Kunstmesse

7 Stände, die Sie auf der Art Düsseldorf nicht verpassen sollten

Zweieinhalb Jahre musste die Kunstmesse Art Düsseldorf wegen der Pandemie aussetzen. Nun zeigen bis Sonntag mehr als 80 Galerien im Areal Böhler moderne und zeitgenössische Kunst. Hier unsere Highlights


Galerie Krinzinger

Die Art Düsseldorf hat auf dem Areal Böhler zwei großzügige, eindrucksvolle Ausstellungshallen: Wenn man den Blick über die weißen Wände der Messekojen nach oben schweifen lässt, sieht man die Gestänge der Industriearchitektur, endlose Oberlichter und hin und wieder eine Taube, die sich verflogen hat. Es sind dabei sehr gepflegte Düsseldorfer Tauben. Und vor dem Hintergrund des roughen Charmes stehen experimentelle Interventionen genauso gut da, wie zum Beispiel eine kunstvoll aseptische Leuchtkasten-Fotografie von Marina Abramovic bei der Galerie Krinzinger. Schon von weitem strahlt die Künstlerin heilandsgleich mit ikonisch angewinkelten Armen, vor ihr aufgebahrt liegt der scheinbar leblose Körper einer nackten jungen Frau, auf deren Bauch liegen verschiedene klinisch aussehende Organe. "Miracle 2" von 2018 ist wie ein Willkommen der Gemeinde der Kunst, wo mit allen künstlerischen Mitteln versucht wird, hinter die Geheimnisse des Seins zu kommen.

Marina Abramovic und andere, Galerie Krinzinger, Stand E05


Max Goelitz

Der Künstler Haroon Mirza, ausgezeichnet mit dem Silbernen Löwen von Venedig, beschäftigt sich mit archaischen Formen und Materialien und zieht dabei Verbindungen zur elektronischen Musikkultur. Daraus ergeben sich immer wieder schöne Werke, die etwas Science-Fiction in die Kunst bringen, ohne albern zu sein. Beim Münchner Galeristen Max Goelitz stehen zwei Monolithen aus schwarzem Marmor, die stellenweise geschliffen oder mit der Fräse bearbeitet sind, in den größeren von beiden ist ein Solarpanel eingelassen. Unsichtbar eingebaut sind Soundquellen und Lichtelektronik, die mit der Solarenergie versorgt werden. Ein angenehmer Fremdkörper, der Signale aus einer gar nicht so weit entfernten Galaxie funkt und im Innenraum fast noch schöner irritiert als im Freien, wo er auch funktionieren würde.

Haroon Mirza, Galerie Max Goelitz, Stand A08

 

Guido W. Baudach

Thomas Zipp "Blind Spot Detecting Unit (Pressure from the Direction of the Fourth Dimension), 2021
Foto: Roman März, Courtesy the artist & Galerie Guido W. Baudach, Berlin

Thomas Zipp "Blind Spot Detecting Unit (Pressure from the Direction of the Fourth Dimension), 2021

Von den Messeständen, die nur eine Künstlerin oder einen Künstler präsentieren, ist der von Guido Baudach der eindrucksvollste. Obwohl die Architektur sehr offen ist, hat Thomas Zipp es wieder einmal geschafft, einen hermetischen Raum zu erzeugen. Die Wände sind düster tapeziert mit einem Theater-Dialog, es stehen perfekt platziert zwei stilisierte Gummibäume aus lackiertem Stahl da, um an eine beklemmende halböffentliche Wartesituation zu erinnern, und die neuen Zipp-Gemälde sind wie gewohnt durchzuckt von Strahlen und Dreiecksornamenten, die den Bildraum kosmisch öffnen und zugleich einengen. Auf der Stirn von drei abstrakt Porträtierten stehen jeweils A, B oder C, aber natürlich nicht in dieser alphabetischen Reihenfolge, denn der Professor hinter dieser Anordnung hat seine eigenen Kategorien.

