Rundgang über Kunstmesse Art Brussels

"Ein Ort für Entdeckungen"

Foto: Art Brussels
Foto: Art Brussels

Stand der Galerie Antoine Laurentin auf der Art Brussels 2018

Trotz Terminclash mit der Art Cologne: Zum 50. Geburtstag feiert die Art Brussels sich selbst und das künstlerische Jetzt

An der Kojenwand der Galerie Levy DelVal aus Brüssel hängt ein Türschild aus weißer Keramik. Einfamilienhaus-Ästhetik inklusive Apfelbaum und Katze. Die Inschrift in der heimeligen Szene ist jedoch kein Familienname, sondern ein Werk des Künstlers Alfredo Aceto. "Welcome to the art world" sagt die Plakette in geschwungener Schönschrift. Im imposanten Industriepalast Tour & Taxis im Brüsseler Nordwesten treffen sich in diesen Tagen die Mitglieder der belgischen Kunstfamilie mit ihren internationalen Gästen. Zum 50. Mal findet bis zum Sonntag die Art Brussels statt, die sich – nach der Art Cologne – die zweitälteste Kunstmesse der Welt nennt.

Der Direktorin Ann Vierstraete ist angesichts dieses Anlasses zum Feiern zumute – nicht nur, weil zur Eröffnung sogar Königin Mathilde vorbei schaute. Vierstraete nennt Brüssel eine lebendige Kunststadt mit kauffreudiger Sammlerbasis, und die Messe habe sich zu einer international beachteten Größe entwickelt, ohne ihre Wurzeln in der belgischen Kunst aufzugeben. 759 Künstler werden in diesem Jahr auf der Art Brussels gezeigt, davon sind 93 Prozent noch am Leben und 30 Prozent unter 40 Jahre alt. "Die Art Brussels ist ein Ort für Entdeckungen", sagt Ann Viestraete. "Wir verstehen uns als eine durch und durch zeitgenössische Messe."

Tatsächlich fehlt beim Rundgang durch die ehemaligen Werkshallen die obligatorische Nachkriegsmoderne der anderen Gegenwartsmessen. Die Galerie Laurentin entdeckt mit Evelyn Axell und Jacques Verduyn die belgische Pop-Art wieder und Luis Adelantado aus Valencia ruft die kühl-eleganten Fotoinstallationen von Darío Villalba Flores aus den 70er-Jahren in Erinnerung.

Ansonsten bewegt sich die Art Brussels jedoch im Jetzt der Kunstwelt, in einer überraschend analogen Gegenwart, wo die (schwer verkäufliche) digitale Kunst nur eine Randerscheinung ist und die Malerei auch als Lieblingsmedium der jungen Künstler auftritt.

Für viele Galeristen ist der 50. Geburtstag der Messe auch ein Anlass, zurückzuschauen. "Für mich ist es immer etwas Besonderes, hier zu sein, weil es meine Heimatstadt ist", sagt Galerist Xavier Hufkens, der mit dem Schweizer Maler Nicolas Party den Preis für die beste Solokoje gewonnen hat. Hufkens, eine der prägendsten Figuren der Brüsseler Galerienszene, kommt seit 30 Jahren zur Messe und sieht die Entwicklung der Art Brussels positiv. "Es ist alles viel professioneller geworden", sagt er. "Der Umzug vom Stadtrand in die Tour-&-Taxis-Räume war ebenfalls eine große Verbesserung."

1968 war die erste Ausgabe der Brüsseler Marktplattform auch eine Reaktion auf die Geburt des "Kölner Kunstmarkts", der ein Jahr zuvor zum ersten Mal stattgefunden hatte.

In diesem Jahr ist die Art Cologne wieder ein vorherrschendes Thema auf der Messe, da die beiden Veranstaltungen am selben Wochenende stattfinden. Während sich Xavier Hufkens ohne langes Grübeln für Brüssel entschieden hat, trifft die Terminüberschneidung bei anderen Galerien auf wenig Verständnis. "Ich finde es sehr seltsam", sagt Kim Brandstrup aus Oslo, bei dem man die Malerei von Christer Glein und Michael Kvium nicht verpassen sollte. "Sammler wollen Zeit haben und sich die Sachen in Ruhe anschauen. Ich glaube nicht, dass viele beide Messen mitnehmen."

Auch Kathy Grayson, Direktorin der New Yorker Galerie The Hole hätte sich eine andere Lösung gewünscht. "Im Terminkalender müsste doch Platz für alle sein", sagt sie. "Wir hätten gern beides gemacht." Die Galerie, die sich in der Lower East Side als zuverlässiger Entdeckungsort für hippe junge Künstler etabliert hat, ist seit fünf Jahren in Brüssel in der "Discovery"-Sektion dabei. In diesem Jahr hat sie den US-Künstler Johnny Abrahams mitgebracht, der intensive geometrische Farbfelder auf grobes Sackleinen malt. "Im ersten Jahr haben wir gar nichts verkauft", erzählt Grayson. "Im nächsten Jahr dann alles, und dieses Jahr rechne ich auch mit einem Ausverkauf."

Bei ihren vorsichtigen Prognosen am ersten Tag sind die Galeristen überwiegend optimistisch. Auch Direktorin Ann Vierstraete erwartet gute Geschäfte. Von Konkurrenz zur Art Cologne will sie nichts wissen, auch wenn die großen Namen der internationalen Galerienszene eher in Köln zu finden sind. "Ich hoffe nicht nur, dass die Sammler zu beidem gehen", sagt sie. "Ich weiß es."

Auch ein paar wenige Galerien stemmen mit viel Personal in diesen Tagen eine Doppelmesse, darunter Blain|Southern und Michael Janssen. "Es gibt hier viele seriöse Sammler", sagt Laetizia Catoir, Direktorin bei Blain|Southern, über das Brüsseler Publikum. "Wir sind zum ersten Mal hier, aber es ist sehr gut angelaufen." Michael Janssen aus Berlin zeigt die beiden belgischen Künstler Stijn Ank und Jana Cordenier. "Das Publikum und die Kunst sind hier eher regional", sagt der Galerist. "Für mich ist es ein Experiment, das klappen kann, oder auch nicht."

Jenseits des ganzen Kaufens und Verkaufens wagt die Art Brussels auch eine Symbiose von sogenannter Markt- und Kuratorenkunst, die in den vergangenen Jahren oft als natürliche Feinde dargestellt wurden. In der sehenswerten Sonderschau "Mystic Properties" hat die Documenta-14-Kuratorin Elena Sorokina zeitgenössische Werke zusammengetragen, die sich mit dem Genter Altar der Van-Eyck-Brüder auseinandersetzen. Bei dem weltberühmten Andachtsbild aus dem 15. Jahrhundert spielen Besitzverhältnisse eine große Rolle, und auch Sorokinas Ausstellung thematisiert die Kunst als Eigentum und ärgert die Anhänger des Haben-Wollens.

So dürfen die Performances von Les gens d’Uterpan nur siebenmal aufgeführt werden, bevor sie beerdigt werden. Und auch Almudena Lobera macht es Sammlern nicht leicht. Fasziniert vom immer noch unaufgeklärten Diebstahl eines Altarflügels im Jahr 1934, hat die Künstlerin eigene Zeichnungen im selben Format angefertigt und in Papier verpackt. Erst wenn das vermisste Van-Eyck-Gemälde gefunden wird, dürfen die Käufer die Kunstpakete öffnen.