1. Ein Fund auf der Treppe
Ich kann nichts festhalten. Etwas zu sammeln, ist mir fremd. Ich ziehe mich an wie ein Kind. Die billigen Sachen, die ich trage, werfe ich in die Waschmaschine, ziehe sie an, bis sie kaputt, verblichen, ausgeleiert sind, mir vom Körper fallen. Ich vergesse sie in irgendeiner Kiste, wie den Salat im Kühlschrank. Dann schmeiße ich sie weg. Die Dinge um mich herum, auch die ich liebe, müssen ohne mich überleben. Auf nur ganz wenige passe ich inzwischen auf: den Ehering an meinem Finger, Kunstwerke und Gemälde, zwei winzig kleine Holzküken, linsengroße Erzgebirgsschnitzereien, die mir meine erste Liebe schenkte. Wenn ich sterbe, wird sie mein bester, ältester Freund weiter hüten. So viele Dinge sind kaputt oder verloren gegangen, an denen meine Geschichte oder die Geschichte anderer hing. Lange dachte ich, das sind nur Dinge, es kommen wieder andere Dinge. Es lohnt sich nicht, sie zu wertschätzen, sie gehen sowieso kaputt. Aber es ist besser geworden.
Das liegt auch an meinem Freund. Ich lernte ihn vor fast zehn Jahren kennen. Er sammelt Kunst, Keramik, Bücher, Sachen. Und wenn ein Bucheinband verkratzt, ein winziger Chip aus einer Vase bricht, ein Handschuh verloren geht, kann mein Freund in regelrechte Verzweiflung verfallen, weil das mit Endlichkeit zu tun hat, dem unweigerlichen Verlust von allem, was wir lieben. Als wir uns begegneten, war mir das völlig fremd. Ich verstand weder das Ausmaß seiner Trauer, noch die Idee, dass diese Unglücke nicht passieren müssen, wenn man nur achtsam genug ist. Und er verstand nicht, wie ich so völlig ohne Achtsamkeit und Respekt vor Dingen oder Besitz leben konnte. Zu unserem Kennenlernen, meinen Versuchen, achtsamer zu werden, anders mit Dingen und Verlusten umzugehen, gehört auch ein Buch, das mich an diese wackelige Zeit erinnert: "Der Hase mit den Bernsteinaugen" von Edmund de Waal.
Ich fand es eines Tages auf einem Mini-Flohmarkt im Treppenhaus. In dem Werk versucht der britische Keramikkünstler und Autor die Geschichte seiner berühmten jüdischen Familie, den Ephrussis, zu rekonstruieren, die die europäische Kultur des anbrechenden 20. Jahrhunderts in Paris und Wien mitgeprägt hat. 1938 wird deren gesamtes Vermögen, auch alle Kunstwerke, von den Nazis beschlagnahmt. De Waals Vorfahren werden zu Flüchtlingen, gehen nach Mexiko, in die USA oder Großbritannien. Sein Urgroßvater muss in Wien unter dem Gejohle der Menge die "dreckige" Straße vor dem Palais Ephrussi schrubben, bis der Besen bricht und dann auf allen vieren weitermachen. Auf der Flucht in der Tschechoslowakei nimmt sich seine Urgroßmutter das Leben. Sein Urgroßvater kommt allein in Großbritannien an. Dessen Tochter Elisabeth, Edmunds Großmutter, die in Wien Philosophie und Recht studierte und mit Rilke über Poesie korrespondierte, heiratet einen Niederländer. Sie konvertiert zum Christentum. Mit ihren beiden kleinen Söhnen fliehen sie durch ganz Europa, gelangen vor Ausbruch des Kriegs nach Großbritannien.
Elisabeth wird 1945 als englische Rechtsanwältin in ihre Geburtsstadt Wien zurückkehren und zehn Jahre lang um das "arisierte" Erbe ihrer Familie kämpfen. De Waals in Amsterdam geborener Vater Victor, der als Kind im Palais Ephrussi spielte, wird Brite, schlägt die Laufbahn als Geistlicher der anglikanischen Kirche ein, wird schließlich zum Dekan von Canterbury. Edmund wächst im Schatten der Kathedrale auf und beginnt als Teenager, in der Schule bei einem renommierten Keramiker das Töpfern zu erlernen, bei dem er eine Lehre anfängt, hunderte von Gefäßen macht, um dann zum Anglistik-Studium nach Cambridge zu gehen.