Thomas Zipp, Galerie Guido Baudach, F07



Dittrich & Schlechtriem

Was andere Messen nicht zulassen, ist in Düsseldorf möglich: Künstlerinnen und Künstler zu zeigen, die nicht im eigenen Galerienprogramm stehen. Die Berliner Galerie Dittrich & Schlechtriem hat ihren Künstler Jonas Wendelin eingeladen, eine Gruppenausstellung zu kuratieren, und der hat einen spannenden kleinen Parcours von Albrecht Dürer (zu verkaufen, 25.000 Euro) über Goya bis zu den interessanten Arbeiten von Yalda Afsah entschieden. Seine eigenen leichten Skulpturen schweben über dem Ganzen. Wer sie in Düsseldorf nicht sehen kann, hat Gelegenheit, diese sehenswerte Schau auf und nach dem Gallery Weekend in der Galerie in Berlin zu besuchen.

Dittrich+Schlechtriem, Gruppenausstellung von Jonas Wendelin, G02



KOW

Der pinke Fellbikini und die schlanke Taille mit dem Lacoste-Tattoo fallen ziemlich auf am Stand von KOW. Anna Ehrenstein, eine junge Fotokünstlerin mit albanischen Wurzeln, beschäftigt sich in ihrer Fotoserie "Tales of Lipstick and Virtue" mit der Hyperfeminität zum Beispiel bei jungen Frauen in Albanien. Ist die Betonung der eigenen Figur, auffällige Haare oder Make-up weibliche Selbstermächtigung oder doch nur die fügsame Erwiderung des männlichen Blicks? Und wo interferieren feministische Fragen mit denen von Klassismus und Rassismus? Albanien, erzählt Ehrenstein, sei wegen seines Hafens die Schleuse von gefälschter Markenware in den Westen. Eine ihrer Arbeiten zeigt einen Kuchen, glasiert mit dem Burberry-Muster – dem am meisten kopierten Muster der Welt. Sie trägt den sprechenden Titel "Ein Stück vom Kuchen".

Anna Ehrenstein, Galerie KOW G07



Anita Beckers

Anton Corbijn Porträt von Dave Gahan

Anton Corbijn Porträt von Dave Gahan

Eva Herzigová, Donatella Versace, Dave Gahan – sie sind Persönlichkeiten aus dem glamourösen Popkultur-Kosmos, aber zumindest bei Versace und Gahan ist der Glamour dabei auch schon ein wenig gebrochen. Der niederländische Fotograf Anton Corbijn, der auch preisgekrönte Musikvideos dreht, wendet seine grobkörnige Schwarzweiß-Ästhetik auf alle an, die ihn interessieren. Seine Art zu fotografieren wirkt dokumentarisch und künstlerisch, aber das Schöne an Corbijns Porträts ist, dass sie einen Anspruch auf ewige Gültigkeit einlösen. Und zugleich an den heute extrem unschuldig wirkenden Optimismus und Hedonismus der 1990er-Jahre erinnern.

Galerie Anita Beckers, Anton Corbijn, B01

 

Societé

Trisha Baga "FEEDBACK", 2022, Öl auf Leinwand, 183 x 156 x 4 cm
Foto: Courtesy die Künstlerin und Galerie Société Berlin

Trisha Baga "FEEDBACK", 2022, Öl auf Leinwand, 183 x 156 x 4 cm

Bunny Rogers steuert für ihre Galerie Société eine der ulkigsten Skulpturen der Messe bei: ein digitales Tier. Der kugelrunde Körper, der auf einem Bein auf Zehenspitzen ziemlich fragil auf seinem Sockel steht, erinnert an einen übergewichtigen Amor oder eine geflügelte Abrissbirne aus einem Jump-and-Run-Spiel. Bunny Rogers findet für ihre immer jungen Themen von Verletzlichkeit, Depression, Popkultur und Trost stets neue Formen, am liebsten knapp an der Marktförmigkeit vorbei. Den Vogel schoss aber eine weitere Künstlerin der Galerie, Trisha Baga, ab. Nicht nur macht sie großartige kleine Gemälde von Tieren bei Nacht. Das mit 25.000 Euro ausgestattete Ankaufskomitee der Freunde des Kunstpalastes und der Art Düsseldorf setzte alles auf sie und kaufte ein großformatiges Baga-Gemälde, das einen Kopf mit langen roten Locken von hinten zeigt. Titel: "Feedback".

Bunny Rogers, Trisha Baga, Societé, G05