Galerien spielen Kunstmesse

Basel liegt dieses Jahr auch in Berlin

Blick in die Berliner Galerie Carlier Gebauer
Foto: Trevor Good, courtesy Carlier Gebauer

Blick in die Berliner Galerie Carlier Gebauer

Trotz der Absage der physischen Art Basel gibt es Kunst auch offline zu sehen. "Basel by Berlin" bringt die Messe in Berliner Galerien

Eigentlich wären sie gerade alle gar nicht da, die Galerist*innen der 31 Galerien, die sich erst vor knapp zwei Wochen unter dem Namen "Basel by Berlin" zusammengeschlossen haben. In einer Welt ohne Covid-19 würde gerade die Art Basel laufen, samt viel zu kurzer Nächte und bienenkorbartigem Treiben tagsüber. In unserer neuen Realität geht es gemächlicher zu, Online Viewing Rooms sollen den Ausfall der physischen Messe ersetzen – und können eine analoge Ergänzung gut gebrauchen. Das ist jedenfalls die Idee von "Basel by Berlin", die beteiligten Galerien haben in ihren eigenen Räumlichkeiten die Kunst aufgebaut, die sie so oder ähnlich auf der Messe hatten zeigen wollen.

Zurückzuführen ist sie auf die Initiative der Galerien ChertLüdde, Carlier Gebauer und Mehdi Chouakri, trifft aber etwas, was schon länger in der Luft lag, nämlich die Erkenntnis, dass Kunst und auch Kunstmarkt im luftleeren Raum des World Wide Webs doch nicht so richtig zu vermitteln ist. Offiziell lud "Basel by Berlin" am Mittwoch und Donnerstag ein, viele Galerien haben die Dauer aber ausgedehnt. Bei Carlier Gebauer und einigen weiteren bleiben die Arbeiten für die ganze Dauer der Online-Messe installiert oder zumindest über das Wochenende hinweg. Es hätten sich tatsächlich Sammler*innen aus anderen Teilen Deutschlands und Belgiens angemeldet, erzählt Marie-Blanche Carlier. Der Termin ist attraktiv, am Sonntag folgt die zweite Ausgabe der Index-Galerien-Initiative "Sunday Open".

Gerade während des Lockdowns, habe der Austausch unter den Kolleg*innen in Berlin an Fahrt gewonnen, so hört man es in letzter Zeit von allen Seiten. Auch "Basel by Berlin" entstand auf diese Weise, ganz spontan, im Gespräch, zunächst zwischen Florian Lüdde von der Galerie ChertLüdde und Carlier, Mehdi Chouakri kam noch dazu, dann kontaktierten sie alle an der Art Basel vertretenen Berliner Galerien und fast alle machten mit.

Etwa die Hälfte von ihnen hätte sowieso schon vorgehabt, Arbeiten aus der Messe-Auswahl in ihren Galerien oder Showrooms zu präsentieren, so Carlier. Der Rest kam erst durch sie auf die Idee. "Wir haben nur Sichtbarkeit gegeben." 

Zusammengehalten wird das Projekt durch den Titel, den Termin und einen gemeinsamen Instagram-Kanal. Frei waren die Galerien hingegen darin, wie sie die Idee interpretierten, auch was die Dauer angeht: Während etwa bei ChertLüdde die Verkaufsschau in den normalen Ausstellungsräumen der Galerie tatsächlich nur die zwei Tage über andauerte, was dem Ganzen, so Galeristin Jennifer Chert "den Geist einer Messe gebe" und auch gar nicht anders gegangen wäre – am Sonntag folgt schließlich schon die Eröffnung der Einzelausstellung von Kasia Fudakowski – stellte Esther Schipper gleich eine ganze Gruppenausstellung auf die Beine, mit Laufzeit bis zum 25. Juli. Der Text zur Schau "PS81E" bezeichnet sie entsprechend als "Antimesse". Dem gehetzten Messekauf setzt sie den langsameren Galeriebesuch entgegen, mit ausreichend Raum und Zeit, sich über die Kunst auszutauschen. Über die "Drawing Machine" von Angela Bulloch zum Beispiel, Ceal Floyers sich gegenseitig zujubelnden Lautsprecher oder über die zusammengeknüllten Euroscheine, die Ryan Gander wie eine vorwitzige Maus durch die Galeriewand bohren lässt.


