Medienschau

"Wohin man auch hört, sprechen die Menschen über diesen harten Schlag"

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Ungewisse Theaterzukunft nach dem Tod von René Pollesch, Vorwürfe gegen den Berlinale-Siegerfilm und immer noch Aufregung über den Boykott-Aufruf gegen den israelischen Pavillon in Venedig: Dies ist unsere Presseschau am Freitag


Debatte

Es sind politisch verwirrende Zeiten: Kulturschaffende, die sonst gern "Cancel Culture" beklagen, fordern den Ausschluss des israelischen Beitrags von der Venedig-Biennale, während der italienische Kulturminister, ein Politiker mit neofaschistischer Vergangenheit, die Forderung zurückgewiesen hat. "Nun hat sich, für viele wahr­schein­lich kontraintuitiv, der Kulturminister der rechten italienischen Regierung und damit oberste Verantwortliche der Biennale, Gennaro Sangiuliano, in seltener Eindeutigkeit geäußert und den Aufruf scharf verurteilt: Er sei 'inakzeptabel' und 'schändlich'", schreibt Stefan Trinks in der "FAZ". Und kann es sich offenbar nicht verkneifen, den rechten Politiker als Vorbild für die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen zu beschreiben. "Solche ohne Zögern und ohne Zweideutigkeiten formulierten Worte hätte man sich von Sangiulianos deutschem Pendant Claudia Roth zur Documenta oder Berlinale gewünscht. Noch nach Bekanntwerden des ersten Antisemitismusskandals auf der Kasseler Weltkunstschau war da die Rede von 'spezifisch deutschen Fragen', gemeint waren wohl Befindlichkeiten; es gelte, auch 'entlegene Sichtweisen des globalen Südens' nachzuvollziehen. Nein, das muss man nicht – Antisemitismus ist, siehe den von Amerikanern wie Zyprioten unterzeichneten Aufruf der Anti-Israel-Allianz, ein internationales Problem. Gerade weil Roth nicht voll verantwortlich für die Documenta ist wie ihr italienischer Amtskollege für die Biennale, hätte sie umso freier und breiter den 2022 sich formierenden Anfängen eines neuen Antisemitismus wehren können."


Film 

Eine Verzerrung von historischen Fakten sieht Simon Akstinat in der "Welt" beim diesjährigen Gewinnerfilm der Berlinale, der Restitutions-Dokumentation "Dahomey" (lesen Sie unsere Rezension des Films hier). Darin geht es um die Rückgabe von 26 Raubkunst-Objekten aus der Kolonialzeit von Frankreich an das heutige Benin in Westafrika. Im Mittelpunkt steht der König Ghezo, der über das damalige Reich Dahomey herrschte und als Geisterstimme durch den Film führt. Akstinat wirft der Regisseurin Mati Diop vor, ihr Publikum im Unklaren darüber zu lassen "was das Königreich Dahomey, das dem preisgekrönten Film seinen Namen gab, überhaupt ist". "Das aber ist das mit Abstand Interessanteste an dem diesjährigen Wettbewerbsgewinner, der die Rückgabe afrikanischer Kunst thematisiert. Das westafrikanische Königreich Dahomey und sein König Ghezo waren die vielleicht größten und brutalsten afrikanischen Sklavenfänger überhaupt. Der Despot Ghezo herrschte nicht nur über mehr Sklaven als über freie Bürger, und zwang die Ware Mensch auf den leidvollen Marsch zur Küste, sondern ließ auch Gefangene, darunter Kinder, als Menschenopfer für seine Voodoo-Götter oder einfach zu seiner Belustigung ermorden." 



"Star Wars"-Schauspieler Hayden Christensen hatte sich eigenen Angaben zufolge während des Castings keinerlei Chancen auf die Rolle als Anakin Skywalker ausgerechnet. Sie erschien ihm "einfach zu groß", sagte der 42-Jährige dem Branchenmagazin "Empire". "Ich erinnere mich, dass ich meinen Agenten fragte: 'Gibt es vielleicht eine andere Rolle, die gerade gecastet wird, für die Sie mich vorschlagen können? Denn Anakin scheint irgendwie unerreichbar zu sein'", erzählte Christensen. Aber es habe keine Alternative gegeben. "Also habe ich meinen Namen in den Hut geworfen, wie jeder andere auch." Dass auch Leonardo DiCaprio für die Rolle im Gespräch war, bestätigte den damals 18-jährigen Christensen in seiner pessimistischen Haltung, wie er heute sagt. "Während des gesamten Casting-Prozesses hatte ich mir vom ersten Tag an gesagt, dass ich die Rolle nicht bekommen würde." Der gebürtige Kanadier glaubt, dass ihm diese Einstellung "wahrscheinlich sehr geholfen" habe - "denn sie hat mich in vielerlei Hinsicht befreit", sagt er. "Und so war es für mich wirklich eine Überraschung, als ich die Rolle bekam." Christensen verkörperte in "Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger" (2002) und in "Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith" (2005) den Jedi Anakin Skywalker, der sich nach einer Verkettung von Ereignissen der dunklen Seite zuwendet und zu Darth Vader wird. Fast 20 Jahre später kehrte er für die Miniserie "Obi-Wan Kenobi" in die "Star Wars"-Welt zurück.


