Patti-Smith-Ausstellung in Paris

Die Suche nach dem ultimativen Kick

Bekannt ist Patti Smith vor allem als Rock-Ikone, Fotografin und Schriftstellerin. Im Centre Pompidou zeigt sie sich nun mit dem Soundwalk Collective als Installationskünstlerin und spürt den psychedelischen Trips französischer Dichter nach

Dass sie sich im Flugzeug kennengelernt haben, war wohl das, was man Schicksal nennt. Patti Smith flog von Paris nach New York. Sie war auf dem Rückweg von Marokko, wo sie bei einem Festival gastiert hatte, das die Beat-Generation feierte. Stephan Crasneanscki, der in New York lebende französische Schöpfer des Soundwalk Collective, das schon mit dem Filmemacher Jean-Luc Godard oder der Fotografin Nan Goldin zusammengearbeitet hatte, saß neben ihr.

Weil er ein Buch über die deutsche Sängerin und Smith-Freundin Nico las, kam man ins Gespräch. So kam heraus, dass Crasneanscki gerade an einem Projekt über Nicos letzte Lebenstage arbeitete. Smith bot spontan an, die Gedichte der Musikerin und Schauspielerin vorzulesen. So entstand das Album "Killer Road" (2016). Und gleich danach ein Trilogie-Projekt über die französischen Dichter René Daumal, Arthur Rimbaud und Antonin Artaud.

Diese Drei sind auch in der neuesten Zusammenarbeit "Evidence" präsent, eine immersive Installation, die im Centre Pompidou in Paris die Besucher mit Kopfhörern auf eine innere Reise schickt, zu den Orten und Geräuschen in Äthiopien, Indien und Mexiko, wo die drei der Zivilisation zu entkommen versuchten, auf der Suche nach dem Absoluten, dem ultimativen Kick. Rimbaud und Artaud kennt man als Helden unzähliger Subkultur-Generationen. Daumal ist da eher ein Geheimtipp, ein Abtrünniger der Pariser Surrealisten, der mit Bergsteigen und Drogen deren bloße Träume überschreiten wollte.

Klangwelten zum Eintauchen

Man kann die Zeit in dem abgedunkelten Raum auf herausfordernd tiefgelegten Bänken verbringen, getaucht in den Sound aus zwitschernden Vögeln, Musik und brüllenden Büffeln. Da wären auch noch die Schimpftiraden der rezitierenden Smith, mitunter gesellen sich auch Charlotte Rampling oder Charlotte Gainsbourg dazu. Oder im Gehen, vorbei an Gemälden, die vom MoMA in New York oder dem Centre Pompidou selbst ausgeliehen wurden. Flankiert von Baumwurzeln, Mineralien, Erdsäcken und halluzinogenen Kakteen, die Crasneanscki von seinen Recherchereisen mitgebracht hat. Smith hat sogar das Haus von Rimbaud in Charleville-Mézières gekauft, wo er "Une saison en enfer" geschrieben hat. Die Erde aus dem Garten steckt in der Schau in einer Vase.   

Hat man die Wandcollagen erreicht, die sie entlang der Reiserouten mit Fotografien des Dichter-Trios, Weltraumaufnahmen, Landschaften, Schallplatten, Zeichnungen, Buchausschnitten und textilen Objekten vollgestopft hat, wird es Zeit, die an die restlichen drei Wände projizierten Filme näher zu betrachten. Denn die haben in ihrer halluzinativen Unschärfe tatsächlich ein suchterzeugendes Potential. Weniger die späthippiesken Schamanentänze, indischen Gurus und drogenumnebelten Farbimplosionen.

Eher überzeugen die dokumentarisch im split screen arrangierten Aufnahmen archäologischer Expeditionen und die nächtlichen Blicke hinter die Gardinen arabischer Häuser, immer wieder unterbrochen von Regen, Feuer und in Nebel getauchten Berggipfeln in Großaufnahme. Da meint man dann, den gequälten Planeten stöhnen zu hören. "Evidence" ist kein explizit politisches Projekt. Wenn man aber die Bilder explodierender Atombomben sieht, steckt darin natürlich auch eine kritische Lektüre aktueller Bedrohungslagen. So landet der Eskapismus von Daumal, Rimbaud und Artaud im global geteilten Hier und Jetzt. Ein Entkommen auf eine wie immer geartete "andere Seite", wird es diesmal wohl nicht geben.