Kostümmuseum in Florenz wiedereröffnet

Die heimliche Hauptstadt der Moda Italiana

Mailand steht für Fashion, Florenz für Alte Meister? Dass Mode auch in der Toskana ihren Platz hat, unterstreicht nicht nur das gerade wiedereröffnete Florentiner Kostümmuseum, sondern auch ein Blick in die Geschichte

Denkt man an italienische Mode, fällt einem vermutlich sofort Mailand ein. Die Stadt beherbergt fast alle großen italienischen Modehäuser und lädt zweimal jährlich zur legendären Mailänder Modewoche ein. Die erste italienische Modenschau fand aber tatsächlich in Florenz statt. Läuft man in der toskanischen Hauptstadt durch die Via dei Serragli in Oltrarno und passiert die Villa Torrigiani, erklärt ein kleines weißes Marmorschild, dass in eben jenem Gebäude die erste italienische High Fashion Show abgehalten wurde. 

In der Nachkriegszeit, einer Periode, in der Italien kein großartiges Gespür für Mode vorherrschte und die Schneider und Designer des Landes eher praktische Kleider kreierten, flammte hier und dort doch eine gewisse Experimentierfreude auf. In den Werkstätten wurde mit neuen Materialien gearbeitet, neue Druckmethoden wurden ausprobiert. Gleichzeitig wuchs ein US-amerikanischer, kauffreudiger Markt, der sich bald an der Mode "Made in Italy" erfreuen sollte.

So entschied sich der toskanische Unternehmer Giovanni Battista Giorgini (1898-1971), die erste Modenschau Italiens in seiner Privatresidenz zu präsentieren. Am 12. Februar 1951 fanden sich noble US-amerikanische Gäste, Käufer und Journalisten ein und führten sich 18 Models in der Mode von zehn italienischen Modehäusern zu Gemüte: Pucci war schon dabei, eine florentinische Marke, die erst vor kurzem ihr Rebranding feierte. Auch Fabiani, Noberasco, Carosa und Jole Veneziani zeigten ihre Designs. 

Geburtsstunde italienischer Mode

Als eigentliche Geburtsstunde italienischer Mode zählt jedoch die etwas offiziellere Modenschau ein Jahr später in der Sala Bianca im Palazzo Pitti, nur wenige Gehminuten von Giorginis Zuhause entfernt und erneut von ihm organisiert. Neben den Entwürfen auf dem Catwalk kümmerte sich der in Forte dei Marmi geborene Geschäftsmann auch um die Aftershow-Partys und ein Gala-Event in den Boboli-Gärten, womit er schon in den 1950er-Jahren einen modernen Lebensstil etablierte.

Alle zu der Show geladenen internationalen Gäste waren gebeten worden, sich in rein italienischer Mode zu kleiden, und nicht nur das sorgte für einen Aufschwung der Moda Italiana. Nach dem offiziellen Debüt in Florenz schrieb die bekannte Modejournalistin Fay Hammond in der "Los Angeles Times": "Nur das unvergleichliche Florenz kann einen solchen Rahmen für eine Party bieten. Diese wunderschöne Stadt scheint aus den alten Hügeln der Toskana herausgemeißelt zu sein. Sie ist eine Blumenschale, umrahmt von lebenden Obelisken aus schwarz-grünen Zypressen und uralten Olivenbäumen. Ein paar Jahrhunderte beiseitezuschieben und die Patina des Mittelalters der Renaissance zu betrachten, schien hier eine einfache und natürliche Sache zu sein. Und es wurde einfach so veranlasst, 1000 Gäste zu diesem fabelhaften Fest zu befördern [...] Kein königliches Vergnügen hätte diese unvergessliche Szene übertroffen."

Bis 1982 fanden jedes Jahr zwei Modeschauen statt, eine im Januar und eine im Juli, vor den Schauen der französischen Modehäuser. Die Florentiner Mode-Events boten den aufstrebenden Designern und Kreativen Italiens eine Bühne, die das Land zuvor vermisst hatte. Im Jahr 1954 wurde das "Centro di Firenze per la Moda Italiana" (CFMI) gegründet, das fortan alle Veranstaltungen der bald größten europäischen Fachmesse organisierte. Später änderte das Unternehmen seinen Namen in Pitti Immagine. 

Ein gedankenloses Vergehen

Bald löste Rom Florenz als Modehauptstadt ab, hier sollte sich Dank der Fellini-Filme die hohe Mode schnell zu Hause fühlen. Mailand wurde später zum absoluten Mode-Kapital ernannt, in dem dort die revolutionierenden Prèt-a-Porter-Schauen gezeigt wurden, die das ganze Modesystem umschmeißen sollten. Florenz spezifizierte sich nun auf die Kleidung des Mannes und hält noch heute zweimal jährlich die "Pitti Uomo" ab, die weltgrößte Messe für Herrenmode.