2. Für mich sind Sie die Madonna des Bildungsbürgertums!
Schon damals im Treppenhaus, als ich das Buch zum ersten Mal durchblätterte, nur die Bilder ansah, ahnte ich, dass dies eine geistreiche, sensible Geschichte ist: Da waren kleine japanische Schnitzereien aus Holz und Elfenbein aus dem 18. Jahrhundert: Äffchen, zarte Eier, eine Taube auf einem Baumstumpf, eine Ratte mit einem Seil. Fotos von Frauen in Ballkleidern, Straßenszenen in Wien, Paris, Schnappschüsse aus dem Familienalbum, immer wieder Gemälde. Ein Sommertag, Badende auf Claude Monets "Les Bains de La Grenouillière", dann Renoir: eine Künstler-Runde in einem Ausflugslokal am Fluss, Strohhüte, Unterhemden, Rotwein. Immer wieder Kunst, Schnitzereien, Buchseiten, Passfotos. Eine Postkarte aus der ungarischen Puszta, geschrieben 1914 bei Anbruch des Ersten Weltkrieges, darauf in schnörkeliger Schrift: "Today. I painted Flowers today. Love and heaps of kisses, Gisela." Ein Titelblatt von Rilkes Stundenbuch. Ein Flugzeug über der Wiener Ringstraße. Dann ein Panorama vom Stadtzentrum, diesmal eine faschistische Parade zum Anschluss Österreichs. Verblichene Ausweispapiere, Soldaten in der Normandie. Der Schnappschuss eines eleganten schwulen Paares, ein Europäer und ein Japaner, es müssen die 1970er sein, in einem Boot, verliebt. Eine Geschichte der Dinge, der Menschen, des Sammelns, der Bildung.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass ich, als ich Edmund de Waal fast ein Jahrzehnt später, an einem heißen Sommertag, in seiner Ausstellung "Letters home" bei Max Hetzler treffe, ihn mit den Worten begrüße: "Für mich sind Sie die Madonna des Bildungsbürgertums!" Er lächelt freundlich. Vielleicht gibt es das Bildungsbürgertum nicht mehr, aber er ist ein Star, der für diese Idee des "Hochgebildeten" steht, für Exzellenz, liberale Tradition. Er zeigte seine Keramik-Installationen und Interventionen in Häusern wie dem British Museum, dem Victoria & Albert Museum, der New Yorker Frick Collection, dem Kunsthistorischen Museum in Wien – und er ist der wohl einzige Künstler, der einen Weltbestseller geschrieben hat, "Der Hase mit den Bernsteinaugen" wurde in zig Sprachen übersetzt und über 1,5 Millionen Mal verkauft.
3. Die Tränen der Dinge
Während ich mein Leben mit Wodka, Sex und leeren Versprechungen vergammelte und in einem Kreuzberger Hostel das Frühstücksbüffet auffüllte, ging de Waal 1999 zwei Jahre für ein Stipendium nach Tokio, um bei japanischen Mingei-Meistern Töpferei zu studieren. Damit beginnt sein Buch. Mingei ist eine Bewegung aus den 1920ern, die auch als Reaktion auf den Vormarsch der westlichen Moderne in Japan entstand. Der Begriff bezeichnet so etwas wie "Volkskunst" oder "Folk Art". Für die Keramiker der Mingei-Bewegung war wichtig, dass die Objekte handgefertigt, nicht perfekt und homogenisiert sind, für die Massen erschwinglich. Sie sollten für den alltäglichen Gebrauch geeignet sein, wobei auch die Töpfer zumeist anonym blieben. Wichtig waren lokale Traditionen, eine extrem minimalistische, zugleich meisterhafte Einfachheit und Bescheidenheit der Form.
Dieses Denken wird später in de Waals Werk auch eine konzeptionelle Rolle spielen. In Tokio trifft er regelmäßig seinen 84-jährigen schwulen Großonkel "Iggie", Ignaz von Ephrussi, der mit seinem japanischen Partner Jiro zusammenlebt. Zu seiner mit antiker japanischer Kunst und modernistischem Design eingerichteter Wohnung gehört eine riesige Glasvitrine, in der die Sammlung von 264 Netsuke-Schnitzereien aus dem 19. Jahrhundert ausgestellt ist. Die Miniatur-Figuren aus Holz, Elfenbein oder Walfischzähnen kamen im ausgehenden 17. Jahrhundert in Mode und wurden als Gegengewichte genutzt, um kleine Lack-Behälter an den Kimonos zu befestigen. Iggi stirbt kurz nach de Waals Heimkehr nach Großbritannien, vermacht seinem Großneffen die Netsuke-Sammlung.
De Waal beschließt, das Schicksal dieser Figuren als eine Art Reiseführer durch die Geschichte seiner Familie zu benutzen. 2010, nach jahrelanger Recherche, veröffentlicht er sein Buch. Er erzählt darin eine ebenso faszinierende wie traumatische Geschichte über Kunstwerke, Nachlässe, Überreste, Sammlungen, Aufzeichnungen hinter denen dann die Menschen hervortreten, manche greifbar, andere wie Geister. Ein Kapitel heißt sogar: "Die Tränen der Dinge". Die Gewalt, die den Dingen angetan wird, die dumme, ruchlose Brutalität, mit der sie von Nazis geraubt, verkauft, zerstört werden, ist eine Analogie zur Vernichtung menschlicher Kultur und Identität. Eine der eindringlichsten Szenen im Buch ist, als am 12. März 1938 beim "Anschluss" Österreichs an das Reich, eine Nazibande in das Palais Ephrussi eindringt, randaliert, plündert und einen antiken Schreibtisch mitsamt Briefen in den Hof wirft, wo er begleitet von antisemitischen Beschimpfungen zerschellt.
