Ausstellung in Dortmund

Kunstgeschichte als radikale Gegenwart

Porträt Rainer Fetting
Foto: Roland Baege

Porträt Rainer Fetting

Lange tat die Kunstwelt so, als bespiele der Maler Rainer Fetting mit seinen meisterhaften Männerakten eine Nische. Doch nun fühlt sich seine Ausstellung in Dortmund überaus gegenwärtig an

Gott, diese Zitronen! Schamlose kleine Farbstrudel, dem Betrachter auf einem Tablett dargeboten in denkbar koketter Haltung von dem schönen Tänzer Desmond, Rainer Fettings bevorzugtem Modell und Ziel des Begehrens.

Jahrhundertelang war es die Frau, die sich beugt und biegt, das frische Obst und ihren Körper darbietet und sich auszieht für den Blick des Künstlers und des Publikums. Dass es bei Rainer Fetting stattdessen Desmond ist, der seine beweglichen Glieder twistet und die Stereotype von Männlichkeit dabei fortwirft wie nach der Sitzung die gelben Pumps, wurde dem Künstler in den 1980er-Jahren nicht immer zum Vorteil ausgelegt; als bespiele er mit seinen meisterhaften Männerakten eine Nische, folge irgendeiner Privatobsession, die nicht so relevant sei wie die deutschen Helden-im-Eimer-Motive des zwölf Jahre älteren Kollegen Baselitz beispielsweise.


Doch drei Jahrzehnte später hat sich das Spiel gedreht, und wenn man jetzt durch Fettings Ausstellung im Dortmunder U wandert, die pandemiebedingt nur mit Timeslot besuchbar ist, fühlt man radikale Gegenwart, obwohl man durch ein Stück deutsche Kunstgeschichte spaziert.  Gegenwärtig wollten sie ja immer sein, die sogenannten Moritzboys, die sich, Fetting voran, Ende der 1970er für ihre neoexpressive, wilde Malerei mit dem Kreuzberger Moritzplatz ihren eigenen Ort schufen, dabei ziemlich viel feierten und auch mal in Drag auf den Kotti wanderten, um Passanten zu verwirren.

Eine neue Freiheit in New York

So sieht man es jedenfalls in dem tollen Film, den Fetting aus alten Super-8-Rollen neu editiert und mit einem ziemlich guten Soundtrack versehen hat. Der Film schneidet dann scharf nach New York, wo die Subway donnert und The Police in verrauchten Clubs spielen, wo Fetting in seinen Porträts, aber auch in seinen Stadtlandschaften noch mal zu einer neuen Freiheit findet.

Die Kids mit den Skateboards, die stürzenden, rasanten Diagonalen der Hochbahnen, das sind leuchtende Schlaglichter auf die urbanen Eighties. Die Landschaften komplettieren das Bild, und die berühmte Willy-Brandt-Skulptur darf auch nicht fehlen. Aber eigentlich ist der bronzene Desmond in der Badewanne noch besser.