Galerienfestival "Curated By" in Wien

Was heißt hier neutral?

In Wien findet gerade zum 15. Mal das Galerienfestival "Curated By" statt. Die Veranstalter wollten das Motto "Neutralität" gern unpolitisch verstanden wissen. Aber nicht alle Kuratorinnen und Kuratoren machen da mit 

Das Konzept des gut vierwöchigen Galerienfestivals "Curated By" in Wien ist so außergewöhnlich wie spannend: 24 Galerien der Stadt laden je einen (internationalen) Kurator oder eine Kuratorin ein, der oder die dann in den Wiener Räumen eine Ausstellung kuratiert. Die Auserwählten können dabei mit Künstlern der einladenden Galerie arbeiten, müssen aber nicht. Performances, Gespräche und Paneldiskussionen runden das Festival ab, das zudem jedes Jahr unter einem Schwerpunkt steht, diesmal heißt dieser "Neutralität".

Bei diesem Thema scheiden sich nun die Geister: Die von den Organisatoren vorgegebene Interpretation des Mottos nämlich sieht dieses, erklärtermaßen nach Roland Barthes, vorrangig als einen Begriff, der einen Zustand des Dazwischen, Nicht-Binären und Nuancierten beschreibt - nicht aber eine explizit politische Haltung beinhaltet. Die meisten der am Galerienfestival teilnehmenden Kuratoren folgen mit ihren Ausstellungen der eher apolitischen Interpretation Barthes'. Einige wenige aber spielen bei dieser in unseren derzeitigen Krisenzeiten doch eher verwunderlichen Konzeption nicht mit.  

Ein gutes Beispiel für eine Ausstellung im Sinne des französischen Philosophen ist die von Gaby Capeda kuratierte Präsentation "Play Mode" mit Arbeiten der argentinischen Künstlerin Ad Minoliti bei Meyer*Kainer. Die Künstlerin zeigt unter anderem farbenfrohen Skulpturen, die mal mit Hunde-, mal mit Katzenkopf auf bunt gekleideten Menschenfiguren und immer mit großen Anime-Augen versehen sind. Diese beinahe comichaften Hybride neutralisieren spielerisch ein binäres Denken, das Natur, Technik und Mensch immer noch als Gegensatz behauptet.  

Ein Dorf, zwei Bildwelten

Die von Ingo Taubhorn kuratierte Ausstellung "Das Dorf" in der Galerie Crone hinterfragt den vermeintlich neutral-sachlichen Status der Fotografie, der vor allem in den Anfängen des Mediums als Ideal gegolten hat. Dazu hat Taubhorn Aufnahmen der ostdeutschen Stadt Berka zusammengestellt, die Ute und Werner Mahler, beide Mitbegründer der legendären Berliner Ostkreuzagentur, über sieben Jahrzehnte gemacht haben.

Diese das Alltagsleben in dem thüringischen Dorf dokumentierenden Fotos wurden Aufnahmen von Ludwig Schirmer, dem Vater Ute Mahlers gegenübergestellt. Auch diese schwarz-weißen Bilder erzählen vom Alltag in Berka, und dennoch weisen sie eine ganz andere "Handschrift" auf als die Fotos der Tochter – individuelle Blicke statt neutrale Objektivität gibt hier den gestalterischen Ton an.  

In der Galerie Senn versucht Raphael Oberhuber einen eher formal-konzeptuellen Zugang zum Thema Neutralität. Er hat 23 Arbeiten ausgesucht, die alle in einem 1 x 1 x 1 Meter kleinen Feld Platz finden. Gleichsam gleichberechtigt, fast schon in einem strengen Raster werden die Exponate dann präsentiert. Wenn man so will: auf "neutralem Grund".

Die Unmöglichkeit von Neutralität

So sind dann Arbeiten wie das Video "Untouched" (1995 - 1997) von Peter Friedln zu sehen, in dem der Sohn des Künstlers einen Ballon aufbläst, und die Skulptur "Therapie/Pilz#59" (2002) von Cosima von Bonin: ein weißer, überdimensionierter Schirm. Inhaltlich haben all die Arbeiten kaum etwas miteinander zu tun, nähern sich aber durch die ihnen inhärenten eher lapidaren Gesten einander an.

Zu den wenigen Galerien, die sich explizit gegen eine apolitische Lesart des Begriffes Neutralität entschieden haben, gehört Exile. Dort hat die Künstlerin-Kuratorin Pinar Öğrenci mit ihrer Ausstellung "Unfair Game" sieben Positionen vereint, die unter anderem die türkische "Kurdenpolitik" kritisch ins Visier nehmen.

Es gehe ihr um die "Unmöglichkeit von Neutralität", so formuliert es Öğrenci selbst. Und die Documenta-15-Teilnehmerin wundert sich: "Wir wurden eingeladen, eine Ausstellung über Neutralität zu kuratieren, als wenn es keinen Krieg um uns herum geben würde, als hätten wir soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit sowie Fremdenfeindlichkeit hinter uns gelassen".

Mehr als kunstbetriebliche Begehrlichkeiten

Die von ihr ausgewählten Arbeiten der sieben türkischen Künstlerinnen und Künstler nähern sich ihren Themen eher spielerisch – um dann aber eindeutig Position zu beziehen. So zum Beispiel Fatoş İrwens Video "Sur Fragments" (2016): Eine junge Frau geht darin in der kurdischen Stadt Diyarbakir eine Gasse auf und ab, wieder und wieder. Was auf dem ersten Blick als typisch "absurde" Performance erscheinen mag, erweist sich auf dem zweiten als autobiografisches Zitat eines Ausgangs auf einem Gefängnishof: Die Künstlerin war von 2013 bis 2016 in der Türkei als politische Gefangene inhaftiert.

Mit engagierten Arbeiten wie diesen gelingt ein erklärtes Ziel von "Curated By": eine internationale Vernetzung nämlich. Und diese erfüllt dann mehr als nur kunstbetriebliche Begehrlichkeiten des Standorts Wien.