"Club Zero" im Kino

Wenn die Letzte Generation achtsam wird

Der neue Film von Jessica Hausner seziert woke Elite-Eleven im Hungerstreik und holt satirisch zu einem gesellschaftlichen Rundumschlag aus, an dessen Ende die Rezepte gegen eine ungewisse Zukunft erschauern lassen

Spielfilme über Elite-Internate sind schon fast ein eigenes Genre, von "Picknick am Valentinstag" über "Club der toten Dichter" bis zu "Harry Potter". "Club Zero" schließt sich da nahtlos an, zumal die Handlung in Großbritannien spielt, dem Land, das die auf Klassenunterschiede setzende Internatskultur so verbissen verteidigt wie kein anderes. Schon das Schulgebäude signalisiert Sinn für Distinktion: Sichtbeton, Ziegel- und Holzelemente, gefüllt mit 60er-Jahre-Designmöbeln. Um diese perfekt sitzende Kulisse zu bekommen, hat man im St. Catherine's College gedreht, das der dänische Architekt Arne Jacobsen entworfen hat.

Hier gönnt man den Sprösslingen betuchter Familien nicht nur Lektionen in Mandarin, sondern sogar eine Ernährungsberaterin. "Bewusste Ernährung" steht auf dem Lehrplan von Miss Novak. Es gehe auch um Meditation und um die Autophagie, predigt der engagierte Schul-Guru am Anfang, um jenen Zellreinigungsprozess, der beim Fasten einsetze. Gesundheitsfanatiker und politische Aktivisten treffen in ihrem Unterricht auf Konkurrenzgestresste, die sich einen geringen Aufwand für stipendiumrelevante Punkte versprechen. Was harmlos beginnt, wächst sich allmählich zu einer Widerstandsgruppe gegen Konsum und die profitorientierte Lebensmittelindustrie aus.

Erst propagiert Miss Novak ihren eigenen Fastentee. Dann manipuliert sie ihre Schüler und Schülerinnen mit Ernährungsimperativen und vermittelt ihnen das Bewusstsein einer elitären Revolutionszelle. Wer jetzt an das aktuelle Treiben an den Elite-Universitäten in den USA und Europa denkt, liegt richtig, denn wie Gruppendynamik in sektiererischen Gruppenzwang umkippt, lässt sich hier trefflich studieren.

Im Besitz einer absoluten Lehre

Die Sorge um Nachhaltigkeit und Klima befriedigt irgendwann nicht mehr die jugendlich aufgewühlten Gemüter. Man radikalisiert sich vom "achtsamen Essen" zum Körperhass, denn auf Nahrung müsste doch eigentlich verzichtet werden, wenn der Leib durch Disziplin überhöht werden kann? Miss Novak macht es vor, sie hört auf zu essen. Wenn man einfach glaube, sagt sie, brauche man keine wissenschaftlichen Beweise. Das Ergebnis dieser auch in der Politik spätestens seit Trump und Putin reaktivierten Gehirnwäsche ist die Gründung eines "Club Zero", dessen Mitglieder in der Mensa das Essen verweigern, oder in eine kollektive Bulimie verfallen. So fühlen sie sich als Auserwählte, die die Wahrheit erkannt haben, vor der die Mehrheit die Augen verschließt.

Der Besitz einer absoluten Lehre, die man vehement verteidigt, stärkt das Gruppengefühl: Der Mensch kann ohne Essen funktionieren, so der Tenor der Erleuchteten, da dieses nur eine Doktrin der Mehrheit ist. Alle, die dem Übel abschwören, werden die Welt beherrschen, wenn alle anderen untergehen. Wie dieser harte Kern entstehen konnte, erfährt man bei Ausflügen in die auf höchstem Niveau "verwahrlosten" Familienverhältnisse.

Nicht wenige der desinteressierten Eltern glauben ihren Erziehungsbeitrag mit den exorbitanten Gebühren abgeleistet zu haben und frönen in Afrika ihren eigenen humanitären Projekten. Bis sich das Ausmaß der Indoktrination auch am häuslichen Esstisch zeigt und die widerspenstigen Kinderrebellen beim Abendbrot den Aufstand üben. Die Väter fallen dann plötzlich in autoritäre Anachronismen zurück, während sich die Mütter solidarisch zeigen, indem sie ihre eigenen Essstörungen bekannt machen.

 Satire auf unsere enthemmte Leistungsgesellschaft

Nur eine alleinerziehende, weniger wohlhabende Mutter aus der Arbeiterklasse durchschaut den pädagogischen Machtmissbrauch von Miss Novak und geht gegen sie vor. Vergeblich, denn inzwischen trinkt selbst die Schuldirektorin ihren Fastentee, wenn auch mit übermäßig viel Zucker. Die österreichische Regisseurin Jessica Hausner gelingt dank der konsequent ins Absurde abdriftenden Inszenierung eine wunderbar spitze Satire auf unsere enthemmte Leistungsgesellschaft.

Wer es sich leisten kann, schiebt den Nachwuchs ab in die Obhut von schlecht bezahlten Lehrern, die mit der Verantwortung überfordert sind und ihre eigenen Überlebensstrategien entwickeln, oder gleich zu den alten Rezepten einer schwarzen Pädagogik zurückkehren, die dieser "Letzten Generation" nahelegen, auf die Desorientierung mit Selbstzerstörung zu reagieren.

Das hochaktuelle Drama packt Hausner in strenge Einstellungen ein, flankiert von Bildern in satten Farben und einem atonal thrillerwürdigen Soundtrack. Wie geht man mit Menschen um, die es vorziehen, an alternative Fakten zu glauben? Hausner tut es mit Distanz und eiskalter Analyse. Das gefällt nicht jedem, zumal sie kein Pardon kennt. Missionarische Lehrer kriegen ebenso ihr Fett ab wie wegschauende Opportunisten. Niemand ist integer, die Gesellschaft zum Frösteln lebensfeindlich – ein typisch österreichischer Rundumschlag und eine Moralgroteske, die nicht nur den Appetit vermiest, sondern auch die Hoffnung auf eine Menschheit, die den Stopp-Knopf zu finden vermag.