Fotograf Richard Mosse

Komplexe Krisen in komplexen Bildern

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Richard Mosse zeigt in seinen Fotografien de Ambivalenz von Technologie in Krisen. In großformatigen Museumsausstellungen wie jetzt in Bremen entfalten die Bilder noch einmal eine ganz eigene Qualität

Die Farben sind prächtig: Pink und Grün, Rot, Orange oder Türkis. Was von weitem wirkt wie eine abstrakte Komposition, enthüllt von nahem unzählige Details. Der irische Fotograf hat die Bilder seiner Serie "Tristes Tropiques" aus unzähligen Multispektralbildern zusammengesetzt, die von Drohnen stammen, die er über dem Amazonas in die Lüfte geschickt hat. Die Bilder sind mit Hilfe eines Geoinformationssystems bearbeitet worden, das zur Erfassung und Analyse von räumlichen Daten entwickelt wurde. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nutzen solche Systeme, um die Veränderungen im Regenwald überwachen zu können – Abholzungen, Brände, Veränderungen durch Landwirtschaft, Goldminen oder Aluminiumfabriken. Gleichzeitig helfen diese Systeme auch der Agrarindustrie dabei, noch effektiver ihren Profit aus Landschaften zu ziehen.

Die Ambivalenz der Technologie ist immer schon ein Thema im Werk von Richard Mosse. Bekannt wurde er mit der Serie "Infra" (2012), für die er sich in die Rebellengebiete des Kongos wagte. Die unübersichtlichen Konflikte in dieser von langjährigem Bürgerkrieg gezeichneter Region gab er mit einem Infrarot-Farbfilm wieder, der für die militärische Luftaufklärung entwickelt wurde. Der Film zeigt grüne Landschaften in intensiven Lavendel-, Purpur- und Pinktönen – der Krieg wird zum surrealen Farbrausch.

Unendlich detailreiche Tableaus

Die Bilder, mit denen Mosse 2015/16 in das Leben von Flüchtlingen in Nordafrika, im Nahen Osten und im Mittelmeerraum aufnahm, sind dagegen schwarz-weiß, mit einem flirrenden Negativ-Effekt: Sie stammen von Wärmekameras, die ebenfalls für militärische Zwecke entwickelt wurden. In unendlich detailreichen Tableaus zeigen diese Aufnahmen Flüchtlingslager in Moria und anderswo.

Mosse will komplexe Krisen und Sachverhalte in ebenso komplexen Bildern festhalten – die in großformatigen Museumsausstellungen noch einmal eine ganz eigene Qualität entfalten. In Bremen ist jetzt seine erste institutionelle Schau in Deutschland zu sehen, mit Beispielen aller wichtigen Werkgruppen aus den letzten Jahren und einer neuen großen Videoarbeit aus dem "Tristes-Tropiques"-Komplex.