Trotzdem wird Florenz selten als einer der Ursprungsorte italienischer Mode genannt. Ändern könnte dieses gedankenlose Vergehen die Wiedereröffnung des Museums der Mode und des Kostüms im Palazzo-Pitti-Komplex. Seit wenigen Monaten ist der Flügel das erste Mal seit der Schließung wegen des Coronavirus' und einer Renovierung wieder für die Öffentlichkeit zugänglich und zeigt eine bedeutende Sammlung von Modeschätzen aus dem 20. Jahrhundert. In zwölf Räumen sind über 50 Gewänder ausstellt, dazu eine beachtliche Anzahl von Schuhen, Taschen und weiteren Accessoires. 

Im Frühling sollen zehn weitere Räume hinzugefügt werden mit aristokratischen Kleidern aus dem 16. bis zum 19. Jahrhundert. Dazu wird ein ganzer Raum nur Schmuckstücken gewidmet sein. Die im Jahr 1983 eröffneten Kostümgalerien des Palazzo Pitti wurden zum ersten staatlich geförderten Museum des Landes, das der Geschichte und kulturellen Bedeutung der Mode gewidmet ist. Heute umfasst die Sammlung mehr als 15.000 Kleidungsstücke, von denen die ältesten aus dem 16. Jahrhundert stammen.

Silberne Sterne und pinke Federn

So gehört das Florentiner Mode-Archiv zu den relevantesten und umfassendsten der Welt und ein Teil wird nun präsentiert in der Palazzina della Meridiana, neben dem Südflügel des Palazzo Pittis. Sortiert nach Jahrzehnten, begrüßen einen in den ersten Räumen Modekunstwerke von Paul Poiret und Maria Monaci Gallenga, aus schwerem Samt und mit goldenen Mustern verziert. Daneben ein Kimono von Mariano Fortuny, der einst von der italienischen Schauspielerin Eleonora Duse getragen worden war. Ein Coco-Chanel-Flapperdress zieht alle Blicke auf sich und auch ein weißes, mit silbernen Sternen besetztes Abendkleid von Madeleine Vionnet. Ein Sortiment feinster Hüte und eleganter Schuhe ist neben einem atemberaubenden, mit Tausenden pinken Pailletten besetzten Kleid von Franca Florio aufgebaut.

Der Modegeschichte folgend, ragen in den angrenzenden Hallen die dem New Look nachempfundenen Entwürfe von Maison Carosa und Emilio Schuberth vor den roten Wänden empor. Taillierte, feinst bestickte Entwürfe, deren Röcke in A-Linienform abstehen. Es folgt ein Nina-Ricci-Eyecatcher aus violettem Samt, dessen Dekolleté pinke Federn einrahmen. Die 1960er-Jahre werden unter anderem von einem bodenlangen Kleid von Mila Schön repräsentiert, die Designerin gehörte zu den führenden italienischen Designerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre Inspiration zog sie unter anderem aus Werken von Lucio Fontana und Alexander Calder.

Die "Palazzo Pyjamas" von Emilio Pucci gehören zu den Looks der 1970er-Jahre. Der Designer hatte seine Werkstätten im Jahr 1950 in Florenz eröffnet und wurde sofort zu einem Teil der von Giovanni Battista Giorgini veranstalteten Modeschauen. In den Räumen der 1980er-Jahre wartet ein beeindruckendes Gucci-Minikleid, besetzt mit tausenden schwarzen Perlen, das für Patty Pravo und ihren Auftritt bei dem Sanremo-Festival entworfen worden war. Designs von Issey Miyake, Prada, John Galliano und Armani schmücken die letzten Säle, jedes einzelne mit einer kleinen Geschichte versehen, die sich den Einsatz des Kleidungsstückes noch besser vorstellen lassen.

Die Tour durch das letzte Jahrhundert erinnert: Florenz ist groß in Mode, auch wenn eher als Sidekick neben dem unumstößlichen Mailand. Für die Pitti Uomo Messe im Juni wurde erst gerade Marine Serre als Gastdesignerin bekannt gegeben, die ihre Show am 12. Juni zeigen wird, zwischen all den gut gekleideten Herren, die Florenz alle halbe Jahre schmücken. Eine Designerin, so gar nicht traditionell und alteingesessen, wie man es von dem Modekontext der toskanischen Stadt annehmen würde. Als Geburtsstädte von Gucci, Ferragamo und der ersten Modenschau Italiens, kommt man um Florenz nicht herum, wenn es um italienische Mode geht.