Andres Serrano zur US-Wahl

"Trump hat mehr Tricks auf Lager als Houdini"

Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Michigan
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Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Michigan

Andres Serrano ist einer der wenigen US-Künstler, die ambivalente Kunst über Donald Trump gemacht haben. Hier blickt er auf die vergangenen vier Jahre zurück und beschreibt, was bei der Wahl am 3. November auf dem Spiel steht

Andres Serrano kennt sich mit dem Ärgern von Politikern aus. Ende der 80er-Jahren erzürnte der Künstler das christlich-konservative Amerika unter anderem mit seiner Arbeit "Piss Christ", für die er ein Kruzifix in Urin versenkte. Nach der Wahl Donald Trumps 2016 war der gebürtige New Yorker jedoch auch einer wenigen Künstler, der dem Präsidenten-Phänomen auf den Grund gehen wollte, ohne ihn zu dämonisieren. 2019 zeigte er die Ausstellung "All Things Trump", in der auf Ebay ersteigerte Objekte aus dem Trump-Kosmos ausstellte. Darunter waren Krawatten, das Unternehmer-Parfum "Success", Dekoration aus Trumps bankrottem Casino und ein Hochzeitstörtchen von 2005. "Die Kunstwelt hat riesige Angst vor Trump", sagte der Künstler 2019. Kurz vor der nächsten Wahl haben wir Andres Serrano gefragt, welche Bilanz der vergangenen vier Jahre er zieht und was jetzt für die USA auf dem Spiel steht: 

"Was würde Trumps Wiederwahl für die Kunstwelt bedeuten? Es ist noch nicht mal klar, was die ersten vier Jahre Trump für die Kunstwelt bedeutet haben. Künstler waren aufgebracht, aber viele Leute haben Geld verdient, darunter auch Sammler, die Kunst gekauft haben. Die Auktionshäuser haben tonnenweise Werke zu Rekordpreisen verkauft, das heißt, das irgendjemand eine gute Zeit gehabt haben muss. Ein großer Teil dieser Erlöse kam von Leuten, die diese Art von großem Geld verdient haben. Ich wäre nicht überrascht, wenn viele Firmen und Individuen, die riesige Steuerrerleichterungen bekommen haben, ihr Geld in teure Kunst gesteckt haben. Wo könnte man seine neuen Reichtümer besser investieren? 

Wäre Biden besser? Kommt drauf an, mit wem man spricht. Er wäre besser für die Leute, die Trump hassen - und das, was er getan hat. Aber niemand ist perfekt. Auch Obama hat Deals abgeschlossen und Kompromisse geschlossen und Biden wird zweifellos dasselbe tun. Ein Land ist aus so vielen Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen und Interessen gemacht. Man kann nicht allen gefallen. 

Trump hat in den vergangenen vier Jahren wahrscheinlich gelernt, dass ein Land und eine Regierung zu führen nicht dasselbe ist, wie ein Unternehmen zu leiten. Aber er hat trotzdem versucht, genauso zu regieren wie er es gewohnt war, indem er die Leute, die für ihn arbeiten, handverlesen hat. Er hat einen ziemlich guten Job gemacht, wenn es darum ging, Topposten mit loyalen Anhängern zu besetzen. Er hat auch verstanden, wie er Social Media und die Hilfe ausländischer Akteure immer besser ausspielen kann. 

Was in den USA in den vergangenen vier Jahren geschehen ist, ist überraschend, aber nicht so sehr, wenn man sich an Nazi-Deutschland und das faschistische Italien erinnern. Es ist eher überraschend, dass wir dachten, dass so etwas in Amerika nicht möglich sein könnte. Es ist noch nicht dasselbe, aber eine mildere Version davon. 

Das System des "Electoral College" mit seinen Wahlleuten ist mangelhaft. Die Idee, dass ein Bundesstaat mit einer kleinen Bevölkerung genausoviel oder sogar mehr Gewicht haben kann als ein Staat mit einer wesentlich größeren Bevölkerung, ergibt keinen Sinn. Eine Menge Leute, die Regierungen, Imperien, Dynastien und Königreiche geführt haben, waren der Meinung, dass es besser ist, die Leute nicht selbst denken zu lassen.

Mein Tipp ist Biden, aber ich würde kein Geld auf ihn setzen. Donald Trump sollte man nicht unterschätzen - er hat mehr Tricks auf Lager als der Magier Houdini. 

Das Wichtigste wäre jetzt, das rückgängig zu machen, was angerichtet wurde, aber natürlich hängt das davon ab, wer der nächste Präsident ist. Wer immer es ist, wir müssen die Corona-Pandemie schnell in den Griff bekommen, damit wir mit unserem Leben weitermachen können. Das nächste ist, die Wirtschaft wieder aufzubauen, was mehrere Jahre dauern könnte. Und wenn ich das sage, meine ich nicht: Macht die Reichen reicher. Nur weil es an der Börse aufwärts geht, heißt das nicht, dass Amerikaner Jobs oder Geld haben, das sie ausgeben können. Die letzte Sache wäre, den Hass und den Rassismus in den USA loszuwerden - und das wird nie passieren!"