Streit um Nirvana-Cover

Verklag mich, Baby!

Foto: DGC Cover von Nirvanas "Nevermind"
Foto: DGC

Cover von Nirvanas "Nevermind"

Ist das legendäre Cover zum Nirvana-Album "Nevermind" Kinderpornografie? Der US-Künstler Spencer Elden, der als Baby für das Unterwassermotiv fotografiert wurde, wirft der Band genau das vor und hat Klage eingereicht 

Das Unterwasserbild eines nackten Babys, vor dem eine an einem Angelhaken aufgespießte Dollarnote treibt – das Cover des Nirvana-Albums "Nevermind" zählt zu den Ikonen der Musikgeschichte. Ob es sich bei dem Bild auch um "Kinderpornografie" handelt, muss jetzt ein Bezirksgericht in Kalifornien klären: Spencer Elden, der 1991 im Alter von vier Monaten für das Cover fotografiert worden war, hat Klage gegen die Band eingereicht.

Der heute 30-jährige Elden sagt, seine Eltern hätten nie eine Freigabe für die Verwendung seines Bildes auf dem Album unterschrieben. Außerdem wirft er den Beschuldigten, darunter die überlebenden Mitglieder der Band, Kurt Cobains Witwe Courtney Love und die Plattenfirmen, die das Album in den letzten drei Jahrzehnten veröffentlicht oder vertrieben haben, vor, sie hätten mit dem Bild Kinderpornografie produziert. Die Klage bezichtigt die Beklagten der "kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Spencer als Minderjährigem bis zum heutigen Tag (...). Die Verantwortlichen hätten "wissentlich kommerzielle Kinderpornografie mit dem Bild produziert, besessen und beworben". Elden habe durch das Albumcover "lebenslange Schäden" erlitten, darunter "extreme und dauerhafte seelische Qualen mit körperlichen Manifestationen" sowie den Verlust von Bildung, Gehalt und "Lebensfreude". Der Fotografierte fordert von jedem der 15 Angeklagten Schadensersatz in Höhe von mindestens 150.000 Dollar.

Der Unterwasserfotograf Kirk Weddle, ein Freund der Familie, hatte das Bild 1991 aufgenommen. Die Eltern des Modells erhielten damals 200 Dollar, wie sein Vater Rick Elden vor einigen Jahren in einem Interview erzählte. Spencer Elden, der heute als Künstler in Los Angeles lebt und unter anderem für den Street Artist Shepard Fairy gearbeitet hat, scheint seit Jahren ein ambivalentes Verhältnis zu der Aufnahme zu haben. Er hat das Albumcover als Teenager und Erwachsener mehrmals nachgestellt (er trug dabei Badehose) – anlässlich des zehn-, 20- und 25-jährigen Jubiläums der Platte. Den Schriftzug "Nevermind" trägt er als Tattoo.

"Einen Teil meiner Menschenrechte entzogen"

"Es war immer eine positive Sache und hat mir Türen geöffnet", sagte er vor sechs Jahren dem britischen "Guardian". "Ich bin jetzt 23 und ein Künstler, und diese Geschichte gab mir die Möglichkeit, fünf Jahre lang mit Shepard Fairey zu arbeiten, was eine großartige Erfahrung war. Er ist ein großer Musikkenner: Als er hörte, dass ich das Nirvana-Baby bin, fand er das richtig cool."  Andererseits hat er immer wieder auch seinen Ärger und seine Irritationen über das Fotoshooting geäußert.  "Es ist schwer, sich nicht aufzuregen, wenn man hört, wie viel Geld im Spiel war", erklärte er 2016 im "Time Magazine". "Wenn ich zu einem Baseballspiel gehe und darüber nachdenke: 'Mann, jeder bei diesem Spiel hat wahrscheinlich meinen kleinen Baby-Penis gesehen', dann fühle ich mich, als hätte man mir einen Teil meiner Menschenrechte entzogen." Laut "Time" prüfte Elden schon zuvor rechtliche Schritte gegen die Plattenfirma Geffen Records, die jedoch erfolglos blieben.

Nichtsexualisierte Fotos von Kleinkindern gelten nach US-Recht im Allgemeinen nicht als Kinderpornografie. Der Anwalt von Spencer Elden, Robert Y. Lewis, argumentiert jedoch, dass die Einbeziehung der Dollarnote (die nach der Aufnahme des Fotos eingefügt wurde) den Minderjährigen "wie einen Sexarbeiter" erscheinen lasse, der nach einem Dollarschein greift.