffung einer eigenen Kulturgutschutzeinheit, wie andere Nationen sie bereits haben. Darüber hinaus mahnen sie die auch von der Nato gewünschte Markierung von schützenswertem Kulturgut im Kartenmaterial und eine stärkere Zusammenarbeit mit zivilen Kulturgutschutz-Organisationen an."

Ausstellung

Niklas Maak ist in der "FAZ" begeistert, wie die Freilichtausstellung "Radical Playground" in Berlin städtischen Raum nutzt: "Was jetzt neben dem Gropius-Bau, den die neue Kuratorin Jenny Schlenzka gerade in einen der interessantesten Orte für Gegenwartskunst in Berlin verwandelt, mit Mitteln der Stiftung Fußball und Kultur von den Berliner Festspielen aufgebaut wurde, ist eine Mischung aus Kunstausstellung und Abenteuerspielplatz – und eine Anleitung dazu, wie man aus einem Parkplatz die beiden urbanen Bestandteile macht, aus denen der Begriff 'Parkplatz' besteht, nämlich einen Park und einen städtischen Platz. Es ist aber auch eine Ausstellung, in der zumindest einige Antworten gefunden werden sollen auf die drängende Frage, was man in Zukunft in einer Stadt tun will, wenn dort wegen des Siegeszugs des ­Homeoffice nicht mehr in Bürotürmen gearbeitet und wegen des Siegeszugs des Onlinehandels auch kaum noch eingekauft wird, wenn also zwei wesentliche, seit Jahrtausenden unveränderte Gründe, eine Stadt aufzusuchen, infolge der digitalen Revolution wegfallen."

Kia Vahland bespricht in der "SZ" die Rebecca-Horn-Schau im Haus der Kunst in München. "Ihr Ansatz ist auf poetische Art politisch, eine fluide Kunst der Selbstbestimmung und -erweiterung. Das wirkt geradezu utopisch in einer Zeit, in der viele sich von äußeren Ereignissen und Entwicklungen überwältigt fühlen, gehetzt von digitalen Apparaturen. Also: Abschalten und im Hier und Jetzt mit den Flügeln schlagen."

Während in Petrit Halilajs Heimat 1999 der Kosovo-Krieg wütet, findet der damals 13-Jährige in dem albanischen Flüchtlingslager "Kukës II" durch den Psychologen Giacomo "Angelo" Poli zum Zeichnen. Es ist Petrit, der kurz nach der Begegnung mit Angelo eingeladen wird, dem damaligen UN-Sekretär Kofi Annan bei seinem Besuch im Krisengebiet eine Filzstift-Zeichnung zu überreichen. Darauf abgebildet sind kriegerische Gräueltaten, verübt durch die jugoslawische Armee Slobodan Miloševićs neben traumhaft-bunten Landschaften. Petrit Halilajs Biografie, verwoben in die große Erzählung des Kosovo-Krieges, ist auch Ausgangspunkt einer Ausstellung des in Berlin lebenden Künstlers auf dem Dach des Metropolitan Museum in New York. "Die Jugoslawienkriege der 1990er-Jahre werden oft als der tödlichste Konflikt in Europa zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem derzeitigen russischen Krieg gegen die Ukraine angesehen", schreibt Holland Cotter in einem langen "New York Times"-Artikel zur Schau. "Für ein Flüchtlingskind auf dem Balkan während dieses gewalttätigen Jahrzehnts bedeutete die Möglichkeit, eine alternative Welt zu erfinden, alles. Und das ist es, was die Kunst für Halilaj getan zu haben scheint. Sie gab ihm einen kontrollierbaren Rahmen, durch den er die weite Welt mit ihren verwirrenden Schrecken und Schönheiten betrachten konnte, und einen hochgelegenen, offenen Phantasieraum, der alles andere als störungsfrei war, in dem es aber sicher war, zu träumen und zu spielen."

Film

Wegen erneuter Vorwürfe sexueller Übergriffe ist der französische Schauspieler Gérard Depardieu zum Verhör geladen worden. Medienberichten zufolge geht es dabei um zwei Klagen, die Frauen kürzlich gegen den 75-Jährigen eingereicht hatten. Eine Dekorateurin hatte angegeben, Depardieu habe sie bei den Dreharbeiten zum Film "Les Volets verts" sexuell belästigt. Eine weitere Frau hatte dem Darsteller Berührungen im Intimbereich und obszöne Äußerungen bei den Dreharbeiten zum Kurzfilm "Le Magicien et les Siamois" vorgeworfen. Seit Jahren schon melden sich immer wieder Frauen zu Wort, die Depardieu der sexuellen Gewalt beschuldigen. 2018 hatte ihn die Schauspielerin Charlotte Arnould verklagt. Seit 2020 wird in diesem Fall wegen Vergewaltigung ermittelt. Depardieu bestreitet die Vorwürfe vollständig. In einem in der Zeitung "Le Figaro" im Herbst veröffentlichten Brief bezeichnet er sich als Opfer einer "medialen Lynchjustiz". Für Entsetzen hatte der preisgekrönte Darsteller, der in mehr als 200 Filmen mitspielte, auch mit Äußerungen in einer im Dezember ausgestrahlten Fernsehreportage über seine Reise nach Nordkorea im Jahr 2018 gesorgt. Darin gibt er immer wieder frauenfeindliche und fragwürdige Kommentare von sich, bezeichnet Frauen etwa als "große Schlampen". Die damalige Kulturministerin Rima Abdul-Malak veranlasste zu prüfen, ob Depardieu ein Verdienstorden der Ehrenlegion entzogen werden solle. Das geschah letztlich nicht. Der Schauspieler hatte die höchste französische Auszeichnung 1996 erhalten. Den Nationalorden von Quebec und seinen Titel als Ehrenbürger der belgischen Gemeinde Estaimpuis verlor Depardieu. Das Pariser Wachsfigurenkabinett ließ seine Figur entfernen.