Theater

Rüdiger Schaper fragt sich im "Tagesspiegel", wie es nach dem plötzlichen Tod von Intendant René Pollesch an der Volksbühne weitergehen soll. Dabei ist er sich bewusst, dass die Spekulation vielleicht noch zu früh kommt: "Die Pietät gebietet Rücksicht, Ruhe. Doch wohin man auch hört, sprechen die Menschen über diesen harten Schlag. Was wird aus der Volksbühne? Die Volksbühne ist kein Theater wie andere. Sie wird als Spielort des Besonderen gesehen. Was am Rosa-Luxemburg-Platz passiert, gibt die Richtung vor. So war es lange Zeit gewesen. So wird es vielleicht nie wieder werden." Schaper spekuliert, dass Schauspieler Martin Wuttke eine Option für die Interimsleitung sein könnte, schließlich habe er diese Aufgabe schon 1995 einmal übernommen. Eine langfristige Lösung dürfte sich laut des Artikels jedoch schwierig gestalten: "Es stand nun ohnehin die Frage im sehr leeren Raum, wie sich die Intendanz der Volksbühne ab 2026 darstellt. So lange war die Laufzeit von René Polleschs Vertrag. Unter diesen tragischen Umständen ist es jetzt doch wieder so, wie es an der Volksbühne fast immer war - extrem schwierig." 


Museen

Rund 19.000 Objekte aus Namibia befinden sich laut einer neuen Studie des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in den Museen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die allermeisten davon stammten aus kolonialem Zusammenhang. Mit dieser Erkenntnis beschäftigt sich Jörg Häntzschel in der "Süddeutschen Zeitung". "Jahrzehntelang waren die ethnologischen Museen schwarze Löcher. Zehntausende Objekte - von bedeutenden Kultgegenständen bis hin zu Löffeln, Speeren und anderen unspektakulären Alltagssachen - waren seit der Kolonialzeit darin verschwunden, die meisten auf Nimmerwiedersehen, meist nie ausgestellt, vergraben in den Depots und oft nicht einmal inventarisiert. Doch das hat sich im Zuge der Restitutionsdebatte und der Auseinandersetzung Deutschlands mit seiner kolonialen Vergangenheit geändert. Nach und nach werden die Sammlungen systematisch in Datenbanken erfasst und die Umstände, unter denen die Gegenstände in die Museen kamen, erforscht. Erst damit bekommen die Forscher an den Museen in den Herkunftsländern die Möglichkeit, sich einen Überblick über die Bestände zu verschaffen und Restitutionsforderungen zu stellen."


Kunst und Bahn 

In Deutschland wurde diese Woche im öffentlichen Nahverkehr gestreikt. Passend dazu interviewt die "Weltkunst" den Künstler Benjamin Kunath, der auch Zugführer ist. Im Gespräch mit Catherine Peter erzählt dieser, wie sich sein Bild der Stadt durch den Job geändert hat. "Was ich immer besonders schön fand, ist, dass es eine versteckte und beobachtende Rolle ist. Man wird nicht so rechtwahrgenommen, aber man ist Teil vom Stadtleben und fließt mit. Dabei kann man sich in Ruhe Gedanken machen, ohne weiter aufzufallen. Was besonders super mit der Straßenbahn war, ist, dass man in der ganzen Stadt zu verschiedenen Zeiten unterwegs war. Ich bin auch oft spät gefahren oder nachts. Irgendwann kennt man die Strecken in und auswendig und fängt an, ins Detail zu gehen. Da fallen einem im Laufe der Jahre Kleinigkeiten immer mehr auf. Es hat meinen Blick auf die Stadt auf jeden Fall geschärft."