Mit seiner Frau, dem Model Susie Cave, wurde Nick Cave zuletzt in Gesellschaft einer Carla Bruni im Publikum der Pariser Haute-Couture-Show von Valentino gesichtet. Bei aller modischen Stilsicherheit von Ex-Bandkollege Rowland S. Howard dreht sich Caves Weggefährte aus der Birthday-Party-Ära wohl gerade im Grabe um. In ihrer gemeinsamen Zeit wälzte sich der australische Musiker noch schweißüberströmt und kreischend auf der Bühne, provozierte das Publikum mit der Warnung: "Die erste Reihe ist nichts für Gebrechliche" und forderte es auf, seine Drogenvorräte mit ihm zu teilen.
Der exzessive Lebensstil gehörte nicht nur für den damaligen Junkie Cave zur Arbeitsplatzbeschreibung. Auch der Rest der Band gab sich Mühe, das irdische Jammertal möglichst vorzeitig zu verlassen, was dem Schmerzensmann Rowland S. Howard auf heroisch kompromisslose Weise mit gerade mal 50 Jahren auch gelang. Nick Cave machte lieber Konzessionen, wählte den Weg des Erfolgs und ist gerade als distinguierte Bühnenfigur im schwarzen Anzug, mal am Klavier, mal stehend, mit beiden Händen am Mikrofonständer, auch als bildender Künstler präsenter denn je.
Dass er schon in frühen Jahren über genug Energie verfügte, um jede Krise durchzustehen, beweisen die unfassbar vielen Archivaufnahmen in dem Dokumentarfilm "Mutiny in Heaven: Birthday Party" von Ian White. Cave gleicht in dem entgrenztem Konzert-Chaos einem Vulkan, der jeden Moment seine Mitkämpfer Mick Harvey, Rowland S. Howard, Phill Calvert und Tracy Pew unter der Last seiner Wut und Aggression begraben kann.
"Wir haben nichts getan, um sympathisch zu sein"
Die Ende der 1970er entstandene Band aus Melbourne machte Station in London und Berlin und hielt sich nicht nur auf der Bühne an ihre eigenen Regeln. "Wir haben nichts getan, um sympathisch zu sein", sagt Mick Harvey irgendwann in der zweiten Filmhälfte. Das war auch schwierig, denn die meisten von ihnen gefielen sich dafür zu sehr in der Rolle des gefährlichen Psychopathen, wenn Cave etwa in einer Führung durch die winzige Band-WG mit einer Pistole fuchtelte, während er seine Fotosammlung deutscher Gotik-Meisterwerke präsentierte.
Ian White spürt der rauen Ästhetik der Musik entlang von zerkratzten Bildern und wackeligen Schnitten nach. Zu den gut in die Jahre gekommenen Bühnenentgleisungen gesellen sich Animationssequenzen aus der Band-Historie, die auf der Arbeit des deutschen Graphic-Novel-Autors Reinhard Kleist basieren. Kommentare anderer Musiker wie Lydia Lunch oder Sonic Youth und verklärende Erinnerungen der Band-Mitglieder gibt es ebenfalls, die sich auf der Suche nach "Einblicken in eine andere Dimension, eine andere Art, die Welt wahrzunehmen" wähnten und mit ausreichend Drogen heruntergekommene Städte wie London und West-Berlin in eine infernalische Projektionsbahn verwandelten - was der Film mit ausreichend Zeitkapsel-Filmmaterial der unterschiedlichen Musikszenen garniert.
Natürlich darf Nick Cave auch über seine bis heute anhaltende Bibel-Obsession rückblickend berichten, und er tut es auf seine ihm ganz eigene, unbescheidene Weise. "Gott sprach nicht nur zu mir, sondern durch mich, und sein Atem stank."