Kunst am Bau von Susi + Ueli Berger

Hommage ans Milchgässli

Das Ehepaar Susi und Ueli Berger hat die Schweizer Designgeschichte maßgeblich geprägt. Ein neues Buch würdigt nun ihre dezent humorvollen Anti-Monumente im öffentlichen Raum

Verschüttete Milch: Es gibt schlimmere Dinge, für die man bekannt werden könnte. Vier Milchkannen aus Aluminium, mit Beton ausgegossen und im Boden versenkt, bildeten die "Hommage an das Milchgässli", 1983 auf dem Bahnhofvorplatz in Bern nach einer Idee von Ueli Berger platziert. Eine Anti-Monumentalskulptur, gerade so groß wie die Original-Kannen von einst, die ebendort ihre Besitzer wechselten und jetzt halb am Boden, teils umgekippt an eine Fußnote der Stadtgeschichte erinnerten. Ein Kunstwerk im öffentlichen Raum, dem man sich durch die Gasse streifend nähern konnte, explizit für Fußgänger und nicht für Autofahrer gemacht.

Ueli Berger (1937-2008) war Künstler und Designer, Susi Berger-Wyss (1938-2019) Grafikerin und Designerin. Als Susi + Ueli Berger waren sie viele Jahrzehnte lang eines der bekanntesten Gestalterpaare der Schweiz, das Humor, Denkanstoß oder Provokation als anderen Zwecken ebenbürtige Funktionen verstand. 2018 widmete sich eine Monografie den wunderbaren Möbeln und Kunstwerken vornehmlich im privaten Innenraum – der "Wolkenlampe", erste ihrer Art vor zahlreichen heute bekannten Nachahmern, dem konkav sowie konvex geformten und entsprechend herrlich unpraktischen "Kung-Fu-Regal", der "Keep Smiling"-Vorrichtung mit Widerhaken, die ihre Trägerin oder ihren Träger in eine zwangslächelnde, Erwin Wurm-mäßige One-Minute-Sculpture verwandelte.

Ebenbürtig produktiv waren Susi und Ueli Berger im öffentlichen Raum, insbesondere dem eidgenössischen. In den 1970er- und 80er-Jahren gehörten sie dort zu den emsigsten Vertretern einer (und Fürsprechern für die) Kunst am Bau. Nachzulesen und anzuschauen jetzt in einer zweiten großen Monografie, die beim Zürcher Verlag Park Books erscheint.

Oft tiefgehende, lustige oder querschlagende Gedanken

Auch hier verfolgten beide ihr Credo, nur eine neue Idee rechtfertige ein neues Werk – und Ideen hatten sie reichlich, wovon Skulpturen und Interventionen an öffentlichen Orten und auf Straßenkreuzungen, vor und in Schulen, Kirchengebäuden, Ausstellungshallen, an Fassaden von Unternehmen oder Ämtern, auf Kunstfestivals und im heilpädagogischen Institut. Auch an der europäischen Hochphase der Spielskulpturen in den 1970er-Jahren hatten die Schweizer einen beachtlichen Anteil.

"Susi+Ueli Berger: Kunst am Bau und im öffentlichen Raum 1968-2008" ist Werkschau und Materialsammlung, wie sich das bei dem Duo auch anbietet: Zum "Chribel", einer 16 Meter hohen Stahlrohrskulptur vor einem Unternehmensgebäude, das an die gleichlautende Kritzelei respektive eine unleserliche Unterschrift erinnern soll, machten sie sich ebenso tiefgehende, lustige oder oft genug querschlagende Gedanken wie zur farblichen Gestaltung einer Schulwand. Die Gestaltung des vorhandenen Raumes setzt dabei zunächst eine Anerkennung der Gegebenheiten voraus. Bei aller Verspieltheit war es den Bergers in der Sache ernst: Ihre Werke sind menschenfreundlich und nahbar, aber keinesfalls gefällig.

So klein ihre Arbeiten oft erscheinen, so grundsätzlich sind sie gedacht. Verpasste Chance, klingt es im Buch bis heute gültig durch, dass Kunst am Bau als Nachträglichkeit, als nettes Dekor oder gar Zudiener einer im Grunde verhunzten Stadtplanung respektive Architektur gedacht wird. Wie wenn man "ein fertig angerichtetes Essen mit einem Petersiliensträußchen zu garnieren pflegt", schrieben Susi und Ueli Berger dazu spöttisch in einem Rückblick 1984. Als seine Hommage ans Berner Milchgässli zusammen mit etlichen weiteren Werken lokaler Künstler, die er selbst seinerzeit beauftragt hatte, ab 2003 der Umgestaltung des Neuen Bahnhofvorplatzes weichen und um einige Ecken versetzt werden sollte, entschied sich Ueli Berger für die Zerstörung.