NSU-Ausstellung in Leipzig

Eine Form des Gedenkens, die tief berührt

Wie könnte eine Aufarbeitung der rechtsterroristischen NSU-Morde aussehen, die nicht vor allem auf die Täter schaut? Die Ausstellung "Offener Prozess" in Leipzig macht einen Vorschlag und erzählt eindrucksvoll von Migration, Diskriminierung und dem Leben in Deutschland

"Warum ist es so schwer, eine ordentliche Ermittlung durchzuführen? Ich lade Sie ein, sich mehr zu engagieren. Ich verlange, dass die Mörder gefasst werden." So beginnt die Ausstellung "Offener Prozess. NSU-Aufarbeitung in Sachsen". Die Worte im Video der Trauerdemonstration in Kassel vom 6. Mai 2006 stammen von Ismail Yozgat. Kurz zuvor waren sein Sohn Halit und Mehmet Kubaşık ermordet wurden. "Kein 10. Opfer", ist auf einem Transparent zu lesen. Statt von den Täterinnen und Tätern erzählen 26 künstlerische, wissenschaftliche und aktivistische Beiträge in der Galerie für Zeitgenössische Kunst von Migration, Diskriminierung und dem Leben in Deutschland.

Bewohner eines Hauses in München, viele von ihnen Gastarbeiter, blicken 1975 im Treppenhaus in die Kamera von Želimir Žilnik und berichten von ihren Erfahrungen. Hito Steyerls Video "Babenhausen 1997" verdeutlicht am Beispiel der jüdischen Familie Merin antisemitische Hetze und Stimmungsmache. Ayşe Güleç und Fritz Laszlo Weber haben die Ausstellung kuratiert. Zuhören, Zeugin sein, verstehen wollen – das seien Voraussetzungen für eine produktive Auseinandersetzung mit der Frage, wie ein Gedenken aussehen könne, sagen sie.

Der Besuch ihrer Ausstel­lung ist eine Form des aktiven Erinnerns, wenn man sich mit Kopfhörern in verschiedene Videoarbeiten einklinkt oder der Musik von Gastarbeitern zuhört. Mareike Bernien und Alex Gerbaulet untersuchen im Kurzfilm "Tiefenschärfe" Nürnberger NSU-Tatorte und ihre Umgebung. Die Kamera schwankt, der Himmel ist grau: "Dass hier ein Änderungsschneider ermordet wurde, wissen alle, und haben es noch nie gehört." Das Forschungsinstitut Forensic Architecture überprüfte die Zeugenaussage des Verfassungsschützers Andreas Temme zum Mord an Halit Yozgat – die Familie fordert seit Jahren, Widersprüchen nachzugehen. Ulf Aminde hat einen Gedenkort für den NSU-Tatort in Köln entworfen, der den digitalen Raum mitdenkt.

Zuletzt vermittelt Ülkü Süngün die korrekte Aussprache der Namen jener Menschen, die zwischen 2000 und 2007 ermordet wurden: Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. Die Namen im Chor nachzusprechen ist eine Form der Erinnerung, die tief berührt.