Schlosslichtspiele in Karlsruhe

Das Neuschwanstein der Medienkunst

Die realen Schlosslichtspiele
Foto: Artis - Uli Deck

Schlosslichtspiele Karlsruhe

Die Karlsruher Schlosslichtspiele haben die Kraft, eine nicht ganz einfache Stadt zu verwandeln. Nachdem das Spektakel 2020 ins Digitale auswich, sollen in diesem Jahr reale wie virtuelle Räume bespielt werden

Stärker als sonst überlagerten sich in den vergangenen, Corona geprägten Monaten die reale und die digitale Welt: Verabredungen fanden im Netz statt, Ausstellungen wurden online besucht, Veranstaltungen ohne Publikum gestreamt. Und manch einer wird die virtuellen Welten als gelegentliche Erweiterung der eigenen vier Wände genutzt haben. Gleichzeitig erfuhr der uns unmittelbar umgebende Raum – unser Zuhause, aber auch der Ort, an dem wir leben – eine starke Betonung. Der Bewegungsradius verkleinerte sich und lenkte den Fokus auf das, was uns täglich begegnet.

Die am 18. August eröffnenden Karlsruher Schlosslichtspiele nehmen diese beiden Entwicklungen in ihr Konzept auf. Nachdem die Veranstaltung 2020 ausschließlich online stattfand, verkündet Peter Weibel, künstlerisch-wissenschaftlicher Vorstand des ZKM Karlsruhe, für dieses Jahr: "Die Schlossfestspiele feiern beide Daseinsformen: Die virtuellen Räume im realen Schlosspark." Denn auch wenn "die Chancen und Horizonte des analogen Lebens", wie Weibel es formuliert, nun endlich wieder greifbarer werden, bleibt das "Online-Universum", das wir uns errichtet haben, bestehen.

Diese Gleichzeitigkeit der beiden Welten wird unter dem Motto "Das Leben in die Hand nehmen" von unterschiedlichen "Projection Mappings" sowohl analog als auch digital erfahrbar gemacht. Dabei handelt es sich um eine Form der Medienkunst, bei welcher eine Oberfläche mit einer Videoprojektion bespielt wird, deren Konzeption sich explizit auf die Struktur der jeweiligen Oberfläche bezieht. Bis zum 3. Oktober sind neben vier neuen Positionen auch drei Projektionen auf den Schlossmauern zu sehen, die im vergangenen Jahr nur online zu erleben waren.

Die Stadt in einem neuen Licht erleben

Die präsentierten Arbeiten führen den Besucherinnen und Besuchern mögliche Zukunftsszenarien unseres Planeten vor Augen, bringen das barocke Schloss zum Schweben und Singen und übersetzen die Klänge des Werks "Nucleus" des berühmten Karlsruher Komponisten Wolfgang Rihm in audiovisuelle Welten.

Erstmals wird der BBBank-Newcomer-Preis verliehen: Die Siegerproduktion "Karlskompensator" von Crushed Eyes Media lädt zu einer Reise in die Vergangenheit der Stadt Karlsruhe ein und der zweitplatzierte Künstler Spiegelball erkundet anhand einer größtenteils durch Künstliche Intelligenz berechneten Komposition die Evolution des Lebens und der modernen Technologie. 

Neben der Schlossfassade werden dieses Jahr im Rahmen des neuen, parallel stattfindenden Schlosslichtspiele Light Festivals zusätzlich verschiedene Orte in der Stadt bespielt. Mit diesem dezentralen Konzept reagiert die Karlsruhe Marketing und Event GmbH (KME) auf die nach wie vor besondere Situation, in der größere Menschenansammlungen nach Möglichkeit zu vermeiden sind. Andererseits bietet das Festival auf diese Weise aber auch die Möglichkeit, "die Stadt in einem anderen Licht zu erleben", so Martin Wacker, Geschäftsführer der KME.

Großes Ganzes statt Hindernisparcours

Nach Monaten, in denen Abwechslung und Unterbrechungen des Immergleichen rar waren, in denen man ungewohnt stark an den Wohnort gebunden war, trägt das Festival nun dazu bei, neue Perspektiven auf die Stadt Karlsruhe zu gewinnen. Im dauerbaustellengeplagten Karlsruhe stellt die Ausdehnung des Festivals auf weitere Orte zudem durchaus eine Chance dar, die Stadt weniger als einen Hindernisparcours wahrzunehmen, sondern als zusammengehörendes Ganzes.

Die Schlosslichtspiele wurden 2015 im Rahmen der Globale anlässlich des 300. Stadtgeburtstags Karlsruhes von Peter Weibel gegründet und avancierten schnell zur beliebtesten Kulturveranstaltung der Stadt (das ergab zumindest die Kulturumfrage 2019). Jahr um Jahr versammelt das von Weibel kuratierte Lichtkunst-Festival internationale Künstlergruppen, die sich mit der Medienkunstform "Projection Mapping" auseinandersetzen.