Tränen, Triumph und eine Ohrfeige

Das waren die Oscars 2022

Drei Preise für die Tragikomödie "Coda", nur eine kurze Einblendung zum Ukraine-Krieg: Das war die Oscar-Gala 2022. Doch vor allem der skurrile Auftritt von Will Smith wird von der Verleihung in Erinnerung bleiben

Ein Hollywoodstar verliert die Beherrschung und sorgt mit einem wütenden Auftritt und einer Ohrfeige bei den Oscars für einen denkwürdigen Moment. Weltstar Will Smith betrat bei den wichtigsten Filmpreisen der Welt dieses Jahr gleich zweimal die Bühne - nur einmal davon ausgezeichnet. Angesichts des irritierenden Verhaltens des Schauspielers geriet vieles andere an diesem Abend in den Hintergrund.

Was war geschehen? Nachdem der Komiker Chris Rock bei der Show einen Witz über Smiths Frau Jada Pinkett gemacht hatte, lief Smith überraschend auf die Bühne, gab Rock eine schallende Ohrfeige und kehrte an seinen Platz zurück. Zweimal rief er anschließend in Rocks Richtung: "Lass den Namen meiner Frau aus Deinem verdammten Mund!"

Rock hatte sich zuvor an Jada Pinkett Smith gewandt: "G.I. Jane 2 - ich kann es nicht abwarten, das zu sehen." - eine Anspielung auf den Film "G.I. Jane", in dem sich Demi Moore als Soldatin den Kopf rasiert. Jada Pinkett Smith verdrehte die Augen bei dem Witz. Sie hat schon öfter offen über ihren Haarausfall gesprochen (die Krankheit Alopecia Areata).

Der Witz, den viele schlecht und unpassend finden würden, schien bei Will Smith die Sicherungen durchbrennen zu lassen. Er brachte ausgerechnet im liberalen Hollywood, das sich gerne rühmt, Rollenbilder zu hinterfragen, sogenannte toxische Männlichkeit auf die Bühne - also das aggressive Verhalten eines Kerls, der überreagiert und Gewalt legitimiert. In einem Tweet der Veranstalter hieß es später: "Die Academy duldet keine Form von Gewalt."

Rock wirkte nach dem Vorfall leicht konsterniert, fing sich aber schnell wieder und witzelte noch: "Das war die größte Nacht in der Geschichte des Fernsehens." Nach dem Ende der Show veröffentlichte der US-Sender ABC eine Mitteilung der Polizei von Los Angeles, wonach diese von einem Vorfall bei der Verleihung wisse, bei dem eine Person eine andere geohrfeigt habe. Der Angegriffene habe es abgelehnt, den Vorfall anzuzeigen.

"Kunst imitiert das Leben"

Will Smith gewann dann noch den Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle in "King Richard". In seiner Dankesrede schien er sich für den Eklat rechtfertigen zu wollen. "Richard Williams war ein erbitterter Verteidiger seiner Familie", sagte er. Smith spielt in dem Film den Vater der legendären Tennisspielerinnen Venus und Serena Williams. Durch hartes Training und Beharrlichkeit ermöglichte er seinen Töchtern Sportkarrieren.

Er wolle sich bei der Filmakademie und den anderen Nominierten entschuldigen, sagte der 53-jährige Smith unter Tränen - ergriffen von sich selbst. "Kunst imitiert das Leben, und ich wirke wie der verrückte Vater (...) aber Liebe lässt einen verrückte Dinge machen." Er hoffe, dass die Filmakademie ihn wieder einlade.

Was sonst von der Nacht im Gedächtnis blieb? Die Tragikomödie "Coda" gewann den Oscar als bester Film. Regisseurin Siân Heder erzählt darin von einem Mädchen, das in einer gehörlosen Fischerfamilie aufwächst. Der Film erhielt insgesamt drei Auszeichnungen. Als kleinerer Film, der auf Apple TV+ zu sehen ist, hatte "Coda" sich zuletzt etwas überraschend zum Favoriten gemausert.

