Diskussion um koloniales Erbe

Tote Aborigine-Frau wird nach 100 Jahren in Heimat zurückgebracht

Zahlreiche Museen in Deutschland setzen sich inzwischen kritisch mit ihrem kolonialen Erbe auseinander. Der Deutsche Museumsbund fordert einen besonders sensiblen Umgang mit Toten, die in der Vergangenheit in die Sammlungsbestände gelangten

In einer feierlichen Zeremonie hat das Landesmuseum Hannover die sterblichen Überreste einer vor rund 100 Jahren gestorbenen indigenen Australierin zurückgegeben. Ein deutscher Minenpächter hatte die Tote in einem Sarg aus Rindenholz ohne Erlaubnis mitgenommen und 1909 dem damaligen Provinzialmuseum übergeben. Die Rückkehr der sterblichen Überreste ihrer Vorfahren sei für die Aborigines von immenser Bedeutung, sagte die australische Botschafterin Lynette Wood am Dienstag in Hannover. Seit 25 Jahren unterstützt die australische Regierung solche Rückführungen aus internationalen Sammlungen. 1475 Tote wurden bereits in ihre Heimat zurückgebracht, davon 52 aus Deutschland.

Die Nachfahren der Frau hatten für ihre Rückkehr nach Queensland ein Tuch mit Handabdrücken und Botschaften gestaltet. "Heute gehst du nach Hause, deine ganze Familie wird auf dich aufpassen", wandte sich der Repräsentant der Lama Familiengruppe, Jean-Christophe Verstraete, während der Zeremonie an die Tote. Eine anthropologische Untersuchung hatte ergeben, aus welcher Gemeinschaft die im Alter von 16 bis 21 Jahren gestorbene Frau stammte. Familienmitglieder erklärten in einer Video-Botschaft ihre Bestattungsriten, die Jahre dauern und in diesem Fall gewaltsam unterbrochen wurden. Die Frau stammte aus der Gegend nahe Cape York in Queensland im Nordosten des Kontinents.

In Deutschland beschäftigen sich immer mehr ethnologische Museen und Sammlungen mit ihrem kolonialen Erbe. Es gab schon Rückführungen in verschiedene Länder. Erst am Montag hatte Sachsen erstmals menschliche Gebeine aus einer Museumssammlung an Vertreter der Herkunftsländer übergeben. Es handelte sich um menschliche Überreste, die aus Bestattungshöhlen in Hawaii geraubt wurden und um 1900 in das Museum für Völkerkunde Dresden gelangt waren. Das Bremer Übersee-Museum hatte im Mai über hundert Jahre alte menschliche Überreste der Maori und Moriori an Neuseeland zurückgegeben.

Der Deutsche Museumsbund hatte 2013 Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen formuliert.

Das Landesmuseum Hannover habe Namibia einen ähnlichen Prozess wie im Fall der Australierin angeboten, sagte Museumschefin Katja Lembke. In der Sammlung befindet sich auch das Skelett eines Namibianers oder einer Namibianerin. Ein Anthropologe müsste prüfen, ob die Person zur Gruppe der Nama oder Herero gehöre und was mit ihr passiert sei, sagte Lembke. Während der deutschen Kolonialzeit hatten deutsche Soldaten den Widerstand der Herero und Nama brutal niedergeschlagen, 2015 nannte auch die Bundesregierung diese Massaker erstmals einen Völkermord.