Bridget Riley in Berlin

Der Welt beim Zerfließen zusehen

Nüchtern wie eine Infografik, aufregend wie ein LSD-Trip: Die Berliner Galerie Max Hetzler zeigt eine museumsreife Schau zu den Wandmalereien der britischen Künstlerin Bridget Riley

Es gibt Malerei, die die Welt erklären will, es gibt Malerei, die sich über sich selbst wundert, und es gibt die Malerei von Bridget Riley, die ihrem Publikum zuruft: Schau mal, was in dir steckt! Wobei dieser Ruf dermaßen diskret ausfällt, dass selbst der Begriff "Understatement" noch übertrieben scheint. Exakt angeordnete horizontale und vertikale Streifen, Punkte oder Kreise – das ist schon alles, worauf sich die Britin seit den 1960er-Jahren fokussiert, und doch könnte der Effekt kaum größer sein. Rileys Werke sind zugleich profan und von unglaublicher Aura, nüchtern wie eine Infographik und so aufregend wie ein LSD-Trip.

Die Berliner Galerie Max Hetzler zeigt jetzt eine museumsreife Retrospektive zu Rileys Wandmalereien der vergangenen 40 Jahre, die in der weitläufigen Halle des ehemaligen Druckereigebäudes an der Potsdamer Straße ideal aufgehoben ist. Es dauert nicht lange, bis Rileys Abstraktionen zu tanzen beginnen. Punkte pulsieren, scheinen mal hinter, mal vor der Wand zu stehen. Streifenbilder dehnen sich zusammen und strecken sich in die Breite, die Grenzen zwischen Bild und Wand lösen sich auf.

Farbakkorde scheinen sich zu wiederholen, doch so wirklich kommt man der Systematik nicht auf die Schliche. Muss man auch nicht. Viel schöner ist es, der Welt und sich selbst beim Zerfließen zuzusehen.

Ein grundsätzlicher Optimismus

Dass das Auge für Täuschungen anfällig ist, dass Licht und Schatten, Nachbilder und Fehlfarben uns Streiche spielen, ist seit Platons Höhlengleichnis ein alter Hut des abendländischen Kulturpessimismus. Riley Werk lässt das vermeintliche Manko als Qualität erscheinen, es feiert die Möglichkeit, das alles auch ganz anders sein könnte, es strahlt einen grundsätzlichen Optimismus aus – bezeichnenderweise entstand ihre erste Wandarbeit 1983 für ein Krankenhaus.

Sie selbst zieht sich aus ihren Bildern völlig zurück, es finden sich keinerlei malerische Gesten – wobei man natürlich auch dies als Geste verstehen darf. Auch mit 93 Jahren führt Riley ihr Werk unbeirrt fort. Macht ihre Obsession zu unserer Freude.