Debatte
Als "die größte Provokation in einer an Provokationen nicht armen Karriere" bezeichnet Ulrike Knöfel im "Spiegel" den neuen Bildband des deutschen Fotografen Jürgen Teller. Dieser ist vor allem für seine edgy Modeaufnahmen bekannt, bringt nun aber ein Buch mit Bildern aus dem ehemaligen NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau heraus. "Den Bogen zu spannen von Bildern, auf denen er Kim Kardashians Gesäß in den Mittelpunkt rückt oder Daniel Craig eine Wodkaflasche in die Hand drückt, bis zu den Öfen von Auschwitz – das ist natürlich eine Frechheit", schreibt Knöfel. "Zugleich gilt aber: Darin, dass Teller eben Teller ist, liegt ein Vorteil, nicht nur, weil er eine eigene, von vielen geschätzte Bildsprache geprägt hat. Er strahlt in viele Welten hinein, und so könnte dieses Buch Menschen im In- und Ausland erreichen, die sonst selten über die deutsche Vergangenheit nachdenken." Die Publikation in Kooperation mit dem Internationalen Auschwitz-Komitee sei auf verschiedenen Ebenen aufwühlend. "Auf den ersten Blick ist vieles verstörend ästhetisiert. Aber man könnte diese Exaktheit der Kompositionen, das Formalisierte auch als Echo jener Präzision interpretieren, die die Deutschen beim Morden entwickelten. Das ist dann ziemlich provokant, auch unheimlich, es macht die Bilder stark. Man merkt ihnen zugleich an, dass der Fotograf überwältigt war und sich selbst eine Ordnung schaffen musste, eine, die eben zum Inhalt passt."
Wer die Allmachtsphantasien von Elon Musk verstehen will, muss ihn im Kontext von Comic-Helden und Bösewichten verstehen, schreibt Georg Seeßlen in der "Zeit". Der Unternehmer und neuerdings Trump-Flüsterer entstamme "einer Comic- und Science-Fiction-Welt, in der es immer um eines geht: als Einziger und Auserwählter den Defekten von Umwelt und Biografie zu entkommen". Auch seine Inszenierung in der Öffentlichkeit folge klassischen Erzählungen aus dem Universum von "Iron Man", "X-Men" oder "Batman". "Elon Musk ist der Junge, der selbst immer ein wenig alien war, verspottet, gedemütigt, ungeliebt, und der sich aus Rache in einen Superhelden verwandelte – aber eben nicht in einen Gutmenschen wie Superman, sondern in den Mutanten und Cyborg, der sich nichts aus der Gesellschaft der 'Normalen' macht. Im Gegenteil, er, der aus Südafrika kam, geflohen vor desolaten Familienverhältnissen und vor dem Wehrdienst, betonte stets das Anarchische im Neoliberalismus. Er agierte wie ein Punk, exzessiv, mit starken Gefühlsschwankungen, unverantwortlich, eben noch rücksichtslos, dann wieder sentimental, rebellisch und ironisch, wie einer, der es gar nicht fassen kann, dass die Welt tatsächlich auf einen wie ihn hereinfällt. Nur eines konnte dem mythischen Garagen- und Turnschuhkapitalisten nie gelingen: erwachsen zu werden."
Kulturpolitik
In der "Taz" spricht Andreas Fanizadeh mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Neben der Lage ukrainischer Kunstschaffender geht es auch um den Rechtsruck in Deutschland und die Eröffnung des Kulturhauptstadtjahres in Chemnitz. Diese hat Roth offenbar begeistert: "Ich bin wirklich beeindruckt. Die Chemnitzer Stadtgesellschaft beteiligt sich aktiv und begreift dies als Chance für einen Prozess lokaler Aneignung und Vergegenwärtigung. Ich bin begeistert von einem erweiterten Kulturbegriff, der dort praktiziert wird, der Kultur für alle ermöglichen will und zum Mitmachen einlädt. Von Inszenierungen in der Oper, über Konzerte unter freiem Himmel und Projekten, wie sie in den 3.000 Garagen stattfinden sollen. Aber auch in historischen Erinnerungsstätten wie dem früheren Gefängnis Kaßberg. Im Mai eröffnet zudem ein Dokumentationszentrum zum Rechtsterrorismus des NSU. 38 Kommunen sind in der ganzen Region am Programm beteiligt. Einiges ist sogar grenzüberschreitend, bezieht Tschechien, Polen und die zweite Kulturhauptstadt in Slowenien, Nova Gorica, mit ein."
