Medienschau

"Man muss zu Formfragen zurückfinden"

artikelbild_monopol-medienschau

Ex-Documenta-Kurator Roger M. Buergel über die Misere der Weltkunstschau, Sänger Michael Stipe bekommt eine Ausstellung und Pope L. fehlt in London: Das ist unsere Medienschau am Freitag

Debatte

Als eine Lebenserfahrung, "schmerzvoll, aber auch schön", bezeichnet Ex-Documenta-Kurator Roger M. Buergel die Weltkunstschau in Kassel. In der "Welt" spricht er mit Marcus Woeller über die erneute Krise der Ausstellung. Buergel war Teil des Gremiums, das die Findungskommission ernannte, die inzwischen unter anderem nach Antisemitismus-Vorwürfen gegen eins der Mitglieder geschlossen zurückgetreten ist. In dem Interview verteidigt er den indischen Philosophen Ranjit Hoskoté, verurteilt aber dessen Namen unter einer Petition der BDS-Kampagne ("Hätte er niemals unterschreiben dürfen!"). Für die Zukunft der Documenta wünscht sich der Kurator weniger politischen Aktionismus: "Ich glaube, dass man zu Formfragen zurückfinden muss. Das betrifft sowohl das Institutionelle, als auch das Ästhetische. Wenn es keine Ambivalenz in der ästhetischen Erfahrung gibt, kann man auch nicht mehr diskutieren, dann gibt es nur noch dafür oder dagegen. Dieser Raum, den es braucht, um sich Kunst auf unterschiedliche Weise anzuschauen, der ist abhandengekommen." Auch der aktuelle Geschäftsführer der Documenta hat sich zur Zukunft der Weltkunstschau geäußert. Auf der einen Seite müsse es gelingen, Instrumente für einen klaren Umgang mit Antisemitismus, Rassismus und jeder Form von gruppenspezifischer Menschenfeindlichkeit zu finden, sagte Andreas Hoffmann, in einem vorab online veröffentlichtem Interview mit Niklas Maak für der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Auf der anderen Seite müsse auch deutlich sein, dass die Kunstfreiheit weiterhin gelte. "Es muss ganz klar sein, dass die Auswahl der Künstlerinnen und Künstler der Documenta in der alleinigen Verantwortung der künstlerischen Leitung liegt", erklärte Hoffmann. Dabei sei das Gutachten des Berliner Rechtswissenschaftlers Christoph Möllers von zentraler Bedeutung, "das kategorisch ausschließt, dass künstlerische Programme einer vorherigen staatlichen Kontrolle unterworfen werden." Möllers hatte in einem von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) in Auftrag gegebenen Gutachten herausgearbeitet, welche Möglichkeiten und Grenzen der Staat hat, inhaltlich in Kunst einzugreifen.

Nachruf

Den mit 85 Jahren verstorbenen Architekten und Bildhauer Rob Krier würdigt Falk Jaeger in der "FAZ". Er bezeichnet ihn etwas unwissenschaftlich als einen "sympathischen Feuerkopf mit blitzenden Augen", der mit seinen radikalen Vorschlägen zur Umgestaltung von Städten faszinierte. "Die zuweilen recht pittoresk oder kulissenhaft wirkende Architektur machte ihn in den Neunzigerjahren und später ein wenig zum Außenseiter, zumindest in Architektenkreisen. Zuletzt, mit dem neuerlichen Aufblühen einer traditionalistischen Architektur, erfreute er sich wieder größerer Wertschätzung."

Kunstmarkt

Wie am Mittwoch in der Medienschau berichtet, ist der Streit nach Verkauf eines "Weltempfängers" der Künstlerin Isa Genzken bei "Bares für Rares" vor Gericht gelandet. Die Künstlerin hatte ihr Werk vor zurückgefordert, allerdings ohne Erfolg. Nach der Niederlage hat Genzkens rechtlicher Betreuer jetzt dem "Spiegel" mitgeteilt, dass er kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts Bonn einlegen wird.

Ausstellung

Dass sich REM-Sänger Michael Stipe sehr für Kunst interessiert ist bekannt, auch in Berlin trifft man ihn öfter auf Ausstellungseröffnungen. Nun bekommt er seine erste eigene Schau in Italien, wie unter anderem "Artnet" berichtet. Zu sehen ist sie ab März in der Fondazione ICA in Mailand. "Die Werke reichen von einer Reihe minimalistischer Gipsbüsten und abgerundeter, abstrakter Formen, die mit pigmentgefüllten Sprühflaschen bemalt wurden, über Fotografien mit Silbergelatine auf Stoff bis hin zu Keramik, Büchern und einer Videoinstallation."

Die physische Präsenz des Künstlers Pope L. vermisst Adrian Searle im "Guardian" in dessen Ausstellung in der South London Gallery. Der afroamerikanische Performer wurde einst dafür bekannt, dass er kilometerweit durch New York kroch und damit auf die unterschiedliche Bewertung von Kunst und dem tatsächlichen Elend von Menschen hinwies. Die aktuelle Schau kann für Searle nicht an die Wucht dieser Aktion anknüpfen. "Manchmal schafft ein Künstler schon früh in seiner Karriere ein Werk, das so kraftvoll, einzigartig und notwendig ist, dass es ihn definiert und die Kritiker den Rest seines Werks daran messen. So ist es auch bei dem 68-jährigen amerikanischen Künstler Pope.L."

Das Hamburger Straßenmagazin "Hinz&Kunzt" hat bei einer Auktion mit zum Teil KI-generierten Bildern 40 450 Euro für ein geplantes Wohnprojekt eingenommen. Das Auktionshaus Christie's versteigerte am Mittwochabend in der Kunsthalle zehn Bilder aus dem Projekt "The Homeless Gallery", wie das Magazin mitteilte. Für die Auktion hatten außerdem mehrere Künstler eigene Werke gespendet, die den größten Teil des Erlöses ausmachten. Das Geld kommt Sprecherin Gabriele Koch zufolge einem Wohnprojekt mit 80 neue Wohneinheiten zugute. "Wir wollen ein Angebot für Menschen machen, die einen besonders schweren Zugang zum Hamburger Wohnungsmarkt haben", so Koch. Für die "Homeless Gallery" hatten aktuelle und ehemalige Obdachlose mithilfe von künstlicher Intelligenz ihre Lebensgeschichten in Bilder verwandelt. Aus zahlreichen verschlagworteten Interviews und Texten waren so 30 Kunstwerke entstanden. Diese tourten seit Februar durch öffentliche Orte in Hamburg, waren etwa unter Brücken und in Parks ausgestellt worden. Die restlichen Werke wurden nach der Veranstaltung zum Festpreis im Internet angeboten. Der Erlös fließt ebenfalls in das geplante Wohnprojekt.

Das besondere Kunstwerk 

Auch in diesem Herbst platzten die sozialen Netzwerke wieder von Pilzfotos. Zum Bersten gefüllte Körbe mit Maronen, Krauser Glucke und Halimasch sind so etwas wie ein naturverbundenes Statussymbol achtsamer Kunstbetriebler. Auf ein anderes Level bringt die Pilzliebe der Antiquar Christian Volbracht, der eine riesige Bibliothek mit mykologischen Büchern besitzt. Viele davon sind prachtvoll illustrierte Kunstwerke. Lisa Zeitz hat den Sammler für die "Weltkunst" besucht.