Restitution

Neokolonialismus oder Fiasko? Benin-Bronzen wieder in der Diskussion

Eine Museumsmitarbeiterin verpackt im Dezember 2023 eine der Benin-Bronzen, die für die Rückgabe nach Nigeria im Ethnologischen Museum Dahlem zusammen gestellt wurden
Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Eine Museumsmitarbeiterin verpackt im Dezember 2023 eine der Benin-Bronzen, die für die Rückgabe nach Nigeria im Ethnologischen Museum Dahlem zusammen gestellt wurden

Nach jahrelangem Verzögern gehen die ersten Benin-Bronzen aus deutschen Museen zurück nach Nigeria. Eine Eigentumsübertragung in dem afrikanischen Land lässt aufhorchen. Wer darf da mitreden?

Wer darf nach der Rückgabe von Diebesbeute über dessen Zukunft entscheiden? In der Diskussion nach Rückgabe von Benin-Bronzen an Nigeria sehen manche Kritiker neokolonialistische Züge. Nach ersten Restitutionen der wertvollen Kunstschätze durch die Bundesregierung sorgt eine überraschende Eigentumsübertragung an den Oba von Benin für neuen Debattenstoff.

Nach Jahrzehnten des Zögerns und einigen Jahren intensiver Debatten hatte Deutschland Ende 2022 zunächst 20 der wertvollen Benin-Bronzen an das afrikanische Land zurückgegeben. Mehr als 1100 der Arbeiten aus dem Palast des damaligen Königreichs Benin, das heute zu Nigeria gehört, waren bisher in rund 20 deutschen Museen zu finden. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im Jahr 1897. "Das Zeug ist geklaut", urteilte Berlins Ex-Kultursenator Klaus Lederer (Linke). Damit wäre der Museumsbestand Hehlerware.

In einer bereits am 23. März veröffentlichen Mitteilung des nigerianischen Präsidenten hieß es nun, der Oba von Benin erhalte das Eigentum an den rückgeführten Artefakten - unabhängig davon, wo und wann diese nach Nigeria gebracht würden. Er gelte als ursprünglicher Eigentümer und Bewahrer der Kultur, des Erbes und der Tradition des Volkes des Königreichs Benin.

Vereinbarung "leichtsinnig formuliert"?

Der Oba herrschte als König über das Reich im heutigen Südwesten von Nigeria, das bis 1897 bestand. Ewuare II. ist der amtierende Oba von Benin. Der 69-Jährige kämpft wie seine Vorgänger seit seiner Krönung vor rund sieben Jahren für die Rückführung der Bronzen nach Nigeria. Die Stücke sollen im Palast oder an anderen Orten in Benin City aufbewahrt werden. Die Bronzen dürfen nur noch mit Genehmigung des Oba etwa als Leihgaben herausgegeben werden.

Für die Schweizer Ethnologin Brigitta Hauser-Schäublin zeigt sich damit, "wie leichtfertig formuliert die Vereinbarung zur Eigentumsübertragung zwischen Deutschland und Nigeria war". Aus öffentlichem Gut werde exklusives Privateigentum, schrieb die emeritierte Professorin an der Universität Göttingen in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Für die deutsche Politik und die ihren Zielen dienenden Museumsleute endet damit die Rückgabe der Bronzen an "das nigerianische Volk" in einem Fiasko."

Matthias Goldmann, als Jurist Experte unter anderem für Völkerrecht und Kolonialismus, verwies darauf, der Oba habe schon seit langem Eigentumsansprüche geltend gemacht. "Mithin ist das, was jetzt passiert ist, nicht völlig überraschend", sagte Goldmann der dpa. Der Oba beanspruche das Eigentum als traditionelles Oberhaupt der Gruppe, der die Gegenstände ursprünglich entwendet worden seien. "Aus Sicht der Menschenrechte und besonders der Rechte ethnischer Minderheiten ist eine Eigentumsübertragung an ihn daher sogar naheliegend."

Rückgabe nicht an Bedingungen geknüpft

Nach den Vorgängen in Nigeria sieht der Bund den Sinn von Restitutionen jedenfalls nicht infrage gestellt. "Richtig bleibt es, Raubkunst an die Staaten zurückzugeben, die heute die Menschen und Kultur repräsentieren, denen diese Kunst einst gestohlen wurde", sagte ein Sprecher von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt solle geklärt werden, was die Maßnahme des scheidenden Präsidenten Muhammadu Buhari zu bedeuten habe. "Dazu wollen wir mit der neuen nigerianischen Regierung ins Gespräch kommen, sobald diese im Amt ist." Eine wichtige Grundlage der Verhandlungen sei die Zuständigkeit der National Commission for Museums and Monuments für den Restitutionsprozess.

Auch das Auswärtige Amt sieht die Verantwortung in Nigeria. "Bei wem die zurückgegebenen Bronzen verbleiben, welche nigerianischen Institutionen und Personen beteiligt werden und wo die Verantwortung zur Bewahrung sowie Zugänglichmachung liegt, sind Fragen, über die in Nigeria entschieden wird", hieß es am Sonntagnachmittag. "Die Rückgabe der Bronzen an Nigeria war nicht an Bedingungen geknüpft."

Wunsch, dass die Bronzen ausgestellt werden

"Die Bronzen wurden mit dem Ziel an Nigeria zurückgegeben, historisches Unrecht zu beheben, das im Erwerb und im unrechtmäßigen Besitz der Artefakte lag." In der gemeinsamen Erklärung zur Rückgabe sei die Absicht bekundet worden, dass die Öffentlichkeit auch nach Rückgabe weiterhin Zugang zu den Benin-Bronzen haben werde. "Wir haben weiterhin den Wunsch, dass die Bronzen ausgestellt werden." Die Einbeziehung des Königshauses beim Rückgabeprozess entspreche den Maßgaben einer Beteiligung der Herkunftsgesellschaften.

Auch der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, betonte die Eigenständigkeit Nigerias beim Umgang mit den Bronzen. Zur Stiftung gehören auch Berlins Staatliche Museen, die über den größten Bestand in Deutschland verfügen.

Die Rückübertragung werde nicht infrage gestellt, sagte er der dpa. "Sie beruht auf der Tatsache, dass es sich um eine gewaltsame Plünderung handelte, und dieser Unrechtskontext war stets unbestritten."

"Erheblicher Klärungsbedarf"

Die Regierung sei "natürlich frei in ihrer Entscheidung, wie künftig mit diesen Objekten umzugehen sein wird, weil Rückgaben nicht an Bedingungen geknüpft sind". Er habe keine Zweifel, dass die Werke in einem Museum der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen werden "und ein Drittel hier in Berlin im Humboldt Forum als langfristige Leihgabe zu sehen sein wird". Parzinger sieht zunächst "erheblichen" Klärungsbedarf innerhalb Nigerias.

Bei Verhandlungen über Rückgaben gehe es immer nur um die Frage, ob eine Restitution gerechtfertigt sei oder nicht. "Im Falle einer Rückgabe können an den neuen Eigentümer aber keine Bedingungen gestellt werden", betonte der Stiftungspräsident. Rückgaben lösten in den Herkunftsländern häufig Debatten zwischen staatlichen Behörden und regionalen Communities aus. "Das sind wichtige Prozesse, in denen divergierende Interessen ausgeglichen werden müssen."