4. Eine kleine Entladung von Genauigkeit
Es ist das Ende einer goldenen Epoche für die Familie, die 1870 im Paris der Belle Epoche einen frühen Höhepunkt findet, als Charles Ephrussi, ein Cousin von de Waals Urgroßvater, die Netsuke-Sammlung erwirbt. Die Dynastie stammt aus Odessa, hat ihr Geld mit Weizen, Öl, Bankgeschäften gemacht. Die ganze Generation von Charles wird wie er nach Paris oder wie de Waals Urgroßvater nach Wien geschickt, um sich mit anderen reichen jüdischen Familien zu verheiraten, aber auch um die Kultur und Kunst in diesen beiden Metropolen der Moderne mitzugestalten. Charles ist Kunsthistoriker, Sammler, Mäzen der Impressionisten, ein Freund von Manet und von Marcel Proust. Er wird eines der Vorbilder für die Figur des Charles Swann in "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Paris ist im Japan-Fieber, und er kauft die Netsuke für sein Studierzimmer, auch um sie mit seiner verheirateten Geliebten anzuschauen. 1899, lange nach der Romanze, wird er sie als Hochzeitsgeschenk an de Waals Urgroßeltern nach Wien senden, wo sie ähnlich wie er einen mit Kunst und Antiquitäten ausgestatteten Palast erbaut haben.
De Waals Buch haftet etwas etwas von der extremen, fast neurotischen Sensibilität und der extremen Auffassungsgabe Prousts an. Es liegt aber auch etwas Unerbittliches in dem Detailreichtum, mit dem de Waal den Niedergang beschreibt, das zu lange Abwarten, die falsche Vorstellung, durch die Klassenzugehörigkeit geschützt zu sein. Unter der Opulenz verbirgt sich Nüchternheit. "Nostalgie über all den verlorenen Reichtum von vor einem Jahrhundert steht mir nicht zu", schreibt er in der Einleitung, "Melancholie, denke ich, ist eine Art gedankenlose Verschwommenheit, eine Ausstiegsklausel, ein erdrückender Mangel an Bildschärfe. Und dieses Netsuke ist eine kleine Entladung von Genauigkeit. Es verdient dafür eben diese Genauigkeit." Stück für Stück, mit großer Akribie sichtet er das, was verloren, zerstört, enteignet, ausgelöscht ist. Und die Nachfahren der Täter, also Leser wie ich, sollen es auch ansehen.
Das lässt an die berühmte Passage aus Hannah Arendts Essay "Wir Flüchtlinge" denken, in der sie schreibt: "Wir haben unser Zuhause und damit die Vertrautheit des Alltags verloren. Wir haben unseren Beruf verloren und damit das Vertrauen eingebüßt, in dieser Welt irgendwie von Nutzen zu sein. Wir haben unsere Sprache verloren und mit ihr die Natürlichkeit unserer Reaktionen, die Einfachheit unserer Gebärden und den ungezwungenen Ausdruck unserer Gefühle. Wir haben unsere Verwandten in den polnischen Ghettos zurückgelassen, unsere besten Freunde sind in den Konzentrationslagern umgebracht worden, und das bedeutet den Zusammenbruch unserer privaten Welt."
5. Das Haus am Ende der Welt
De Waal spricht über das Sammeln, das Erinnern, die Suche nach der verlorenen Zeit, er ist ein grandioser, investigativer Geschichtenerzähler. Sein Werk handelt aber genauso, oder noch viel mehr, von der Auslöschung, dem Unwiederbringlichen, einem Zustand absoluter Dunkelheit, der trotz aller Bemühungen kaum zu überwinden ist. Das wird auch in der aktuellen Ausstellung bei der Berliner Galerie Max Hetzler spürbar. De Waal hat die Oberlichter der riesigen Halle an der Potsdamer Straße freilegen lassen, sodass Sonnenstrahlen hineinfallen. Im Zusammenspiel mit den Keramiken entsteht ein erstaunlich theatralisches, dramatisches Spiel von Licht und Schatten. Das wird besonders in dem Pavillon aus geschwärztem Pappelholz und gebrannter Eiche deutlich.