Kunstmarkt
In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" beschäftigt sich Ursula Scheer mit dem Jahresbericht des Auktionshauses Sotheby's, das mit 6 Milliarden Dollar Umsatz nach eigenen Angaben an der Spitze der Branche steht - knapp vor dem Konkurrenten Christie's. Trotz der stolz präsentierten Zahlen zeige sich jedoch, dass das Geschäft derzeit kein Selbstläufer ist und der Kunsthandel vor großen Umbrüchen steht. "Das zeigt, wohin die Reise gehen könnte. Kein Wort verliert der Jahresbericht zum Anschub durch den Milliardendeal mit Abu Dhabi, zum offenbar gefloppten und wieder einkassierten Nachlass bei Auktionsgebühren oder den jüngsten Entlassungen im Haus. Der Blick geht nach vorn: Bald steht die erste Saalauktion in Saudi-Arabien an. In New York soll eine Stradivari-Geige bis zu 18 Millionen Dollar einbringen und im Autosegment ein Mercedes-Benz Stromlinienwagen 50 Millionen. So läuft das."
Film
Die Arbeit am Set von "E.T." hat in Regisseur Steven Spielberg einen Kinderwunsch geweckt. Der Film habe ihn dazu gebracht, "zum ersten Mal Vater werden zu wollen", sagte der 78-Jährige bei einer Veranstaltung in New York City, wie das Branchenportal "People" berichtet. Vor den Dreharbeiten habe er noch nie darüber nachgedacht. Beim Filmen des Klassikers, der 1982 in die Kinos kam, habe er sich wie ein Elternteil gefühlt, habe einen Beschützerinstinkt gegenüber den jungen Schauspielern gehabt - besonders bei Drew Barrymore, die damals erst sechs Jahre alt war. Da kam ihm laut "People" der Gedanke: "Vielleicht könnte das eines Tages mein echtes Leben sein". Mittlerweile hat der Erfolgsregisseur ("Schindlers Liste", "Catch Me If You Can") sieben Kinder und sechs Enkel. Fast allen davon habe er "E.T.", in dem ein Junge einen Außerirdischen aufnimmt, schon gezeigt.
Ausstellung
Der Krieg in der Ukraine bedroht und zerstört auch die Kunst im Land. Viele Museen wurden durch russische Angriffe beschädigt, die wertvollen Exponate wurden vorsorglich in Sicherheit gebracht. Damit die Meisterwerke trotzdem sichtbar bleiben, zeigt die Gemäldegalerie Berlin nun eine große Ausstellung mit ukrainischer Malerei. Boris Pofalla hat sich die Schau "Von Odesa nach Berlin" für die "Welt" angeschaut und beleuchtet auch die heikle Reise der Leihgaben nach Deutschland. "Die Gemälde aus dem vom Krieg gebeutelten Land herauszubekommen war nicht leicht, erinnert sich Hirschfelder, die die Schau gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Sabine Lata kuratiert hat. Ein ganzes Jahr lang hat man gebraucht. Anders als bei einer gewöhnlichen Leihvereinbarung musste man dem ukrainischen Staat eine rechtsverbindliche Rückgabezusage der deutschen Behörden vorlegen, denn die Ukrainer achten sehr darauf, welches Kulturgut ihr Land verlässt, auch aus Angst, es könne nicht zurückkommen. Die Bemühungen waren von Erfolg gekrönt. Im September 2023 verließen 74 Gemälde die Ukraine und reisten 1700 Kilometer nach Berlin. Die meisten der Kunstwerke waren bei der Evakuierung aus ihren Rahmen genommen worden, auch um den Platz in den Transportkisten optimal zu nutzen. In der Ausstellung erkennt man sie an ihren schlichten, dunklen Arbeitsrahmen. Weil die Leihgaben aus Odessa lange in einem Notlager untergebracht waren, mussten sie erst einmal in Quarantäne – die Berliner Restauratoren hatten Angst vor Schimmelsporen, die sich hätten verbreiten können. Diese Sorge erwies sich als unbegründet."