Streaming-Tipps

7 Kunst-Filme, die Sie jetzt sehen sollten

Unsere Film-Tipps fürs Wochenende gehen auf Zeitreise: In die glamourösen 80er-Jahre, ins Jugendstil-Wien und in die Gefühlswelt einer Schülerin im 19. Jahrhundert


Dorian Gray in den 80er-Jahren

Ulrike Ottingers Filme sind lang, ihre narrativen Stränge lose, ihre Bilder gewaltig und ihre Protagonistinnen gnadenlos stark. "Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse" versetzt Oscar Wildes berühmten Roman in die Medienwelt der 80er-Jahre: Die Leiterin eines Medienimperiums verfolgt den Plan, einen jungen Dandy zur Medienikone zu stilisieren und anschließend zu Grunde zu richten. Die Hauptrolle des Dorian Gray im Nadelstreifen-Zweiteiler übernimmt Supermodel Veruschka von Lehndorff, in einer Nebenrolle ist die kürzlich verstorbene Ikone der feministischen Avantgarde Tabea Blumenschein zu sehen. Der Film ist ab Freitag, 20:00 auf der Website des Berliner Kinos Arsenal zu sehen, das online eine wöchentlich wechselnde Auswahl an Kurz- und Spielfilmen zeigt. 

"Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse", Arsenal, bis 24. April


Videokunst auf dem Sofa

Genügend Material, um sich einen ganzen Tag lang beschäftigt zu halten, liefert die Julia Stoschek Collection. Über 50 Arbeiten sind seit vergangener Woche auf der Webseite der Medienkunst-Sammlung zu sehen. Die Auswahl reicht von Barbara Hammers querfeministischer Meilenstein "X" bis hin zu Jon Rafmans "Betamale Trilogy", in denen sich der kanadische Künstler mit von toxischer Männlichkeit geprägten Online-Subkulturen auseinandersetzt. Mit Werken von Künstlerinnen und Künstlern wie Monica Bonvicini, Cao Fei, Jen Denike, Kate Gilmore, Wolfgang Tillmanns und Tobias Zielony wird das Wohnzimmer zur Ausstellungsfläche. 

Mediathek der Julia Stoschek Collection


Mit Romy Schneider am Meer

Eigentlich kann eine Schauspielerin nur verlieren, wenn sie in die Rolle einer legendären Kollegin schlüpft. Marie Bäumer verkörpert Romy Schneider in "3 Tage in Quiberon"  – und überzeugt in Emily Atefs Drama, das hinter die Kulissen des Starbetriebs blickt. Die deutsch-französisch-iranische Regisseurin erzählt eine wahre Geschichte, die sich 1981 an der französischen Küste ereignet hat.

Romy Schneider, seelisch angeschlagen, hat sich zur Erholung in ein Kurhotel in der Bretagne begeben. An ihre Diät hält sie sich halbherzig, sie trinkt und raucht zu viel, wie Romys langjährige Freundin Hilde Fritsch (Birgit Minichmayr) findet, die ihr Gesellschaft leistet. Außerdem reisen "Stern"-Reporter Michael Jürgs (Robert Gwisdek) und Fotograf Robert Lebeck (Charly Hübner) an: Schneider hat üble Erfahrungen mit der deutschen Presse gemacht, will Jürgs aber trotzdem ein Interview geben. Ihr Vertrauensverhältnis zu Lebeck, der die Interviewtage fotografisch begleitet, mag den Ausschlag gegeben haben.

"3 Tage ..." ist nicht zuletzt ein Film über einen Journalisten und sein Opfer, wobei es Schneider (1938-1982) zeitweilig gelingt, den Spieß umzudrehen, indem sie den übergriffigen Jürgs ihrerseits mit Fragen bombardiert. Irgendwann lässt sie sich gehen, gibt ihren Selbstschutz preis, was ihr Interviewer skrupellos ausnutzt. Am Ende bricht die Schauspielerin entkräftet zusammen. Aber das Interview ist im Kasten. Die schönste Szene spielt auf einem Felsen am Meer. Es ist, als ob Romy und Fotograf Robert miteinander tanzen würden, der Star ohne Allüren mit dem väterlichen Freund und Mann mit der Kamera. Wind und Sonne umschmeicheln das Paar. Lebecks Bilder von 1981 existieren wirklich, und dank Atefs Film versteht man, warum die Fotos so wahrhaftig wirken.

"3 Tage in Quiberon", auf Arte bis 21. April


"Olivia": Ist unerfüllte Liebe besser als keine?

Die im November von der BBC veröffentlichten "100 greatest Films directed by women" ließen den Namen einer französischen Regisseurin schmerzlich vermissen: Jacqueline Audry. Nun ist "Olivia" (1951), einer ihrer zu unrecht vergessenen Filme, frisch restauriert und in der Arte-Mediathek zugänglich gemacht worden: Ein außergewöhnliches Werk, dem ein Spitzenplatz in der Filmgeschichte gebührt.

"Olivia" spielt irgendwann im 19. Jahrhundert in einem ländlich gelegenen Internat in Frankreich. Das Coming-of-Age-Drama um eine 16-Jährige, die sich unsterblich in ihre Lehrerin verliebt, erinnert an "Mädchen in Uniform" (1931, 1958 mit Romy Schneider neu verfilmt), aber das Ambiente könnte unterschiedlicher nicht sein. Der Klassiker des Weimarer Kinos (immerhin die Regisseurin Leontine Sagan fand im BBC-Ranking eine Würdigung) zeigt den Drill einer preußischen Lehranstalt, während im französischen Pensionat Les Avons eine fast rokokohafte Sinnlichkeit herrscht – ein Elysium, in dem heteronormative Regeln außer Kraft gesetzt scheinen.

