Restitutionsstreit um Van-Gogh-Bild

Die "Sonnenblumen" bleiben in Tokio

Vincent van Gogh "Sunflowers", 1888
Foto: Sompo Museum of Art, Tokio

Vincent van Gogh "Sunflowers", 1888

Eines der "Sonnenblumen"-Bilder von Vincent van Gogh gehört einer japanischen Firmensammlung. Die Erben des einstigen Besitzers versuchten, es als NS-Restitutionsfall zurückzubekommen. Nun unterlagen sie vor Gericht

Insgesamt sieben Bilder mit Sonnenblumen hat Vincent van Gogh in den Jahren 1888 und 1889 in seinem Refugium in Arles gemalt, in freudiger Erwartung der Ankunft seines Malerkollegen Paul Gauguin aus Paris. Die Freundschaft der beiden zerbrach bald, aber das ist eine andere Geschichte. Die so ungemein leuchtkräftigen, unter Tageslicht jedoch ganz allmählich verblassenden Blüten fanden verschiedene Besitzer: Eines der Bilder ging im Zweiten Weltkrieg zugrunde, ein weiteres kam 1987 bei Christie's in London unter den Hammer. Es wurde für den damaligen Auktionsrekord von 25 Millionen Pfund (nach heutigem Wert etwa 110 Millionen Dollar) von einem japanischen Bieter im Namen einer Tokioter Versicherungsgesellschaft ersteigert. 

Diese ging später in einem anderen Konzern auf, und mit ihm die Kunstsammlung der Versicherung. Sie wird heute in dem firmeneigenen Sompo Museum of Art gezeigt.

Nur hat die Geschichte eine dunkle Stelle. Van Goghs knallgelbes Gemälde gehörte nämlich einst dem Bankier Paul von Mendelssohn-Bartholdy. Der hatte es 1891 erworben, im Jahr nach dem tragischen Tod des Künstlers. In Deutschland und besonders Berlin grassierte ein regelrechtes Van-Gogh-Fieber. Hugo von Tschudi, durch kaiserlichen Unmut von Berlin nach München vertrieben, hatte kurz zuvor eines der ersten, 1888 entstandenen Sonnenblumen-Bilder für die Neue Pinakothek der bayerischen Hauptstadt erworben. 

"Nicht 100-prozentig sicher"

Mendelssohn-Bartholdy, 1933 vor den Nazis geflüchtet, veräußerte das Gemälde im Jahr darauf an den Pariser Kunsthändler Paul Rosenberg, von wo das Bild erst in eine US-amerikanische Privatsammlung ging und später an weitere Besitzer. Bis zur Versteigerung vom Frühjahr 1987.

Als das japanische Museum das Bild im Jahr 2001 an das Art Institute in Chicago auslieh, äußerte es sich in einer bemerkenswerten Notiz: Es halte das Bild nicht für Nazi-Raubkunst, sei sich aber "nicht 100-prozentig sicher". Daraufhin reichten die Nachfahren des jüdischen Eigentümers in Chicago Ende 2022 Klage ein. Julius H. Schoeps, der lange in Potsdam lehrende Historiker und Vorsitzende der Moses Mendelssohn Stiftung, sowie Britt-Marie Enhoerning und Florence von Kesselstatt vertreten rund 30 weitere erbberechtigte Nachfahren. 

In der Klageschrift wird der japanischen Versicherung vorgeworfen, die Provenienz des Gemäldes den US-Behörden gegenüber verschleiert zu haben. Wurde es 1934 auf Druck und unter Wert verkauft? Tatsächlich lässt sich dazu keine Aussage treffen – die Geschäftsunterlagen der Galerie Rosenberg, die während der deutschen Besatzung Frankreichs von den Nazis geplündert worden war, geben darüber keinen Aufschluss mehr.

Kaum jemals wieder ins Ausland verleihen

Das Chicagoer Gericht wies jetzt die Klage der Nachfahren auf Herausgabe des auf 250 Millionen Dollar angesetzten Bildes, respektive einen Schadenersatz in Höhe von 750 Millionen Dollar, ab. Es habe, so Richter Jeremy C. Daniel in seiner Entscheidung vom 3. Juni, keinerlei Jurisdiktion über die japanische Firma. Die Klage dürfte allerdings zur Folge haben, dass das Unternehmen ihren Van Gogh kaum jemals wieder ins Ausland ausleihen wird.

Ob es sich überhaupt um einen authentischen Van Gogh handelt, ist nebenbei gesagt umstritten. Verschiedentlich wurde gemutmaßt, das Bild sei von Van Goghs Kollegen Émile Schuffenecker kopiert worden. Dieser hatte gut zehn Jahre nach dem Tod des Künstlers eine Reihe seiner Gemälde zur Restaurierung bekommen. Aber wo sind dann die "echten" Sonnenblumen hin? Über Van Gogh sind so viele Legenden verbreitet worden, da passt diese auch noch hinein.