Der Bau war ein Triumph, der Fall eine Tragödie: Wo einst die weltberühmten Zwillingstürme des World Trade Centers standen, sind heute zwei quadratische Wasserbecken in den Boden von Manhattan eingelassen. An den Rändern stehen die rund 3000 Namen der Menschen, die bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 ums Leben kamen. Die Zwillingstürme, eröffnet am 4. April vor genau einem halben Jahrhundert, und insbesondere ihr dramatisches Einstürzen nach einem der tödlichsten Terrorakte der Geschichte haben sich tief in das kollektive Gedächtnis der Menschheit eingeprägt.
Bis heute sind die Türme im Stadtbild New Yorks allgegenwärtig - nicht an alter Stelle natürlich, sondern als Foto oder gemalt auf Hauswänden, Taxis, Bauhelmen, T-Shirts, Aufklebern oder Fahnen. Und immer verbunden mit dem Gedenken an die Opfer. Das World Trade Center ist für viele New Yorker zum Trauma geworden, und das hat sie nie verlassen - obwohl es nur 28 Jahre lang stand und vor nun schon mehr als 20 Jahren zerstört wurde.
Ursprünglich sollte das "WTC" das Bankenviertel im Süden Manhattans aufpolieren. Midtown, die Gegend um Empire State Building, Times Square und Grand Central, hatte dem Süden der Insel den Rang abgelaufen. Der Nachbarbundesstaat New Jersey kam als Partner dazu. Als Architekt wurde Minoru Yamasaki (1912-1986) ausgesucht.
Ein Gebäude mit eigener Postleitzahl
80 Stockwerke wollte der US-Amerikaner bauen. Höhenangst wurde dem Architekten nachgesagt - und überhaupt sei das Unten der Gebäude viel wichtiger als das Oben, sagte Yamasaki einmal in einem Interview. "Ich hatte schon lange das Gefühl, dass es in Manhattan gar nicht so wichtig ist, wie hoch man geht - was den Menschen, die die Gebäude benutzen, wirklich wichtig ist, ist das Ausmaß am oder in der Nähe des Bodens."
Die Hafenbehörde von New York und New Jersey aber wollte 110 Stockwerke. Also dachte sich Yamasaki für sein schmuckloses Gebäude mit einem Grundriss von je einem Quadrat von 63 Metern Kantenlänge ein komplexes und platzsparendes Aufzugsystem aus. Bei der Fertigstellung war das World Trade Center das höchste Gebäude der Welt. Die Blicke vom rund 400 Meter hohen Restaurant im Nordturm und dem Aussichtsdeck auf dem Südturm waren atemberaubend. Rund 50.000 Menschen arbeiteten in dem Gebäude, das eine eigene Postleitzahl hatte. Hinzu kamen rund 200.000 Touristen täglich.
Aber es gab auch viel Kritik. Dass die Türme die Preise in der Gegend in die Höhe treiben würden zum Beispiel - und dass es in New York doch längst ausreichend Bürofläche gebe. Trotzdem wurden noch mehrere weitere große Gebäude zu dem Komplex dazugebaut - die meisten davon stürzten bei den Anschlägen 2001 ebenfalls ein.
"Warum sollte es einfach sein, wir sind hier in New York"
Die Zwillingstürme standen als Symbol von Freiheit und Marktwirtschaft - es waren ereignisreiche 28 Jahre: Stuntmen kletterten an der Fassade hoch. Der französische Hochseilartist Philippe Petit spazierte von einem zum anderen Turm in 400 Metern Höhe. Banditen klauten Millionen aus der Bank im elften Stock. Und schon 1993 gab es einen ersten Terroranschlag, der sechs Menschen das Leben kostete.
Heute ist das Viertel einerseits eine Gedenkstätte für die Opfer der Terroranschläge - mit den Wasserbecken, einer Art Park drumherum und dem 2014 eröffneten 9/11-Museum. Drumherum ist vieles wieder aufgebaut oder neu gebaut worden, teilweise mit enormen Verzögerungen, Kostenexplosionen und sehr viel Streit - vor allem zwischen Architekt Daniel Libeskind und den Bauherrn um Änderungen an seinem 2003 ausgewählten Masterplan für den Neubau des World Trade Centers. "Es war nie einfach, warum sollte es einfach sein, wir sind hier in New York", kommentierte der mit dem Jüdischen Museum in Berlin bekannt gewordene Architekt einmal.
Inzwischen aber steht das früher als "Freedom Tower" bekannte "One World Trade Center" - das mit 541 Metern höchste Haus der USA, inklusive Panorama-Aussichtsdeck - und der spektakuläre "Oculus"-Bahnhof des spanischen Architekten Santiago Calatrava nebenan. Ende 2022 nahm eine beim Einsturz der Zwillingstürme zerstörte griechisch-orthodoxe Kirche neu aufgebaut ihren Betrieb wieder auf - und Ende 2023 soll ein Kulturzentrum folgen, das "Künstler mit Publikum und New York mit der Welt" verbinden will, wie es auf der Webseite heißt: "Wir feiern die Macht der Kunst, uns zu inspirieren und zu vereinen."