"Basel by Berlin" in Kombination mit den Online Viewing Rooms ist eine aus der Not geborene Idee, aber eine, die in die Richtung weist, in die der Kunstmarkt steuern könnte. Carlier bedient sich um diesen zu beschreiben dem Begriff der sogenannten Brick-&-Click-Unternehmen, der  Unternehmen beschreibt, die Off- und Onlinehandel miteinander verbinden. "Basel by Berlin ist eine Brick-&-Click-Idee übertragen auf die Kunst", erklärt sie, passenderweise ausgerechnet vor Asta Grötings Fassadenarbeit "Reinhardstraße Stadtbahnunterführung". Die wiederum ist das beste Beispiel dafür, was ein Online Viewing Room leisten kann und was nicht: Online gibt es drei verschiedene Aufnahmen der Arbeit zu sehen, zusätzlich ein Video der Künstlerin. Sinnlich oder emotional macht es aber dann doch nur Klick, wenn man ihr tatsächlich gegenübersteht.

Nur wenige Schritte entfernt musste Barbara Thumm in ihrer Galerie für "Basel by Berlin" noch nicht einmal etwas um oder dazu hängen. Seit dem 15. Mai läuft dort eine Einzelausstellung von Joe Baer, auch für die Feature-Sektion der Art Basel war eine Einzelpräsentation der Künstlerin geplant.

Nicht zuletzt sind es freilich auch die Räumlichkeiten, die bei den Berliner Basel-Galerien die Art der Teilnahme bedingten. Nicht jeder hat so ein schmuckes "Warehouse" wie die Galerie Kewenig zur Verfügung, in dem auch großformatige Arbeiten – von Christian Boltanski, William Kentridge, Leiko Ikemura und weiteren mehr – luftig installiert werden können und in den Hof eine Bar mit schattigen Sitzplätzen für Gespräche passt.


Oder gleich eine ganze Kirche wie die König Galerie, wo dann sogar Platz für eine ganz eigene Veranstaltung ist, die "Messe in St. Agnes" mit Arbeiten aus dem Sekundärmarkt. Innerhalb von drei Wochen, habe König diese mittels seines Netzwerks auf die Beine gestellt. Arbeiten von 107 illustren Künstler*innen in dichter Petersburger Hängung füllen die frisch eingezogenen Wände. Die Atmosphäre hat tatsächlich etwas von einer Messe, auch wenn es freilich nicht ganz so geschäftig zu geht. Die "Messe in St. Agnes" läuft solange wie auch die Online Viewing Rooms der Art Basel geöffnet sind. Der Besuch kostet Eintritt, Fotografieren ist nicht erlaubt. Dafür sind alle Arbeiten mit Preisschildern versehen und gar nicht wenige bereits mit einem roten Punkt.

Klar, geht es ums Verkaufen, Illusionen mit "Basel by Berlin" plus Online-Messe ähnliche Erlöse zu erzielen wie sonst auf der analogen Art Basel macht sich freilich dennoch keiner. "Basel by Berlin" setzt aber ein deutliches Zeichen, ein Zeichen für Berlin und für wiederentdeckte Solidarität zwischen den Galerien, für Experimentierfreude, vor allem bei Ideen mit kurzen Wegen. "Lokale Initiativen sind es, die momentan funktionieren", glaubt Initiator Florian Lüdde von ChertLüdde und nennt als weiteres Beispiel das Gallery Weekend, das gar als eine der wenigen Kunstgroßveranstaltungen in diesem Jahr tatsächlich stattfinden könnte. "Basel by Berlin" könnte ähnlich Synergieeffekte schaffen. Es wäre allen zu wünschen.