Das kleine Gebäude, etwa so groß wie ein Geräteschuppen, ist zentral für die Ausstellung, wie de Waal im Pressetext schreibt, "eine Art Gefäß zum Lob des Schattens", auch eine Reminiszenz an die Teehäuser, die meditativen Zeremonien, die er während seiner Ausbildung in Japan kennenlernte. Drinnen Schwärze. In Rissen und Zwischenräumen blitzt Silber auf. Licht fällt durch ein hauchdünnes, mondfarbenes Stück Porzellan und schräg durch einen kleinen Schacht in der Decke, wie in einem expressionistischen Film. Man sieht mikroskopisch kleine Staubpartikel aufwirbeln. Oben unter dem Dachgiebel ein Regalbrett, darauf aufgereiht eine Sammlung kleiner schwarze Keramiken, als hätte sie da jemand wie seine Kinder vor Überfällen versteckt.
"There are still songs to sing beyond mankind” hat de Waal dieses Haus am Ende der Welt betitelt, nach dem Gedicht "Fadensonnen" von Paul Celan: "über der grauschwarzen Ödnis / Ein baum-hoher Gedanke / greift sich den Lichtton: es sind / noch Lieder zu singen jenseits der Menschen." Celan schrieb 1944 mit "Todesfuge" ein Gedicht, das ihn schlagartig berühmt machte und heute als Inbegriff der Holocaust-Lyrik gilt. In späteren Gedichten wie "Fadensonnen" setzte er sich mit geologischen, physikalischen, meteorologischen Phänomenen auseinander.
In der schwarzen Hütte riecht es räucherig, nach angebranntem Holz. Die Szene erinnert mich weniger an Meditation als an dystopische Horrorfilme, bei denen die Protagonisten in verlassene Waldhütten kommen, von denen man nicht weiß, ob die Bewohner gerade auf die Jagd gegangen oder schon 200 Jahre tot sind. Ich stelle mir vor, wie Gedanken wie Bäume hoch in den Himmel wachsen. Doch vor dem Haus sind keine Bäume, sondern menschengroße Urnen. Gefäße, die selbst aber auch eine Art Körper bilden, in dessen Haut de Waal Fragmente von Rilkes "Duineser Elegien" geritzt hat, Klagekörper. An der Wand eine endlose Reihe von Vitrinen aus schwarzem Eichenholz, darin hauchdünne, minimalistische Gefäße, Scherben, Stücke von geschwärztem Silber, arrangiert wie Notationen, John-Cage Stücke, in denen die Pause, der Zwischenraum das eigentliche Ereignis ist.
6. Und hier bin ich und töpfere
Oben in einem Seitenraum wartet de Waal auf mich, müde vom Aufbau, auch etwas nervös, weil er abends noch einen Vortrag in der American Academy halten muss. Neben ihm liegt tatsächlich ein Gedichtband von Celan. Er ist so jungenhaft wie in seinen Videos, die ich seit der Pandemie immer wieder angesehen habe: Studioführungen, Talks, die mich merkwürdig beruhigt haben. Angesichts von Querdenkern, Rechtsruck, den Kriegen in der Ukraine und in Gaza habe ich mir immer wieder die weißen Töpfe von Edmund de Waal angesehen, um nicht in Panik zu geraten: Stapel von Porzellan, den kleinen Hocker und die Drehscheibe, den Hund, sein weißes Studio, das in Wirklichkeit gar nicht so aufgeräumt ist.
Dabei konnte man sich in diese zenartige, feinfühlige Welt flüchten, ohne das als bloße Ablenkung zu benutzen. Denn de Waal begrenzt die Erfahrung von Flucht, Exil, Diaspora, nicht allein auf seine jüdische Familiengeschichte, sondern adressiert in seiner Arbeit eine global wachsende Gesellschaft von Geflüchteten, die zunehmend entmenschlicht und entrechtet wird. Die Familie übergab 2019 die berühmten Netsuke mitsamt dem Hasen mit den Bernsteinaugen als Dauerleihgabe dem Jüdischen Museum in Wien, ließ aber etwa ein Drittel der Sammlung versteigern, um den Erlös britischen Flüchtlingsorganisationen zu spenden. Zwei seiner Brüder arbeiten in Konfliktzonen, erzählt de Waal, einer in Zentralafrika und einer im Kaukasus, einer seiner Söhne mit Flüchtlingen im Sudan. "Und hier bin ich und töpfere."
Immer wieder hat er in Interviews betont, auch seine Keramiken befänden sich in einem Zustand ähnlich der Diaspora. In seinen ortsbezogenen Installationen sucht er buchstäblich einen Platz für sie, klemmt sie zwischen Bücher, baut sie in Regalen oder auf Anrichten auf, oft auch so, dass sie kaum sichtbar sind. Etwa im Victoria & Albert Museum, wo er sie in einer Dauerinstallation meterhoch über dem Publikum auf einem umlaufenden Regal in einer Kuppel installierte. 2019 zeigte er während der Biennale in Venedig seine Installation "Library of Exile", die dann nach Dresden und ins British Museum wanderte. Die Bücherei, die de Waal im Anschluss der von den Taliban verwüsteten Universitätsbibliothek Mosul im Irak spendete, bestand aus Werken von Schriftstellern aus über 100 Ländern in Dutzenden von Sprachen von der Antike bis zur Gegenwart, die Exil, Verlust und Vertreibung erlebt haben. Die Außenwände sind mit flüssigem Porzellan bemalt und von de Waal mit den Namen der großen verlorenen Bibliotheken der Welt beschriftet.
