Film über Kölner Musikszene

Das Fundament für eine stolze Subkultur

Der Dokumentarfilm "Sound of Cologne" huldigt mit einer Lawine von Archivmaterial und Zeitzeugen-Gesprächen der experimentellen Musik- und Kulturszene am Rhein. Eine Reise in ein untergegangenes Paradies der Bands, Labels und Clubs

Wenn es um Musik aus Köln geht, denken die einen an BAP, De Bläck Fööss oder Brings. Die andere Fraktion, und die reicht bis ins gut informierte Ausland, rollt beim Stichwort "Kölle mit Jeföhl" mit den Augen und verortet seine Wurzeln eher zwischen klobigen Kisten, teilweise so groß wie Kühlschränke, verkabelt über einem Mischpult. 

Eingerichtet hat dieses Musiker-Refugium Herbert Eimert. Ohne ihn wäre die Musikgeschichte wohl anders verlaufen. Noch im 19. Jahrhundert geboren, richtete der Komponist beim Kölner Rundfunksender WDR 1951 das weltweit erste Studio für Aufnahmen von elektronischen Klängen ein. 

Auf Schwarz-Weiß-Bildern ähnelt der damalige Mittfünfziger in seinem Anzug eher einem Fremdkörper inmitten der vielen Knöpfe, deren Funktion er erläutert. Was nichts daran ändert, dass er nun mal der Urvater der exzessiven Party-Kultur der Gegenwart ist. 

Die Stunde des Krautrock

Karlheinz Stockhausen nutzte das Studio intensiv für seine Tonband-Klebesessions, hier entstand der Maßstäbe setzende "Gesang der Jünglinge". Das Werk stand am Anfang einer Entwicklung, der die filmische Recherche von Kristina Schippling akribisch nachspürt, von den Anfängen einer teuren neuen Technik bis zur Demokratisierung der "Instrumente", die allmählich ihre Exklusivität verloren. 

Um die Besonderheit des "Sound of Cologne" zu erfassen, arbeitet sie sich durch das ausufernde Archivmaterial. Neben Stockhausen bekommen Komponisten wie Messiaen oder Boulez einen Kurzauftritt. Zu Stockhausens Schülern zählten Irmin Schmidt und Holger Czukay. Sie setzten die Experimente fort und gründeten die Rockband Can. Als sich Kraftwerk und Neu! aus Düsseldorf dazugesellten, schlug die Stunde des bis heute international einflussreichen Krautrock. 

Damit war das Fundament für eine stolze Subkultur gelegt, in einer Stadt, die sich gerne ihrer Entspanntheit rühmt, weswegen einmal auch der etwas schiefe Vergleich mit der West Coast der USA fällt. Ab dem Kapitel über die 1980er verknüpft Schippling ihre vielstimmige Archäologie der Musikszene mit einer Beschreibung der damals gleichfalls wegweisenden Kunstszene und der Gründung des diskursfesten Musikmagazins "Spex". 

Die glorreichen Zeiten sind vorbei

Der Sog von Berlin ließ zunächst noch etwas auf sich warten. Bis Ende der 1990er-Jahre trumpfte Köln mit seinen vielen Clubs auf, den Galerien und den Plattenläden wie A-Musik, flankiert von Labels wie Kompakt, dem Musiksender Viva und der Popkomm, später C/O Pop. Eine ungewöhnliche Musikoffensive, die vom Stadtmarketing befeuert wurde, das in dem quirligen Nachtleben eine touristische Einnahmequelle erkannt hatte.

Und das, obwohl die herumschweifende Kamera keinen Zweifel daran lässt, dass sich der urbane Charme der Domstadt in Grenzen hält. Übervoll an architektonischen Impressionen begrüßt man jede Stimme, die dem architektonischen Nachkriegsdrama ein Ende bereitet. Und davon gibt es viele: DJ und Labelgründer Mathias Schaffhäuser, Labelbetreiber und Sammler von Künstler-Schallplatten Frank Dommert, Kompakt-Mitbegründer Wolfgang Voigt, Elektromusiker Jan St. Werner oder Avantgarde-Musikerin Niobe, nur um einige, seltsamerweise auf Englisch interviewte Heroen zu nennen. 

Mitunter bedient sich Schippling beim Vorgängerfilm "We built this City" von 2005, was aber nicht weiter stört, da er genau aus der Zeit stammt, als viele der Akteure von Köln nach Berlin umgezogen waren. Die glorreichen Zeiten waren vorbei, auch wenn der eine oder andere Veteran immer noch im rheinischen Biotop aktiv ist.