"Notes of Berlin"

Die Zettelwirtschaft einer Stadt

Die Stadt spricht - und ist dabei oft ziemlich lustig und rührend. Das Blogprojekt "Notes of Berlin" sammelt skurrile Nachrichten aus Treppenhäusern und dem öffentlichen Raum. Jetzt ist das Buch dazu in überarbeiteter Version erschienen  

Seit 2010 zieht Joab Nist mit seiner Kamera durch Berlin und dokumentiert, wie er selbst sagt, "Pure Alltagskultur in ihrer reinsten Form." Die Fotos von skurrilen Nachbarschaftsbotschaften im Treppenhaus, Laternennotizen und Café-Schildern stellt er auf seinen Blog "Notes of Berlin" und inzwischen auch auf Facebook, Twitter und Instagram. Über 55.000 Notizen, Suchmeldungen, Sehnsuchtsbekundungen und Beleidigungen hat der "Zettelfreund aus Leidenschaft" bisher mit Hilfe von zahlreichen Zuschriften gesammelt. Da werden kleine Hunde auf Plakaten gesucht, deren Hund-Sein von anderen Passanten per Kugelschreiber gleich wieder in Zweifel gezogen wird. Lionel Richies Schmacht-Zeile "Hello? Is it me you're looking for?" wird zur Kontaktanzeige mit 80er-Ausstrahlung, und ein Künstler kündigt bei seinen Haus-Mitbewohnern laute Schreie an - die aber Kunst sein sollen, und kein Mord.

"Notes of Berlin" weist darauf hin, dass in einer Stadt ständig kommuniziert wird, auch wenn ihre Bewohner oft stumm in öffentlichen Verkehrsmitteln aneinander vorbei starren. Und sie erinnern daran, dass man bei der Bewegung durch einen zum Großteil von Werbung geprägten und durchstrukturierten Stadtraum auf Unmittelbares und Überraschendes stoßen kann. Wie Badeschlappen, die an einen Fahrradständer angeschlossen sind.  

Nun erscheint die überarbeitete Buchfassung mit ausgewählten Bildern des populären Blogs. Anonym geschriebene Zettel werden Teil des öffentlichen Raums, sie werden fotografiert, hochgeladen und so in den digitalen Raum "gehängt", anschließend wird das digitale Abbild erneut transformiert und kehrt in veränderter Form als Buch in den analogen Raum zurück. Der Kulturwissenschaftler und Begründer des Projekts Joab Nist wollte mit seiner Zettel-Dokumentation das Berliner Lebensgefühl einfangen. Geschaffen hat er ein über mehrere Mediengrenzen hinweg funktionierendes, partizipatives Werk, dass nebenbei auch sehr stimmungserhellend ist, wenn einem Berlin mal wieder abweisend und grau vorkommt.