7. Lieder, jenseits des Menschen
De Waal verbindet seine Obsession mit Material und Handwerk, einer fast altmodischen Gelehrtheit und Lyrik. In seinen an Performances grenzenden Vorträgen lässt er die vergangene Pracht von Opern, Salons, wertvollen Kunstgegenständen auferstehen – aber auch Trauer und Wut, die plötzlich, manchmal und unerwartet hochkommen. Seine Vitrinen sind von den Stillleben Chardins und Cezannes inspiriert, vor allem aber von dem italienischen Modernisten Giorgio Morandi (1890- 1964), der fast sein ganzes Leben ausgefeilt komponierte Stillleben mit schlichten, alltäglichen Gefäßen malte.
Doch da ist noch eine andere Botschaft, archaisch, roh, wie aus der griechischen Mythologie. Die Spuren, die Vertreibung, Kriege, Genozide hinterlassen, sind nicht kultiviert. Die Häuser der Opfer, ihre Kunst, ihr Besitz können vielleicht gerettet werden. Wir können versuchen, etwas wieder gutzumachen, uns zu erinnern. Was aber von dieser historischen Gewalt, von der Shoa, aber auch den aktuellen Genoziden auf der ganzen Welt übrigbleibt, ist anonym, liegt da, unbetrauert: Schuhe, Haare, verstreute Kleider, angeschwemmte Körper, Säcke, aufgestapelte, verbrannte Leichen. Material, Leben, das zu bloßer Materie, zu Kalk, Knochen, Asche geworden ist.
Diese harte, faktische Energie bergen de Waals Arbeiten trotz aller Schönheit immer in sich. Könnte Paul Celan mit "Fadensonnen" auch eine posthumane Welt gemeint haben, will ich wissen, eine Welt, in der es niemand mehr gibt, der sich erinnert, weder an den Holocaust, noch die menschliche Zivilisation? Er glaube nicht, dass Celan eine Zukunft ohne die Menschheit meint, antwortet de Waal: "Der Ausdruck 'es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen' ist eine sehr Celansche Kristallisation. Für mich ist es eher wie: 'Ich weiß nicht, was passieren wird, ich weiß nicht, wie lange diese Dunkelheit andauern wird, was von diesem Moment gerettet werden kann. Und trotzdem habe ich ein Gedicht geschrieben.' Es ist ein schwieriges, persönliches Gedicht über das Bedürfnis zu schreiben: Ich muss durchhalten. Ich muss mir die Dunkelheit absolut und vollständig aneignen."
8. Back to the Postmoderne
Dieses Durchhalten, das Bewahren von Erinnerung, die Rolle von Dingen dabei sind zentral für de Waal. Wäre da der Gedanke, dass diese Bemühungen vielleicht sinnlos sind, weil nur noch das Material übrigbleibt, nicht fatal? "Ich mache Dinge. Das ist es, was ich tue", antwortet er. "Ich vertiefe mich ganz in das Wesen des Gegenstandes, in das, was es bedeutet, die materielle Welt zu nutzen und etwas herzustellen. Und das kann überleben oder auch nicht. Es spielt keine Rolle." Ich nehme ihm das nicht ab. Ist das sein Ernst? "Es kümmert mich nicht. Alles geht kaputt. Es wird vergehen. Aber ich habe mein ganzes Leben damit verbracht, mich auf diesen Materialismus einzustimmen, auf die Geschichten, die den Dingen innewohnen – das Materielle in der natürlichen Welt und noch mehr in der geschaffenen Welt, der Welt der Tatsachen, der Welt der von Menschen gemachten Dinge. Aber für mich gibt es noch etwas anderes, und das ist die Vielfalt der Sprachen, die in den Objekten existieren. Diese Sprache kann in den Büchern, die ich schreibe, verstärkt werden. Aber kann sie auch in den Dingen funktionieren, die ich herstelle?"
Wir sprechen über die Verbindung zwischen seiner Rolle als Autor und Töpfer. Für ihn sind die riesigen Urnen, die Elegien ein gutes Beispiel: "Diese riesigen Gefäße schaffen etwas, das so groß ist wie ein Körper, und ich schreibe mich direkt in sie ein, so dass Objekt, Körper und Sprache miteinander verschmelzen. Es ist keine klare Übertragung von einem Ding in ein anderes, es wird komplizierter. Es ist viel mehr wie eine Erkundung." Dieses nicht Zielgerichtete, Assoziative, die Idee, dass "Form" und "Inhalt" verschwimmen, erinnert mich an etwas – meine Jugend.
