Umstrittene Schau

Niederländisches Museum zeigt Ausstellung zu Design im Dritten Reich

Das Poster, das für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin wirbt, ist Teil der Ausstellung "Design des Dritten Reiches" im Design-Museum in 's Hertogenbosch in den Niederlanden
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Das Poster, das für die Olympischen Spiele 1936 in Berlin wirbt, ist Teil der Ausstellung "Design des Dritten Reiches" im Design-Museum in 's Hertogenbosch in den Niederlanden

Was ist die "Gestaltung des Bösen?" Das Design-Museum im südniederländischen 's Hertogenbosch zeigt ab Sonntag Nazi-Design - und wird dafür kritisiert

Gleich beim Eingang steht ein VW-Käfer. Baujahr 1943. Es ist so ein Modell, das so manchem einen entzückten Seufzer entlockt: Ach ja, wie süß. Doch dann trifft den Besucher im großen Saal des Museums im südniederländischen 's Hertogenbosch die ganze Wucht der Geschichte: Große Fahnen, knallrot, das schwarze Hakenkreuz im weißen Kreis. An der Wand Plakate mit dem Foto von Adolf Hitler, mal in Siegerpose, mal dämonisch. Gegenüber sieht man auf einem Foto jubelnde junge Leute, den rechten Arm zum Gruß gestreckt.

Hakenkreuze wohin man schaut, auf Plakaten, Broschüren, Fahnen. Dazu Skulpturen, Möbel, Filme, Geschirr, Uniformen, Stahlhelme. Das ist nicht etwa die Sammlung von Nazi-Utensilien eines dubiosen Hobby-Historikers mit brauner Gesinnung. Das Design-Museum zeigt ab Sonntag die erste große Übersichtsausstellung «Design des Dritten Reiches».

"Die Nazis nutzten Design, um das Böse zu gestalten", sagt Timo de Rijk, Direktor des niederländischen Design-Museums. Design hatte damals eine große Bedeutung. Die Nazis, so der Direktor, setzten es ein, um ihre rassistische Ideologie zu verbreiten, die Massen zu verführen aber auch als Mittel für Terror und Gewalt.

Design war "Führersache"

Nicht nur Propagandachef Joseph Goebbels war fanatisch mit der medialen Darstellung des Regimes beschäftigt. Design war aber auch "Führersache". Nichts wurde dem Zufall überlassen. Die Form des deutschen Stahlhelms etwa. Die straffe und detaillierte Regie der Parteitage oder der Olympischen Spiele 1936 in Berlin, wie die Filme von Leni Riefenstahl beweisen. Sogar das kleine ABC der Grundschüler wurde angepasst an den sogenannten "neuen deutschen Menschen".

"Einen echten Nazi-Stil gibt es eigentlich nicht", sagt der Historiker Tomas van den Heuvel, einer der Kuratoren. "Die Nazis bedienten sich bei allen Richtungen." Sie hatten eine Vorliebe für größenwahnsinnige Gebäude im klassizistischen Stil, wie sie der Architekt Albert Speer entwarf. Zugleich wurde die bäuerliche Idylle als romantisches Ideal propagiert. Und die Nazis waren fasziniert von moderner Technologie und nutzten auch das Design der Moderne.

In Werbung, Medien und Lehrbüchern wurde die rassistische Ideologie der "reinen Volkskultur" propagiert. Produkte versprachen eine goldene Zukunft, gaukelten Gemütlichkeit vor und sollten das Volk verbinden: Der Käfer im Programm "Kraft durch Freude" wurde der Wagen des Volkes. Dem Radio "Volksempfänger", gaben die Deutschen schnell den spöttischen Beinamen "Goebbels-Schnauze".

Kann man bei Judenstern und KZs von Gestaltung sprechen?

Aber der Gestaltungs-Perfektionismus machte - Gipfel der perfiden Ideologie - nicht vor Terror und Massenmord halt. Für den "Judenstern" etwa, den alle Juden ab 1941 auf ihrer Kleidung tragen mussten, gab es zunächst fünf Entwürfe. Und auch die Gestaltung der Konzentrationslager war detailliert geplant worden.

Das Museum fasst die Definition von Design breit und schließt auch Medien, Architektur und die Gestaltung der Landschaft mit ein. Die Autobahnen etwa, die Hitler bauen ließ, waren Symbol für Fortschritt und die Beherrschung Europas. Die Gebiete, die deutsche Truppen im Osten eroberten, sollten «eingedeutscht» werden, erläuterte der Historiker van den Heuvel. Für den "neuen Lebensraum" waren bereits altdeutsche Bauernhöfe entworfen worden.

Hunderte von Objekten trug das Museum zusammen. Zum großen Teil aus deutschen Museen. Bisher habe es noch keine große Übersichtsausstellung zu diesem Thema gegeben, sagt der Direktor des Museums. "Wir müssen eine Lücke in der Kulturgeschichte füllen." Das sei in den Niederlanden eher möglich als in Deutschland. Nach seiner Absicht scheuen sich Museen in Deutschland vor diesem Thema.

"Die Geschichte wird nicht beschönigt"

Zurückhaltung ist auch verständlich. Denn so eine Schau ist ein Wagnis. Schnell kann sie zu einem Sammelsurium von Objekten mit Gruseleffekt werden. Das ist die niederländische Ausstellung zwar nicht. Aber es fehlen vielfach wichtige Erklärungen.

In den Niederlanden gibt es auch Proteste gegen die Ausstellung. Das Schreckensregime werde verherrlicht. Das weist Direktor de Rijk zurück. "Die Geschichte wird nicht beschönigt", sagt er. Er fürchtet auch nicht, dass sein Museum zu einer Pilgerstätte für Neo-Nazis wird. "Sollen sie doch kommen", sagt er, "dann sehen sie hier, dass diese Ideologie direkt zum Massenmord führte."

Wer die Botschaft nicht verstanden haben wollte, den trifft beim Ausgang die stille Wucht der Geschichte: Die grobe Steinmauer der alten Synagoge vor dem Museum. Eine Gedenktafel erinnert an die 293 Juden, die von den deutschen Nazis ermordet worden waren. Es waren fast alle jüdischen Bürger der Stadt.