Ukraine-Krieg spielte nur am Rande eine Rolle

Regisseurin Heder hat alle gehörlosen Figuren mit gehörlosen Schauspielern besetzt, darunter Marlee Matlin, die 1987 für ihre Rolle in "Gottes vergessene Kinder" einen Oscar gewann. Ausgezeichnet wurde nun aber Troy Kotsur als bester Nebendarsteller. Er spielt den Vater der 17-jährigen Ruby, die als Einzige in einer vierköpfigen Fischerfamilie hören kann und von einer Karriere als Sängerin träumt. Kotsur hielt seine bewegende Dankesrede in Gebärdensprache.

Der Western "The Power of the Dog" von Jane Campion, der mit zwölf Nominierungen als Favorit ins Rennen gegangen war, gewann letztlich "nur" eine Auszeichnung für die beste Regie. Jessica Chastain wurde als beste Hauptdarstellerin für "The Eyes of Tammy Faye" ausgezeichnet, eine Filmbiografie über eine christliche TV-Predigerin, die in den 70er- und 80er-Jahren in den USA für Aufsehen sorgte: Wegen ihrer Toleranz und auch ihres Äußeren war sie eine Ikone für viele Nicht-Heterosexuelle.

Immer wieder spielten die Rechte von Minderheiten bei der Oscarverleihung eine Rolle. Etwa in der Dankesrede von Ariana DeBose, die den Oscar als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle im Musical "West Side Story" von Steven Spielberg bekam. Sie sagte zum Publikum: "Sie sehen hier eine offen queere, nicht-weiße Frau, eine Afro-Latina, die ihre Kraft und ihr Leben durch die Kunst gefunden hat."

Doch trotz politischer Untertöne blieb der aktuell größte Konflikt nur am Rande erwähnt. Stars wie Sean Penn oder die Moderatorin Amy Schumer hatten vor der Verleihung gefordert, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zugeschaltet werden sollte. Doch daraus wurde nichts. Das Kriegsgeschehen spielte nur am Rande, etwa bei den Accessoires einiger Stars, eine Rolle. Selbst Mila Kunis, die in der Ukraine geboren wurde und zuletzt Millionensummen für Menschen in dem Land sammelte, sprach nur etwas allgemein von "jüngsten Geschehnissen". Für einen kurzen Schweigemoment wurde eine Solidaritätsbekundung mit der Ukraine eingeblendet.


Das sind die Gewinnerinnen und Gewinner der Oscars 2022:


Bester Film: "Coda" von Siân Heder

- Regie: Jane Campion für "The Power of the Dog"

- Hauptdarsteller: Will Smith in "King Richard"

- Hauptdarstellerin: Jessica Chastain in "The Eyes Of Tammy Faye"

- Nebendarstellerin: Ariana DeBose in "West Side Story"

- Nebendarsteller: Troy Kotsur in "Coda"

- Internationaler Film: "Drive My Car" von Ryusuke Hamaguchi

- Kamera: Greig Fraser für "Dune"

- Original-Drehbuch: Kenneth Branagh für "Belfast"

- Adaptiertes Drehbuch: Siân Heder für "Coda"

- Schnitt: Joe Walker für "Dune"

- Filmmusik: Hans Zimmer für "Dune"

- Filmsong: "No Time To Die" von Billie Eilish and Finneas O'Connell

- Produktionsdesign: Patrice Vermette, Zsuzsanna Sipos für "Dune"

- Ton: Mac Ruth, Mark Mangini, Theo Green, Goug Hemphill, Ron Bartlett für "Dune"

- Visuelle Effekte: Paul Lambert, Tristan Myles, Brian Connor, Gerd Nefzer für "Dune"

- Animationsfilm: "Encanto" von Byron Howard, Jared Bush

- Animations-Kurzfilm: "The Windshield Wiper" von Alberto Mielgo und Leo Sanchez

- Dokumentarfilm: "Summer of Soul (...Or, When the Revolution Could Not Be Televised)" von Ahmir "Questlove" Thompson, Joseph Patel, Robert Fyvolent and David Dinerstein

- Dokumentar-Kurzfilm: "The Queen of Basketball" von Ben Proudfoot

- Make-up/Frisur: Linda Dowds, Stephanie Ingram, Justin Raleigh für "The Eyes of Tammy Faye"

- Kostümdesign: Jenny Beavan für "Cruella"

- Kurzfilm: "The Long Goodbye" von Aneil Karia und Riz Ahmed