Ich gestehe etwas: Dass ich mich, angesichts der gegenwärtigen Katastrophen, diesem Dilemma, dem Zustand der Unsicherheit und Bodenlosigkeit, in dem sich die Welt befindet, manchmal in eine vergangene Zeit zurückwünsche, an die mich auch seine Kunst erinnert. Zurück in diese weiße, elegante, etwas selbstüberhebliche Postmoderne, zurück zu Cy Twomblys Markierungen und Schriftfetzen, der Leere der Leinwände. Zurück zu Pina Bausch, der Schaubühne, zu Roland Barthes "Fragmente einer Sprache der Liebe", dem Weiß in Sugimotos Fotografien, den frühen Theaterstücken von Robert Wilson, zu Syberberg, Kluge und Fassbinder, in diese Zeit, in der "Shoa" von Claude Lanzmann im Fernsehen lief und Celans "Todesfuge" in der Schule gelesen wurde. Diese Zeit, in der unsere deutsche Erinnerungskultur geprägt wurde – die Vorstellung der kühlen, minimalistischen Leere, der Abwesenheit, der Lücke, die sich etwa in Peter Eisenmanns Holocaust-Mahnmal oder den "Voids", den Leerräumen, niederschlägt, die das von Daniel Liebeskind entworfene Jüdische Museum in Berlin vom Untergeschoss bis zum Dach durchziehen. Aber, ich kann nicht mehr zurück in diese Zeit, in der ich als Teenie Trenchcoats trug, Susan Sontag las und dachte, das weiße Europa und die USA seien die Epizentren der globalen Kultur.
9. Die Sache mit der Erinnerungskultur
So viel hat sich verändert, sage ich zu ihm, das sieht man ja an den Debatten um Entkolonialisierung, Gender, Faschismus, Antisemitismus und Erinnerungskultur. Er nickt. Ich frage ihn, ob er mitbekommen hat, welche Skandale Masha Gessens Artikel im "New Yorker" Ende 2023 ausgelöst hat: "In the Shadow of the Holocaust". Die russisch-amerikanische Journalistin, beschreibt darin, wie mit der eigentlich vorbildlichen deutschen Erinnerungskultur der 1990er-Jahre das Dogma in die deutsche Politik einzementiert wurde, dass der Holocaust als singuläres, sich nie wiederholendes Ereignis außerhalb der Geschichte steht und deshalb keine Vergleiche, keine Suche nach Ähnlichkeiten zulässt. Sinnbild dafür ist in Mahnmalen, Kunstwerken und Gedichten auch die Leere, der Zwischenraum, die nicht nur für die Auslöschung und Abwesenheit der Opfer stehen, sondern auch für Unaussprechlichkeit, das Fehlen von Sprache oder Bildern, die dem Holocaust gerecht werden könnten.
Besondere Empörung löste in Deutschland Gessens These aus, die Zustände in Gaza glichen nicht der eines "Freiluftgefängnisses", wie es David Cameron einmal bezeichnete, sondern es gäbe bei dem Krieg in Israel und Gaza Ähnlichkeiten mit der Liquidierung der jüdischen Ghettos durch die Nazis. Die Heinrich-Böll-Stiftung zog daraufhin ihre Unterstützung der Verleihung des Hannah-Arendt-Preises in Bremen zurück. Die Verleihung fand verspätet in einem kleinen Kreis statt. Gessen, die selbst Jüdin ist, deren Vorfahren in Konzentrationslagern umgebracht wurden, sah sich in Deutschland dem Vorwurf des Antisemitismus, Boykotten und Beschimpfungen als "Self Hating Jew" ausgesetzt, die oft von nicht-jüdischen Politikern und Bürgern kamen. Genauso erging es anderen progressiven jüdischen Denkerinnen, Journalistinnen und Künstlerinnen etwa Candice Breitz, Judith Butler, Nancy Fraser oder Naomi Klein. Ich erinnere mich an ein Interview, in dem Gessen sinngemäß etwas für mich sehr Wichtiges, sagte: Die Menschen heute seien nicht moralischer, intelligenter oder besser als die Menschen in den 1930er- und 1940er-Jahren. Sie hätten ihren Vorfahren nur eines voraus: Sie wüssten, dass es den Holocaust gegeben hat und könnten Anzeichen dafür entdecken.
