Jubiläum

Zittau feiert berühmtes Fastentuch aus dem Mittelalter

Großes Zittauer Fastentuch von 1472 
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Großes Zittauer Fastentuch von 1472 

Zittau bewahrt mit zwei Fastentüchern aus dem Mittelalter und der Renaissance einen sakralen Schatz. Beide sind einzigartige Zeugnisse der Vergangenheit - und bekommen prominente Gesellschaft auf Zeit

Zittau, Stadt im Dreiländereck Deutschland, Tschechien und Polen, feiert ihr prominentestes Kunstwerk: 550 Jahre Großes Fastentuch. Zum Jubiläum gibt es ein einmaliges Zusammentreffen, mit Kopien von Textilien in nah und fern, in der Fastenzeit vom 2. März bis 14. April. "Wir haben acht bedeutende 'Geschwister' auf Stoff drucken lassen, die in Kirchen der Stadt und der Umgebung zu sehen sind", sagt Peter Knüvener, Direktor der Städtischen Museen. Dazu gehören Kopien des Turiner Grabtuchs und der Fastentücher von St. Jakob in Gröden (Südtirol) und Bendern aus Vaduz (Liechtenstein).

Das große und das kleine Zittauer Fastentuch, ein erst 2020 ersteigertes aus dem 18. Jahrhundert und zwei zeitgenössische Beispiele sind Originale der Ausstellung, die von Vorträgen, Exkursionen sowie einer wissenschaftlichen Tagung und einem offiziellen Festakt begleitet wird. Knüvener hofft auf einen Schub für das Thema, auch in der Forschung. "Fastentücher sind besondere Raritäten der sakralen Kunst." Und Zittau habe mit dem großen Tuch von 1472 und dem 99 Jahre jüngeren kleinen gleich zwei Hauptwerke.

Ersteres, das 56 Quadratmeter misst, schenkte ein Gewürz- und Getreidehändler der Stadt. "Es ist in Dimension und Machart einzigartig in Deutschland." Auch das rund 15 Quadratmeter kleine Textil aus der Renaissance sei eine Rarität, "das weltweit einzige evangelische Tuch aus dieser Zeit". Dazu gesellen sich nun erstmals andere bemalte sowie bestickte historische Exemplare, wegen ihrer Fragilität als möglichst authentische Kopien, "um ihre Wirkung erlebbar zu machen", wie der Kunsthistoriker sagt. Auch das "größte aller erhaltenen Fastentücher" wurde auf Stoff gedruckt: es misst 12,25 mal 10 Meter.

Eintauchen in die Bilderwelt der Entstehungszeit

Die Schau zeige, dass die Zittauer Fastentücher "Zeugnisse einer europäischen Kultur und Tradition sind, die sich vor allem in den Alpenländern erhalten hat", sagt Knüvener. Mit ihnen wurden von Aschermittwoch bis Karfreitag Chorraum oder Altar in Kirchen verhängt, "damit die Eucharistie nur zu hören war und auch die Augen fasteten". Die ältesten Exemplare stammten aus dem 13., 14. Jahrhundert, wie das Leinentuch aus dem Halberstädter Dom. Das Fastentuch von 2016 aus der Gartenkirche Hannover zeigt laut Knüvener, "dass diese Tradition weiterlebt".

Die Originale der historischen textilen Kostbarkeiten werden nicht verliehen. Auch das Große Fastentuch darf nicht bewegt werden. "Dass es erhalten blieb, gleicht einem Wunder", sagt Knüvener. 1945 hätten sowjetische Soldaten es an seinem Auslagerungsort gefunden. "Sie zerrissen es und verkleideten damit ihre provisorische Saunahütte im Wald." Erst 1994/1995 konnte das monumentale Textil zusammengesetzt und restauriert werden. "Es fasziniert und macht es möglich, in die Bilderwelt der Entstehungszeit einzutauchen", sagt der Kunsthistoriker. Die 90 Felder zeichneten die Heilige Geschichte nach, von der Schöpfung der Welt über die Passion Christi bis zum Jüngsten Gericht - "wie ein Riesen-Comic".