Museum Ludwig ehrt Fotosammlerin

Adieu, Lady Gruber!

Im Oktober 2022 starb Renate Gruber, der das Museum Ludwig in Köln das Fundament seiner fotografischen Sammlung verdankt. Nun widmet das Haus der weltläufigen Sammlerin eine charmante kleine Ausstellung

Elegant sei sie gewesen, offenherzig und charmant. So beschreiben Renate Gruber nach ihrem Tod am 30. Oktober 2022 all jene, die sie kannten. Gemeinsam mit ihrem Mann Leo Fritz Gruber (1908 bis 2005) hatte die 1936 geborene "Grande Dame der Fotografie" das Fundament der fotografischen Sammlung am Museum Ludwig gelegt. 1977 erwarb das Haus die "Sammlung Gruber" mit 934 Werken von internationalem Rang. Von Eugène Atget, Edward Weston bis Cecil Beaton versammeln sich darin die Klassiker der Fotogeschichte des 20. Jahrhunderts. Weitere Werke folgten in den Jahren 2012 (Man Ray-Archiv) und 2021, als "Lady Renate Gruber" – wie sie den Vertrag unterschrieb –, die Fotografen-Korrespondenzen an das Haus übergab.

Mit einer kleinen, feinen Auswahl sagt "das Ludwig" nun Adieu. Zu sehen sind viele Kuss-Münder, aber auch berührende Portraits der Grubers von Annie Leibovitz sowie einige Innenansichten aus dem Haus der Eheleute in Köln, die Candida Höfer im Jahr 2000 im menschenleeren Zustand machte. L. Fritz Gruber hatte es 1957 erworben, zwei Jahre später war seine frisch Angetraute eingezogen. Die Aufnahmen zeigen eine Fülle von Büchern, Möbeln, Vasen, einen knallgrünen Teppich, einen Warhol an der Wand sowie einen stets über der Couch hängenden Mistelzweig.

Für viele war das Haus geradezu eine Institution. Helmut Newton, Henri Cartier-Bresson, Edward Steichen und Chargesheimer waren hier zu Gast. Aber auch die Kölner Foto-Community kam alljährlich am 19. August in den "Braunsfelder Salon", nicht etwa um den Geburtstag eines der Eheleute zu feiern, sondern den Beginn der Fotografie (1839 gab die Französische Akademie der Wissenschaften die Erfindung Daguerres bekannt, mit Hilfe der Camera Obscura dauerhafte Bilder aufzuzeichnen). Der Ausstellungstitel "Kiss, kiss" spielt auf jene gastliche Tradition an, die Renate Gruber auch nach dem Tod ihres Mannes beibehielt. Auch als Ehrenmitglied der Deutschen Gesellschaft für Photographie, die 1951 von ihrem Mann initiiert wurde, war sie, die selber nie ein Foto gemacht hatte, im fortgeschrittenen Alter noch aktiv, ebenso, wie für das Festival der Internationalen Photoszene Köln.

"Die Welt der Fotografie nach Deutschland holen"

Primär habe jeder Fotografie als Erinnerung von Familienbildern gekannt, erzählt die Foto-Expertin, die sich ihr Wissen über ihren wesentlich älteren Ehemann angeeignet hatte, in einem ausstellungsbegleitenden Video, das auf einer 21-teiligen Interviewreihe von 2017 basiert. Aber dass die Fotografie so intensiv in alle Lebensbereiche eingreife, sei der Öffentlichkeit nicht bewusst gewesen. "Es war das besondere Anliegen von Fritz Gruber", so seine Witwe, "die deutsche Fotografie nach dem Krieg in der Welt zu präsentieren und die Welt der Fotografie nach Deutschland zu holen".

Das geschah mittels unzähliger Publikationen, aber auch der Photokina, der weltgrößten (Technik-)Messe für Fotografie, die von 1950 bis zu ihrer Einstellung 2018 zweijährlich in Köln stattfand. Fritz Gruber organisierte hierfür 30 Jahre lang das Rahmenprogramm mit Bilderschauen, die bekannten Fotografen – wie 1951 August Sander und 1956 Erich Salomon – ein Forum bot. 1960 widmete er Man Ray (1890-1976) eine Einzelschau. Das Gruber-Paar hatte den US-Amerikaner und dessen Frau Julie während einer ersten gemeinsamen Reise nach Paris 1958 kennengelernt. Eine Begegnung, die zu einer lebenslangen Freundschaft der beiden Paare führte, wie auch die Fotos innerhalb der Ausstellung untermauern.

Drei Jahre später erschien Grubers Publikation "Man Ray Portraits". Zusammen mit seiner Ehefrau trug Gruber umfangreiches Material – Originalfotografien und Dokumente – zu Leben und Werk des Wahl-Parisers zusammen. Auch aus diesem Konvolut sind in der jetzigen Schau Aufnahmen zu sehen. Man schaue nur genauer hin bei dem Bild, auf dem sich zwei Lippenpaare (fast) berühren. Wem auch immer das surreal anmutende Foto galt – es gehörte zu jenen, die bei den Grubers über viele Jahre an der Wohnzimmerwand hingen.