Ich will das, mit de Waal gerade diskutieren, als ich an seinem Blick sehe, dass er nicht weiß, worüber ich spreche. Er kennt weder den Artikel, noch Gessen, noch die Debatten in Deutschland. Mich erstaunt das, da seine Arbeit sich so intensiv mit Erinnerungskultur beschäftigt. Ich erzähle ihm, wie ich in der Schule die "Todesfuge" von einem Lehrer vorgelesen bekam, der selbst wahrscheinlich Nazi gewesen, in den Krieg gezogen und in russische Gefangenschaft gekommen war. Er trug das Gedicht mit viel Pathos vor, fast wie einen Exorzismus oder eine Litanei. Heute denke ich, dass dieses Celan-Zitieren, die Poesie auch Mittel waren, um nicht von den eigenen Erfahrungen sprechen zu müssen, ob und warum man Nazi geworden war, was im Krieg passierte, um die Scham, die Schuld zu externalisieren. Auch Heidegger, der einen längeren Flirt mit dem Nationalsozialismus hatte, verehrte Celan, traf sich sogar mehrfach mit ihm. Nazis? Nein, hier sind keine, wir lesen ja alle die "Todesfuge". De Waal versteht, was ich meine, auch in Bezug auf seine Kunst.
Ich frage ihn, ob die Pandemie, die Kriege, der globale Rechtsruck seine Einstellung zur Erinnerungskultur verändert haben. "Während der Pandemie war ich zum ersten Mal seit vielen Jahren allein im Atelier – ohne den Lärm der Kritiker und der Leute, die ins Studio kamen", sagt er. "Ich habe auf eine Weise über mich nachgedacht, die unglaublich produktiv war – auch in Bezug auf den Weg, den ich in meiner Arbeit einschlagen möchte. Ich versuchte wirklich, die Grenzen der Erinnerungskultur herauszuarbeiten, die ich nach einem Jahrzehnt der Arbeit mit Museen und Institutionen, mit öffentlichen Interaktionen und allen möglichen Dingen spürte."
10. Von Paris nach Auschwitz und Carinhall
Er habe 2020 die Idee entwickelt, quasi ein Pendant zum "Hasen mit den Bernsteinaugen" zu schreiben: "Briefe an Camondo". Graf Moïse de Camondo lebte in Paris in derselben Straße wie Edmund de Waals Vorfahren. Wie die Ephrussi gehörten auch die Camondos zur High Society der Belle Époque. Auch sie waren Zielscheibe des Antisemitismus. Camondo schuf ein spektakuläres Haus und füllte es mit der größten Privatsammlung französischer Kunst des 18. Jahrhunderts, die sein Sohn erben sollte. Doch Nissim fiel im Ersten Weltkrieg. Der Vater trauerte so sehr, dass er das Haus in eine Mischung aus Mausoleum und Museum verwandelte, nichts durfte hinein oder hinausgetragen zu werden. Das Haus wird zu einer Gedenkstätte, in der die Zeit stillsteht. Vor seinem Tod überschreibt es der Stadt Paris, um dieses Vermächtnis in Sicherheit zu bringen. Und dann wird die ganze Familie, bis auf die geschiedene Frau, unter dem Vichy-Regime nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Und natürlich plündern die Nazis, doch das Haus bleibt weitgehend intakt, da es Frankreich gehört. Göring schnappt sich ein Jugendbildnis der geschiedenen Frau Moïses, die als einzige der Familie in der Schweiz überlebt. Renoir malte es 1880. Es ist das "Porträt von Irène Cahen d'Anvers", besser bekannt als "Kleine Irene", und Göring brachte es zu seiner Frau, nach Carinhall in die Schorfheide. Ich lebe heute etwa 20 Kilometer entfernt von diesem Ort im Wald, von dem nur noch zwei Pförtnerhäuser stehen, weil Göring es sprengen ließ. Görings Schwager konfiszierte das Schloss hier im Dorf und sprengte es ebenfalls in die Luft, bevor die Russen kamen.
Das Bild, das Göring später gegen andere Raubkunst eintauschte, wurde wiedergefunden. Die Besitzerin, das kleine Mädchen auf dem Gemälde, nun eine alte Frau, deren Tochter, Schwiegersohn, Enkel von den Nazis ermordet wurden, verkaufte es einem Pariser Galeristen. Und der vermittelte es nach Zürich, an den in die Schweiz eingebürgerten deutschen Kunstsammler Emil Georg Bührle, der Nazi war, und sein Geld als Leiter des Rüstungsunternehmens Oerlikon und Lieferant der Wehrmacht gemacht hatte.
11. "Meine Lieblingsfigur ist Hiob"
In seinem Buch schreibt de Waal imaginäre Briefe an die Toten der Familie Camondo, um diese Geschichte zu verarbeiten. "Die Camondo-Briefe an jemanden zu schreiben, der nicht da ist, und keine Antwort zu bekommen, weil sie alle tot sind, war auch ein Versuch, damit umzugehen, wie wenig Einfluss ich habe, wie wenig diese Interventionen im Museum, der Versuch eines Gedenkens, bewirkt haben", sagt de Waal. "Ich musste meine Grenzen akzeptieren, das völlige Versagen, etwas zu bewegen. Das ganze Buch handelte vom persönlichen Scheitern."
