Rassismus-Debatte im Städel

Dringende Aufgabe: Horizont erweitern

Das Frankfurter Städel steht in der Kritik, weil es in der Neupräsentation seiner Sammlung Georg Herolds Bild "Ziegelneger" zeigt. Das verletzende Bild jetzt abzuhängen, wäre das falsche Signal, aber der Kontext muss sich ändern  

Die 1980er-Jahre in der Bundesrepublik waren eine lustige Zeit. Man lachte da zum Beispiel noch sehr gern über Witze die anfingen mit: "Kommt ein N____r um die Ecke…" In dem Otto-Film von 1985 schleppt der beliebte Komiker ständig einen Schwarzen mit sich herum, der Gegenstand aller möglichen Scherze wird, in denen wieder und wieder das N-Wort gesagt wird. Wohlwollend betrachtet nimmt Otto dort die Ausländerfeindlichkeit der Spießer um ihn herum auf die Schippe. Aber wenn man den Film heute schaut, zuckt man trotzdem schmerzhaft zurück und kann die Menschenverachtung kaum fassen.

Mit dem Bild "Ziegelneger" von Georg Herold aus dem Jahr 1981 ist das nicht viel anders. "Was, Sie wollen das Werk eines anerkannten deutschen Künstlers mit den Witzen von Otto vergleichen?", könnten Sie jetzt aufschreien. Aber Herold selbst würde das wahrscheinlich gar nicht so schlimm finden. Seine Kunst, ähnlich wie die seines Generationskollegen Martin Kippenberger, lebte vom schlechten Witz, sie badete geradezu im Kalauer. Es war Ehrensache für die Männerclique, sich von keinen moralischen Maßstäben nerven zu lassen, und die Kraft ihrer Kunst zieht ihren anarchischen Witz genau aus dieser Überzeugung.

Und jetzt hängt also dieses Bild in der Neupräsentation der Sammlung des Städel-Museums in Frankfurt am Main, in einer kleinen Abteilung zu dieser Kunst der damals Jungen Wilden. Ein stereotyp gemalter Schwarzer ist darauf zu sehen, der von einer Rotte von Leuten mit einem Ziegelstein beworfen wird. Eine Ampel steht auf grün. Man darf schon vermuten, dass dieses Bild sich gegen Rassismus stellen soll. Und doch tut es weh, es zu sehen. Denn es wiederholt die Erniedrigung, es brennt das stereotype Bild der Demütigung ein weiteres Mal in die Netzhaut ein.

Ein "explizit antirassistisches Kunstwerk"? 

Nicht überraschend also, dass eine Studentin das Bild auf Instagram kritisierte und damit eine hitzige Debatte lostrat. Die Frankfurter Künstlerin Aniela appellierte an das Städel, das Bild abzuhängen: weil es ein Trigger sei. Sie findet, es dürfe nicht ausgestellt werden, "aus dem ganz einfachen Grund, weil Menschen darum schreien und bitten, weil sie nicht möchten, dass Weißen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, ins Museum zu gehen und den Stereotyp ihres Leides zu betrachten. Das ist nicht in Ordnung, darüber überhaupt zu diskutieren", zitiert sie die "Hessenschau" des HR.

Städel-Kurator Martin Engler dagegen meint, dass dem Haus durchaus klar gewesen sei, dass das Bild eine Provokation ist. "Aber genau das ist der Zweck des Titels und ein Anliegen der Malerei, in einen Diskurs über das Bild einzutreten", sagt Engler. Das Bild selbst sei aus Sicht des Museums ein "explizit antirassistisches Kunstwerk".

Der Info-Text zum Bild hatte vergeblich versucht, einer möglichen Debatte zuvor zu kommen: "Titel und Werk bleiben eine Zumutung, auch wenn wir dem Künstler keinen Rassismus unterstellen", heißt es in dem Text. Zudem steht da: "Der Titel ist offenkundig rassistisch."

Es gibt genug Künstler, die gute Werke zum Thema geschaffen haben

Das Museum hat angekündigt, den Text zu überarbeiten. Doch so einfach lässt sich das Problem nicht lösen. Das Bild jetzt abzuhängen, wäre nicht das richtige Signal: Natürlich muss ein Museum auf die Kunstfreiheit bestehen. Doch um es zeigen zu können, muss es anders kontextualisiert werden. Das heißt nicht einfach: mehr Text. Vor allem müsste man es um andere, nicht weiße künstlerische Perspektiven auf Rassismus in Deutschland ergänzen. Das Thema Rassismus nur mit einem punkig-flapsigen Werk eines weißen Mannes anzureißen, muss zurecht als Affront empfunden werden. Es gibt genug gute Künstlerinnen und Künstler, die dazu Werke geschaffen haben, zeitgleich und später  – ein Künstler wie Marc Brandenburg zum Beispiel sogar aus deutscher Perspektive.

Einzelne Werke können und sollen provozieren. Aber Museen sind für alle da. Wenn ein Teil der Bevölkerung sich beim Museumsbesuch nicht nur ausgeschlossen fühlt, weil seine Perspektive nicht vorkommt, sondern auch noch gequält die Augen schließen muss, kann das nicht im Interesse der Institution sein. So stellt die Debatte dem Städel also die dringende Aufgabe, den Horizont zu erweitern. Die Sammlung kann daran nur wachsen.