Richard Serras Pariser Skulptur "Clara – Clara"

In der Versenkung verschwunden

Richard Serras "Clara-Clara" (1983) im Pariser Tuileriengarten im Juni 2008
Foto von Tybo via Flickr, cc

Richard Serras "Clara-Clara" (1983) im Pariser Tuileriengarten im Juni 2008, als die Skulptur im Rahmen der Ausstellungsreihe "Monumenta" aus dem Depot geholt wurde

Als Richard Serra vor zwei Wochen starb, priesen die Nachrufe zu Recht die Bedeutung des US-Bilderhauers. Doch wurden seinen Skulpturen nicht immer von allen geschätzt. Ein monumentales Werk für den Tuileriengarten in Paris lagert heute auf einem Bauhof

An Richard Serras Skulpturen für den Außenraum scheiden sich die Geister. Privatsammler haben den unlängst im Alter von 85 Jahren verstorbenen Großmeister der Stahlskulptur vielfach beauftragt, wie der Neuseeländer Alan Gibbs, der sich mit den 252 Metern von "Te Tuhirangi Contour" in seinem öffentlich zugänglichen Privatpark der wohl ausgreifendsten Installation des Künstlers rühmen darf.

An öffentlichen Orten im eigentlichen Sinne, staatlichen oder kommunalen also, war Serra nicht immer solche Wertschätzung beschieden. Berühmt wurde der Fall von "Tilted Arc", jener von einer US-Bundesbehörde in Auftrag gegebenen und 1981 in New York aufgestellten Skulptur in Gestalt eines 37 Meter langen, leicht geneigten Stahlbogens, die nach vielfachen Protesten von Anwohnern und Passanten des Standortes 1989 wieder abgebaut wurde und seither in einem US-amtlichen Lager schlummert.

Ebenfalls in einem Bauhof liegen die sechs Stahlplatten, aus denen die Skulptur "Clara – Clara" zusammengesetzt war, die Richard Serra 1983 für den Tuileriengarten in Paris geschaffen hatte. Das jedenfalls ist der Befund, den die in New York lebende Michelle Young jetzt im dortigen Online-Magazin "Hyperallergic" mitteilt. Die am Architektur-Kolleg der Columbia University lehrende Young berichtet, wie sie im Jahr 2010, damals noch als Studentin im Rahmen eines Austauschprogramms in Paris, gemeinsam mit den Seminarteilnehmern die besagten Stahlplatten auf dem Grundstück eines ehemaligen Wasserwerks in Ivry-sur-Seine entdeckte. Das Industriegelände dient bis heute dem Fonds Municipaux d’Art Contemporain (FMAC), dem städtischen Kunstfonds von Paris, als Lagerplatz.

Volkes Stimme geißelte Serras Skulptur als "Schandfleck"

Zu diesem Zeitpunkt – 2010 – hatte "Clara – Clara" bereits eine bewegte Geschichte hinter sich. Ursprünglich sollte die Skulptur vor dem Centre Pompidou aufgestellt werden, das 1983 eine Retrospektive des Künstlers zeigte. Mit 210 Tonnen Gewicht erwiesen sich die beiden zueinander geneigten Stahlbänder jedoch als zu schwer für den mit einem Parkhaus unterkellerten Platz vor dem Centre. So wanderte die nach Serras Ehefrau Clara Weyergraf benannte Skulptur in die Tuileriengärten, wo sie nahe dem Ausgang zur Place de la Concorde aufgestellt wurde, genau in der Sichtachse zwischen dem Louvre und dem Obelisken auf dem verkehrsreichen Platz und weit in der Ferne dem Arc de Triomphe.

Doch Volkes Stimme erhob sich und geißelte Serras Skulptur als "Schandfleck" (die gläserne Pyramide im Hof des Louvre existierte damals noch nicht, sie traf später ein ebensolcher Shitstorm). Zwar erwarb die Stadt Paris 1985 das Stahlgebilde, doch nur, um es sodann aus den historischen Tuileriengärten zu entfernen und in einen Park im 13. Bezirk zu verbringen, einer der ärmeren Gegenden der Metropole. Nach ein paar Jahren der Zweckentfremdung als Wand für Graffiti und notdürftigem Schutzraum für Obdachlose wurde "Clara – Clara" 1990 erneut abgebaut und nunmehr eingelagert.

Im Frühjahr 2008 war Richard Serra eingeladen, im Rahmen der Ausstellungsreihe "Monumenta" den Grand Palais zu bespielen. Unter dem Titel "Promenade" ließ der Künstler fünf jeweils 17 Meter hohe Stahlplatten aufrecht stellen, leicht geneigt zu beiden Seiten einer gedachten Linie. Aus diesem Anlass wurde "Clara – Clara" aus der Versenkung geholt und neuerlich im Tuileriengarten aufgestellt, wobei sich das diesmal federführende Kulturministerium hinsichtlich der Dauer der Aufstellung bedeckt hielt.

Man arbeite an einer Wiederaufstellung

In weiser Voraussicht, wie sich herausstellte. Denn ungeachtet der einhelligen Zustimmung, die die Wiederaufstellung in der Kunstszene fand, blieben die breite Öffentlichkeit und die einschlägigen Medien bei ihrer Ablehnung und bewirkte die erneute Entfernung der Skulptur im Frühjahr 2009. Bis dahin hatten sich zahllose Spaziergänger mit Abdrücken ihrer vom Staub der Tuilerien-Wege bedeckten Schuhe auf den rostbraunen Stahlplatten verewigt, was den Künstler ärgerte und seine Ehefrau Clara eher mit Ironie quittierte: "Hoffentlich treten sie nicht auf mich!"

Mittlerweile, berichtet Michelle Young in dem erwähnten Artikel, sei der Industrie-Vorort Ivry in starkem Wandel begriffen, alte Industriegebäude würden reihum abgerissen. Nur das ehemalige Wasserwerk sei unverändert. Auf die Zukunft von Serras Skulptur angesprochen, wird der Pressesprecher der Pariser Kulturbehörde mit den Worten zitiert, man arbeite an einer Wiederaufstellung: "Es handelt sich um eine umfangreiche Aufgabe, da neben den Abmessungen auch zahlreiche technische Aspekte zu berücksichtigen sind, damit die Skulptur wieder im öffentlichen Raum aufgestellt werden kann." 

Vielleicht liefern die anstehenden Olympischen Sommerspiele den nötigen Anstoß zur Würdigung des jüngst verstorbenen Künstlers. Immerhin war Richard Serra 2015 als Ritter der Ehrenlegion geehrt worden, Frankreichs höchster Auszeichnung im Kulturbereich.