Bald nach ihrer Ankunft lernt die aus England angereiste Olivia (Marie-Claire Olivia), dass die Schülerinnen entweder die schöne und kränkliche Mademoiselle Cara (Simone Simon) anhimmeln oder deren reifere Kollegin Mademoiselle Julie (Edwige Feuillère). Besonders Julie hält Hof wie eine Königin, etwa, wenn sie mit ihren Schülerinnen Racine-Lesungen abhält. Ein Wettbewerb um die Novizin bahnt sich an, bei dem die launische, ihre angeblichen Krankheiten und Allergien pflegende Cara unterliegt. Offenbar waren Julie und Cara ein Liebespaar; nun muss Cara eifersüchtig mitansehen, wie Olivia von der charismatischen Julie gefesselt wird.

Es ist ein Paradies, in dem sich immer wieder Abgründe auftun, wenn der Gefühlsüberschwang mit den Realitäten konfrontiert wird, über die Audry nicht hinweg inszeniert. Meisterhaft hält die Regisseurin zwischen Realismus und Künstlichkeit die Waage. Für bodenständigen Humor sorgen eine notorisch hungrige Mathematiklehrerin und die lebenskluge Köchin des Pensionats, Victoire (Yvonne de Bray). Les Avons wirkt wie der Schauplatz eines kollektiv geträumten Traums, der sich der Kontrolle der handelnden Personen entzieht. Mademoiselle Julie selbst – auch dank der grandiosen Edwige Feuillère avanciert sie zur eigentlichen Hauptfigur – scheint zwischen Begehren und Vernunft hin- und hergerissen.

Julies und Caras Ringen um die begehrte Schülerin mündet in der Katastrophe, aber Jacqueline Audry lässt das Fatale nie Oberhand gewinnen. Sie interessiert sich primär für die Leidenschaften, weniger für deren Konsequenzen. Am Ende verlässt Olivia, ernüchtert, aber nicht zerschmettert, das Internat in einer Kutsche, chauffiert von der Köchin. "Du wirst mit Freude an uns zurückdenken", weiß die alte Victoire. Als siegte die Liebe immer, auch die unerfüllte.

"Olivia", Arte Mediathek, bis 7. Juli

 



Erinnerungen an Egon Schiele

Der österreichische Maler Egon Schiele starb mit nur 28 Jahren während einer Pandemie. 1918 erlag er, genau wie seine schwangere Frau Edith, der weltweit grassierenden Spanischen Grippe. Das ist aber nicht der einzige Grund, sich heute an den einstigen Star der Wiener Kunstwelt im frühen 20. Jahrhundert zu erinnern. Schieles expressive, verzerrte Körper polarisieren und verstören noch heute. Gleichzeitig scheinen sie vor Lust und Neugier aus den Rahmen steigen zu wollen. All diese Elemente lassen sich auch im kurzen Leben des Egon Schiele wiederfinden. Diese Dokumentation zeichnet seinen künstlerischen Aufstieg nach und fragt, warum er auch heute noch zu den verehrtesten - und teuersten - europäischen Malern zählt.

"Egon Schiele", Arte Mediathek, bis 11. Mai

Szene aus "Egon Schiele"
Foto: ARD/Arte

Szene aus "Egon Schiele"


Raritäten aus der Cinémathèque française

Ein bisschen Französisch zu können, hilft sicherlich, aber selbst ohne elaborierte Sprachkenntnisse, macht es Spaß, sich durch den Fundus der physisch geschlossenen Cinémathèque française zu klicken. Diese macht nun wechselnde Schätze aus ihrem Archiv online zugänglich. Dabei sind animierte Kurzfilme genau wie Stummfilm-Klassiker. Außerdem gibt es eine riesige Sammlung an Interviews mit Regisseuren und Schauspielern, die übers Filmemachen sprechen.

Online-Plattform "HENRI", Cinémathèque française


Wim Wenders' Schuld-Epos

Alles wird gut. Das ist schwer zu glauben, wenn nach zehn Minuten des Wim-Wenders-Films "Every Thing Will Be Fine" etwas furchtbar Schlimmes unglaublich leise, beinah unspürbar, passiert und doch das Leben von mindestens vier Personen für immer verändert. Tomas (James Franco), Autor und in einer Beziehungskrise mit seiner Freundin Sara (Rachel McAdams), tötet bei einem Unfall den kleinen Sohn von Kate (Charlotte Gainsbourg). 

Er versucht auf allen ihm möglichen Wegen, seinen Schuldgefühlen zu entkommen, rettet sich ins Schreiben, beginnt nach der Trennung von Sara eine neue Beziehung mit Ann und ihrer Tochter Mina, und auch Kate hilft ihm auf der Suche nach Vergebung. Obwohl sie ihm verzeiht, kann er es selber nicht. Und auch trotz großer Erfolge als Autor, holt Tomas die Nacht des Unfalls immer wieder ein. Christopher, der Bruder des verstorbenen Kindes, beschließt schließlich mit 17 Jahren, den Mann, der ihm damals sein Geschwisterchen nahm, aufzusuchen und so sich selbst und ihn mit dem Geschehenen erneut zu konfrontieren. 

"Every Thing will be fine", Arte Mediathek, bis 18. April