Europa-Wahl als Event

Muss man mit Lufthansa in der Elphi wählen?

Wahlkabine in der Elbphilharmonie Hamburg 
Foto: #SayYesToEurope

Wahlkabine in der Elbphilharmonie Hamburg 

Eine Kampagne mit Unterstützung der Lufthansa lockt zur Europawahl an Kunstorte. Damit wird das spektakuläre Erlebnis zum Köder für politisches Engagement  

Europa ist derzeit ziemlich angesagt. Berufspolitiker streifen sich plötzlich blaue Sternchen-Hoodies über und fragen ihre Follower über Instagram, ob sie "Bock auf Europe" haben. Und auch in der Kunst ist der Sternenring auf blauem Grund das Motiv der Stunde. Es flattern Manifeste von Balkons, Künstler laden zu Europe-Labs und Anti-Brexit-Performances und Museen projizieren Slogans auf ihre Fassaden und stellen sich Aufrufe zur Europawahl ins Foyer. 

Denn über Europa reden ist immer noch angesagter, als tatsächlich wählen zu gehen. In Deutschland lag die Wahlbeteiligung 2014 bei unter 50 Prozent. Was also ist zu tun? Die Menschen mit poltischen Inhalten mobilisieren? Ziemlich anstrengend und langwierig. Die Wahl mit Unterstützung der Wirtschaft zum Event machen? Besser. 

Zumindest drängt sich dieser Verdacht auf, wenn man die Kampagne #SayYesToEurope betrachtet, die maßgeblich von der Lufthansa finanziert und von "Personen des öffentlichen Lebens" wie Matthias Schweighöfer, Birgit Schrowange und Mario Götze unterstützt wird. Mit dieser Aktion kann man seine Briefwahlunterlagen an Orte tragen, in die man sonst nicht so leicht oder nur gegen Geld kommt, und dort sein Kreuzchen machen. Dabei ist unter anderem die Elbphilharmonie in Hamburg (20. Mai) und die Sammlung Boros im ehemaligen Reichsbahnbunker in Berlin-Mitte (13. Mai). Auch die Kabine von Borussia Dortmund und das "Wer wird Millionär Studio" stehen ausnahmsweise offen. 

Wählen auf der ganz großen Bühne unter den Schwingen des Lufthansa-Kranichs? Das passt zu einer gegenwärtigen Tendenz, bei der Engagement unbedingt fotogen und vermarktbar sein sollte. Das Interesse der Fluggesellschaft dürfte vornehmlich darin bestehen, dass europäische Besserverdiener, die nicht auf Billigflieger ausweichen oder vor ökologischem Flugscham ganz zuhause bleiben, weiter fleißig in einer EU ohne Binnengrenzen herumreisen. Wenn der Europa-Jetset aus Rücksicht aufs Klima verwerflich wird, können Fluggesellschaften immerhin noch als politisch integer auftreten. Dass bei einer demokratischen Wahl aber auch ein "No" zu Europa möglich ist, wird in der Kampagne gar nicht erst als Möglichkeit gedacht. 

Rein technisch ist #SayYesToEurope dann übrigens doch nicht so innovativ, wie es sich gibt. Denn man kann zwar seine Kreuzchen in den angesagten Locations machen (Selfies in der Wahlkabine sind übrigens verboten), einwerfen muss man die Unterlagen dann allerdings am nächsten Briefkasten. Fast schon wieder ein bisschen retro.