Nach der Veröffentlichung des Buches im April 2021 zeigte das Museum Nissim de Camondo eine Ausstellung mit neuen Werken von Edmund de Waal, die als Reaktion auf den Palast und die Geschichte der Camondos entstanden sind. "Sie wurden ermordet, und die Gedenkstätte ist immer noch da. Es gibt eine Diskrepanz zwischen der Intention des Mahnmals und der Realität dessen, woran erinnert wird", sagt de Waal. "Um diese Diskrepanz geht es in meiner Praxis, die etwas berühren will, Resonanz erzeugen will, versucht, eine Verbindung wiederherzustellen, etwas zurückzuholen – eine Stimme, eine Hand, eine Person, einen Ort." Er macht eine lange Pause. "Aber es funktioniert nicht. Es geschieht einfach nicht. Die Kluft zwischen dem, was ich versuche, und dem, was ich hinbekomme, ist wie ein Absturz." Was will er denn erreichen, frage ich. "Es geht nicht darum, dass die Leute rausgehen und sagen: Oh, wow, das ist wunderschön. Du willst ihr Leben verändern, du willst ihr ganzes Energiefeld verändern. Ich möchte, dass es mehr ist als das Gefühl, in einem kleinen Raum zu sein, der nach Rauch riecht."
Hat er je daran gedacht aufzugeben? Nein, sagt de Waal. "Ich mache weiter. Melancholie und Nostalgie entstehen aus der Unfähigkeit zu trauern, wirklich zu trauern. Freud hat davon gesprochen. Man zieht die Melancholie an, weil man dem endlosen Kreislauf der Trauer nicht entkommen kann. Echte Trauer, richtig zu trauern ist befreiend." Ich frage ihn, ob er denn "richtig" trauert. Nein, das sei nur ein Versuch, entgegnet er. "Hier bin ich und mache weiter Gefäße. Ich versuche es wieder und wieder. 'Prekär' ist ein wichtiger Begriff für mich. Alles, was ich tue, ist zerbrechlich. Meine Lieblingsfigur ist Hiob, der auf einem Haufen zerbrochener Töpfe sitzt. Das ist ein guter Ort, um sich zu beschweren und der Welt etwas vorzusingen. Umgeben von Scherben zu sein, zu sehen, wie viel Gebrochenheit da ist. Meine Arbeit ist vielleicht Kunst, die man mit weißen Handschuhen anfassen kann, aber natürlich zerbricht sie. So verbindet sie sich mit der Welt, der verwundeten Welt."
12. Diese Schönheit wird niemanden schützen
Später, beim Vortrag in der Villa der American Academy am Wannsee, ist er in einer fast euphorischen Stimmung. Draußen, ein unfassbar schöner Garten, der glitzernde Wannsee, ein Vorhang weht im Sommerwind. Auch die Wannseevilla, in der wir sitzen, wurde von den Nazis enteignet. Sie ist das Haus, in dem Anna-Maria Kellen, die wichtigste Förderin und Mitgründerinnen der American Academy, aufwuchs. De Waal zeigt ein Foto eines Tellers mit Schmetterlingen und Vögeln. Er gehört zu einem Meißener Tafelservice aus dem 18.Jahrhundert. Es stammt aus dem Besitz der jüdischen Familie von Klemperer, die 1938 aus Dresden floh und deren Sammlung von den Nazis konfisziert wurde. Die Teller wurden beim Bombardement von 1945 stark beschädigt. De Waal hat die Scherben ersteigert und von einer japanischen Porzellankünstlerin in der traditionellen Kintsugi-Technik wieder zusammenzufügen lassen.
Ein hörbares Raunen geht durch die Menge, so schön ist dieses mit goldenen Adern durchzogene Objekt. In diesem Moment merke ich, dass sich mein Energiefeld verändert hat. Diese Schönheit wird niemanden schützen. Das ist ein Hoffnungsfunken. Aber an dem sollte man sich nicht zu lange festhalten. Es kann sein, dass unsere Sachen, Dinge die wir geliebt haben, wie Relikte gezeigt werden, von nachfolgenden Generationen genauso bestaunt werden. Niemand, der hier gerade im Saal sitzt, ist sicher. Wir alle können deportiert, ins Lager gesteckt, zu Flüchtlingen werden.
Edmund de Waal, von dem man denkt, er ruhe in seiner Klasse, ist unruhig in seiner Klasse. In seiner Kunst versucht er, ähnlich wie im Stillleben, die Dinge zu still zu machen, runter zu bringen, in einen transzendenten Zustand zu versetzen. Zugleich ist da der Künstler selbst, der nicht schweigen, sich nicht abfinden kann, der schreibt und redet, der nicht aufhören kann zu erinnern, Erinnerung einzufordern, immer mehr zerbrechliche, verletzliche Sachen herstellt. Das gehört alles zusammen, in dieser Kunst. Das gehört in diese Zeit, in der wir uns fragen müssen, woran wir hängen, was für uns wirklich wichtig und wertvoll ist.